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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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Kurz nach ihrem Verschwinden erschien sie zu
P --, nahm emsigen Unterricht in der katholi-
schen Religion, und wurde auf ihr Verlangen in
der Taufe Karoline, Friederike genannt. Sie
wohnte diese ganze Zeit über in einem Nonnen-
kloster, gieng nie aus, und nur selten im Garten
desselben spazieren. Erst am Tage ihrer öffentli-
chen Taufe versicherten die Jünglinge der ganzen
Stadt, daß sie nie ein schöneres Mädchen, nie
solche glühende, wahre Andacht gesehen hätten.
Ihr schwarzes Rabenhaar, ihr noch schwärzeres
Auge, war der Stoff ihres Gesprächs, und man-
ches Mädchen vergaß sich in der Folge zu pudern,
weil die Erfahrung sie belehrt hatte, daß ein na-
türliches Haar so große Wirkung mache. Ehe
man noch über die Fragen: Woher die schöne
Unbekannte komme? Wer sie eigentlich sei? Ob
sie wirklich so großes Vermögen besitze? einig
werden konnte, war die schöne Karoline schon
wieder aus P -- abgereiset. Sie verlangte schon
dort, Nonne zu werden, und wollte dagegen dem
Kloster ihr ganzes großes Vermögen vermachen,
da aber die Landesgesetze nicht gestatten, daß eine
Nonne dem Kloster großes Vermögen zur Mitgift
bringen darf, so konnten die Nonnen dieß nicht
annehmen, und Karoline gieng wahrscheinlich auf
ihren Rath nach D -- im B --, wo sie von den
Nonnen mit größtem Vergnügen aufgenommen
wurde, und sogleich ihr Probejahr antrat. Der
seltne Fall, durch welchen das Kloster auf so an-
Kurz nach ihrem Verſchwinden erſchien ſie zu
P —, nahm emſigen Unterricht in der katholi-
ſchen Religion, und wurde auf ihr Verlangen in
der Taufe Karoline, Friederike genannt. Sie
wohnte dieſe ganze Zeit uͤber in einem Nonnen-
kloſter, gieng nie aus, und nur ſelten im Garten
deſſelben ſpazieren. Erſt am Tage ihrer oͤffentli-
chen Taufe verſicherten die Juͤnglinge der ganzen
Stadt, daß ſie nie ein ſchoͤneres Maͤdchen, nie
ſolche gluͤhende, wahre Andacht geſehen haͤtten.
Ihr ſchwarzes Rabenhaar, ihr noch ſchwaͤrzeres
Auge, war der Stoff ihres Geſpraͤchs, und man-
ches Maͤdchen vergaß ſich in der Folge zu pudern,
weil die Erfahrung ſie belehrt hatte, daß ein na-
tuͤrliches Haar ſo große Wirkung mache. Ehe
man noch uͤber die Fragen: Woher die ſchoͤne
Unbekannte komme? Wer ſie eigentlich ſei? Ob
ſie wirklich ſo großes Vermoͤgen beſitze? einig
werden konnte, war die ſchoͤne Karoline ſchon
wieder aus P — abgereiſet. Sie verlangte ſchon
dort, Nonne zu werden, und wollte dagegen dem
Kloſter ihr ganzes großes Vermoͤgen vermachen,
da aber die Landesgeſetze nicht geſtatten, daß eine
Nonne dem Kloſter großes Vermoͤgen zur Mitgift
bringen darf, ſo konnten die Nonnen dieß nicht
annehmen, und Karoline gieng wahrſcheinlich auf
ihren Rath nach D — im B —, wo ſie von den
Nonnen mit groͤßtem Vergnuͤgen aufgenommen
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[24/0032] Kurz nach ihrem Verſchwinden erſchien ſie zu P —, nahm emſigen Unterricht in der katholi- ſchen Religion, und wurde auf ihr Verlangen in der Taufe Karoline, Friederike genannt. Sie wohnte dieſe ganze Zeit uͤber in einem Nonnen- kloſter, gieng nie aus, und nur ſelten im Garten deſſelben ſpazieren. Erſt am Tage ihrer oͤffentli- chen Taufe verſicherten die Juͤnglinge der ganzen Stadt, daß ſie nie ein ſchoͤneres Maͤdchen, nie ſolche gluͤhende, wahre Andacht geſehen haͤtten. Ihr ſchwarzes Rabenhaar, ihr noch ſchwaͤrzeres Auge, war der Stoff ihres Geſpraͤchs, und man- ches Maͤdchen vergaß ſich in der Folge zu pudern, weil die Erfahrung ſie belehrt hatte, daß ein na- tuͤrliches Haar ſo große Wirkung mache. Ehe man noch uͤber die Fragen: Woher die ſchoͤne Unbekannte komme? Wer ſie eigentlich ſei? Ob ſie wirklich ſo großes Vermoͤgen beſitze? einig werden konnte, war die ſchoͤne Karoline ſchon wieder aus P — abgereiſet. Sie verlangte ſchon dort, Nonne zu werden, und wollte dagegen dem Kloſter ihr ganzes großes Vermoͤgen vermachen, da aber die Landesgeſetze nicht geſtatten, daß eine Nonne dem Kloſter großes Vermoͤgen zur Mitgift bringen darf, ſo konnten die Nonnen dieß nicht annehmen, und Karoline gieng wahrſcheinlich auf ihren Rath nach D — im B —, wo ſie von den Nonnen mit groͤßtem Vergnuͤgen aufgenommen wurde, und ſogleich ihr Probejahr antrat. Der ſeltne Fall, durch welchen das Kloſter auf ſo an-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/32>, abgerufen am 21.11.2024.