Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
Aebtissin fort, welches ich im Namen des heiligen Oberhauptes unsrer Kirche über dich auszusprechen verordnet worden bin, damit aber nicht Verzweif- lung deine Seele ergreift, so wisse, daß wir uns, ob du es gleich nicht verdienst, zum Throne des heiligen Vaters nahen, und um deine Lösung fle- hen werden. Bis dahin harre im Kerker, bis da- hin rufe aus der Tiefe zum Ewigen empor, da- mit er das Herz seines Statthalters auf Erden erweiche, und dich fähig mache, durch ächte Reue und Buße den Himmel wieder zu gewinnen, den du so muthwillig verscherzet hast. Karoline. (im standhaften Tone) Muthig und entschlossen würde ich in meinen Ker- ker wandern, ruhig büßen, was ich verbrochen habe, denn derjenige, welcher jedes Haar auf dem Haupte des Menschen gezählt hat, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fallen kann, würde trotz eures schrecklichen Fluchs, mein Schutz und Schirm seyn, mit mir enden nach seiner un- ermeßlichen Barmherzigkeit; aber -- -- (sie ringt weinend ihre Hände) aber ich bin schwanger! Fühlts, denn ihr seid Menschen! Ich trage ein Kind unter meinem Herzen, das schuldlos am Verbrechen der Mutter ist, und nicht büßen kann ihre Sünden! Erbarmt euch des Un- gebohrnen, übt wenigstens Barmherzigkeit an diesem! Einige Nonnen. Verflucht sei's mit ihr, der unauslöschliche Beweiß ihres Meineides! Sie
Aebtiſſin fort, welches ich im Namen des heiligen Oberhauptes unſrer Kirche uͤber dich auszuſprechen verordnet worden bin, damit aber nicht Verzweif- lung deine Seele ergreift, ſo wiſſe, daß wir uns, ob du es gleich nicht verdienſt, zum Throne des heiligen Vaters nahen, und um deine Loͤſung fle- hen werden. Bis dahin harre im Kerker, bis da- hin rufe aus der Tiefe zum Ewigen empor, da- mit er das Herz ſeines Statthalters auf Erden erweiche, und dich faͤhig mache, durch aͤchte Reue und Buße den Himmel wieder zu gewinnen, den du ſo muthwillig verſcherzet haſt. Karoline. (im ſtandhaften Tone) Muthig und entſchloſſen wuͤrde ich in meinen Ker- ker wandern, ruhig buͤßen, was ich verbrochen habe, denn derjenige, welcher jedes Haar auf dem Haupte des Menſchen gezaͤhlt hat, ohne deſſen Willen kein Sperling vom Dache fallen kann, wuͤrde trotz eures ſchrecklichen Fluchs, mein Schutz und Schirm ſeyn, mit mir enden nach ſeiner un- ermeßlichen Barmherzigkeit; aber — — (ſie ringt weinend ihre Haͤnde) aber ich bin ſchwanger! Fuͤhlts, denn ihr ſeid Menſchen! Ich trage ein Kind unter meinem Herzen, das ſchuldlos am Verbrechen der Mutter iſt, und nicht buͤßen kann ihre Suͤnden! Erbarmt euch des Un- gebohrnen, uͤbt wenigſtens Barmherzigkeit an dieſem! Einige Nonnen. Verflucht ſei's mit ihr, der unausloͤſchliche Beweiß ihres Meineides! Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0062" n="54"/> Aebtiſſin fort, welches ich im Namen des heiligen<lb/> Oberhauptes unſrer Kirche uͤber dich auszuſprechen<lb/> verordnet worden bin, damit aber nicht Verzweif-<lb/> lung deine Seele ergreift, ſo wiſſe, daß wir uns,<lb/> ob du es gleich nicht verdienſt, zum Throne des<lb/> heiligen Vaters nahen, und um deine Loͤſung fle-<lb/> hen werden. Bis dahin harre im Kerker, bis da-<lb/> hin rufe aus der Tiefe zum Ewigen empor, da-<lb/> mit er das Herz ſeines Statthalters auf Erden<lb/> erweiche, und dich faͤhig mache, durch aͤchte Reue<lb/> und Buße den Himmel wieder zu gewinnen, den<lb/> du ſo muthwillig verſcherzet haſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#KARO"> <speaker><hi rendition="#g">Karoline</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">im ſtandhaften Tone</hi>)</stage><lb/> <p>Muthig und entſchloſſen wuͤrde ich in meinen Ker-<lb/> ker wandern, ruhig buͤßen, was ich verbrochen<lb/> habe, denn derjenige, welcher jedes Haar auf dem<lb/> Haupte des Menſchen gezaͤhlt hat, ohne deſſen<lb/> Willen kein Sperling vom Dache fallen kann,<lb/> wuͤrde trotz eures ſchrecklichen Fluchs, mein Schutz<lb/> und Schirm ſeyn, mit mir enden nach ſeiner un-<lb/> ermeßlichen Barmherzigkeit; aber — — <stage>(<hi rendition="#g">ſie<lb/> ringt weinend ihre Haͤnde</hi>)</stage> aber ich bin<lb/> ſchwanger! Fuͤhlts, denn ihr ſeid Menſchen!<lb/> Ich trage ein Kind unter meinem Herzen, das<lb/> ſchuldlos am Verbrechen der Mutter iſt, und nicht<lb/> buͤßen kann ihre Suͤnden! Erbarmt euch des Un-<lb/> gebohrnen, uͤbt wenigſtens Barmherzigkeit an<lb/> dieſem!</p> </sp><lb/> <sp who="NONN"> <speaker><hi rendition="#g">Einige Nonnen</hi>.</speaker> <p>Verflucht ſei's mit ihr,<lb/> der unausloͤſchliche Beweiß ihres Meineides! Sie<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [54/0062]
Aebtiſſin fort, welches ich im Namen des heiligen
Oberhauptes unſrer Kirche uͤber dich auszuſprechen
verordnet worden bin, damit aber nicht Verzweif-
lung deine Seele ergreift, ſo wiſſe, daß wir uns,
ob du es gleich nicht verdienſt, zum Throne des
heiligen Vaters nahen, und um deine Loͤſung fle-
hen werden. Bis dahin harre im Kerker, bis da-
hin rufe aus der Tiefe zum Ewigen empor, da-
mit er das Herz ſeines Statthalters auf Erden
erweiche, und dich faͤhig mache, durch aͤchte Reue
und Buße den Himmel wieder zu gewinnen, den
du ſo muthwillig verſcherzet haſt.
Karoline. (im ſtandhaften Tone)
Muthig und entſchloſſen wuͤrde ich in meinen Ker-
ker wandern, ruhig buͤßen, was ich verbrochen
habe, denn derjenige, welcher jedes Haar auf dem
Haupte des Menſchen gezaͤhlt hat, ohne deſſen
Willen kein Sperling vom Dache fallen kann,
wuͤrde trotz eures ſchrecklichen Fluchs, mein Schutz
und Schirm ſeyn, mit mir enden nach ſeiner un-
ermeßlichen Barmherzigkeit; aber — — (ſie
ringt weinend ihre Haͤnde) aber ich bin
ſchwanger! Fuͤhlts, denn ihr ſeid Menſchen!
Ich trage ein Kind unter meinem Herzen, das
ſchuldlos am Verbrechen der Mutter iſt, und nicht
buͤßen kann ihre Suͤnden! Erbarmt euch des Un-
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dieſem!
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