Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
Kloster zu bewegen, und wollte sie seine Bitte nicht hören, mißlänge diese vielleicht, seine Tage ebenfalls in einem Kloster vertrauern. Mit die- sem Vorsatze beschäftigt, durch die Hofnung, daß er sie vielleicht doch retten werde, gestärkt, reiste er jetzt nach B --, und nahm seinen Weg ab- sichtlich über D --. Das Kloster lag in einem einsamen Thale, nur wenige Häuser umgaben es. Ein ansehnli- ches Gasthaus, das ehemals Nahrung durch einen nahen Gesundheitsbrunnen erhalten hatte, nun aber durch die häufigen Wahlfahrter nach der Klosterkirche ernährt wurde, lag zwar nahe an den Mauern des Klostergartens, aber kein Fen- ster gewährte dahin Aussicht, und Friedrich konn- te nur die hohen Mauern, die seine Allgeliebte umschlossen, thatenlos anstaunen. Um nicht Verdacht zu erregen, seinen treuen Dienern aber doch Zeit zum Nachforschen zu gön- nen, stellte er sich drei Tage sehr krank, und ver- weilte zu seiner größten Pein, die meiste Zeit im Bette und Zimmer. Die rastlosen Späher brach- ten ihm bald die gewisse Nachricht, daß die schö- ne Esther unter dem Namen Angelika wirklich im Kloster lebe, und wegen ihrer großen Frömmigkeit und noch größeren Reichthumes dort allgemein geschätzt sei, aber nähere, bestimmtere Nachrichten folgten nun äußerst sparsam. Am Abende des dritten Tages wußte Friedrich nicht viel mehr, nur war seinen Dienern erzählt
Kloſter zu bewegen, und wollte ſie ſeine Bitte nicht hoͤren, mißlaͤnge dieſe vielleicht, ſeine Tage ebenfalls in einem Kloſter vertrauern. Mit die- ſem Vorſatze beſchaͤftigt, durch die Hofnung, daß er ſie vielleicht doch retten werde, geſtaͤrkt, reiſte er jetzt nach B —, und nahm ſeinen Weg ab- ſichtlich uͤber D —. Das Kloſter lag in einem einſamen Thale, nur wenige Haͤuſer umgaben es. Ein anſehnli- ches Gaſthaus, das ehemals Nahrung durch einen nahen Geſundheitsbrunnen erhalten hatte, nun aber durch die haͤufigen Wahlfahrter nach der Kloſterkirche ernaͤhrt wurde, lag zwar nahe an den Mauern des Kloſtergartens, aber kein Fen- ſter gewaͤhrte dahin Ausſicht, und Friedrich konn- te nur die hohen Mauern, die ſeine Allgeliebte umſchloſſen, thatenlos anſtaunen. Um nicht Verdacht zu erregen, ſeinen treuen Dienern aber doch Zeit zum Nachforſchen zu goͤn- nen, ſtellte er ſich drei Tage ſehr krank, und ver- weilte zu ſeiner groͤßten Pein, die meiſte Zeit im Bette und Zimmer. Die raſtloſen Spaͤher brach- ten ihm bald die gewiſſe Nachricht, daß die ſchoͤ- ne Eſther unter dem Namen Angelika wirklich im Kloſter lebe, und wegen ihrer großen Froͤmmigkeit und noch groͤßeren Reichthumes dort allgemein geſchaͤtzt ſei, aber naͤhere, beſtimmtere Nachrichten folgten nun aͤußerſt ſparſam. Am Abende des dritten Tages wußte Friedrich nicht viel mehr, nur war ſeinen Dienern erzaͤhlt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0046" n="38"/> Kloſter zu bewegen, und wollte ſie ſeine Bitte<lb/> nicht hoͤren, mißlaͤnge dieſe vielleicht, ſeine Tage<lb/> ebenfalls in einem Kloſter vertrauern. Mit die-<lb/> ſem Vorſatze beſchaͤftigt, durch die Hofnung, daß<lb/> er ſie vielleicht doch retten werde, geſtaͤrkt, reiſte<lb/> er jetzt nach B —, und nahm ſeinen Weg ab-<lb/> ſichtlich uͤber D —.</p><lb/> <p>Das Kloſter lag in einem einſamen Thale,<lb/> nur wenige Haͤuſer umgaben es. Ein anſehnli-<lb/> ches Gaſthaus, das ehemals Nahrung durch einen<lb/> nahen Geſundheitsbrunnen erhalten hatte, nun<lb/> aber durch die haͤufigen Wahlfahrter nach der<lb/> Kloſterkirche ernaͤhrt wurde, lag zwar nahe an<lb/> den Mauern des Kloſtergartens, aber kein Fen-<lb/> ſter gewaͤhrte dahin Ausſicht, und Friedrich konn-<lb/> te nur die hohen Mauern, die ſeine Allgeliebte<lb/> umſchloſſen, thatenlos anſtaunen.</p><lb/> <p>Um nicht Verdacht zu erregen, ſeinen treuen<lb/> Dienern aber doch Zeit zum Nachforſchen zu goͤn-<lb/> nen, ſtellte er ſich drei Tage ſehr krank, und ver-<lb/> weilte zu ſeiner groͤßten Pein, die meiſte Zeit im<lb/> Bette und Zimmer. Die raſtloſen Spaͤher brach-<lb/> ten ihm bald die gewiſſe Nachricht, daß die ſchoͤ-<lb/> ne Eſther unter dem Namen Angelika wirklich im<lb/> Kloſter lebe, und wegen ihrer großen Froͤmmigkeit<lb/> und noch groͤßeren Reichthumes dort allgemein<lb/> geſchaͤtzt ſei, aber naͤhere, beſtimmtere Nachrichten<lb/> folgten nun aͤußerſt ſparſam.</p><lb/> <p>Am Abende des dritten Tages wußte Friedrich<lb/> nicht viel mehr, nur war ſeinen Dienern erzaͤhlt<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [38/0046]
Kloſter zu bewegen, und wollte ſie ſeine Bitte
nicht hoͤren, mißlaͤnge dieſe vielleicht, ſeine Tage
ebenfalls in einem Kloſter vertrauern. Mit die-
ſem Vorſatze beſchaͤftigt, durch die Hofnung, daß
er ſie vielleicht doch retten werde, geſtaͤrkt, reiſte
er jetzt nach B —, und nahm ſeinen Weg ab-
ſichtlich uͤber D —.
Das Kloſter lag in einem einſamen Thale,
nur wenige Haͤuſer umgaben es. Ein anſehnli-
ches Gaſthaus, das ehemals Nahrung durch einen
nahen Geſundheitsbrunnen erhalten hatte, nun
aber durch die haͤufigen Wahlfahrter nach der
Kloſterkirche ernaͤhrt wurde, lag zwar nahe an
den Mauern des Kloſtergartens, aber kein Fen-
ſter gewaͤhrte dahin Ausſicht, und Friedrich konn-
te nur die hohen Mauern, die ſeine Allgeliebte
umſchloſſen, thatenlos anſtaunen.
Um nicht Verdacht zu erregen, ſeinen treuen
Dienern aber doch Zeit zum Nachforſchen zu goͤn-
nen, ſtellte er ſich drei Tage ſehr krank, und ver-
weilte zu ſeiner groͤßten Pein, die meiſte Zeit im
Bette und Zimmer. Die raſtloſen Spaͤher brach-
ten ihm bald die gewiſſe Nachricht, daß die ſchoͤ-
ne Eſther unter dem Namen Angelika wirklich im
Kloſter lebe, und wegen ihrer großen Froͤmmigkeit
und noch groͤßeren Reichthumes dort allgemein
geſchaͤtzt ſei, aber naͤhere, beſtimmtere Nachrichten
folgten nun aͤußerſt ſparſam.
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