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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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enden zu wollen, aber die Natur siegte, sie ge-
nas, und ihre Raserei verwandelte sich in einen
glücklichen Wahnsinn, welcher ihre Einbildungs-
kraft irre führte, und ihr gewährte, was ihr die
Gesetze nicht erlauben konnten. Sie bildete sich
bald aus Wäsche und andern Flecken ein Kind,
das sie mit der größten Sorgfalt pflegte und war-
tete, sie that niemand etwas zu leide, aber weh
derjenigen, welche es nur versuchen wollte, ihr
die elende Puppe zu rauben, sie war dann Tage
lang nicht zu besänftigen, und wachte nachher im-
mer einige Nächte am Bette des kleinen Abgotts.
Auf den Rath des Klosterarztes ward ihr mehr
Freiheit verstattet, sie konnte im Garten und
Kreuzgange umher wandeln, aber sie thats sehr
selten, weil man ihr nicht erlaubte, die Puppe
mitzunehmen.

Als sie einst in der Zelle einer Nonne einen
Haubenstock erblickte, stürzte sie wild hinein, um-
armte den Klotz mit innigstem Gefühle, und rief
freudetrunken aus: Nun habe ich mein geraub-
tes Kind wieder! Sie warf die sonst so schätz-
bare Puppe in einen Winkel, und der Hauben-
stock vertrat von nun an die Stelle derselben.
Ihre einzige Beschäftigung war die Pflege und
Wartung des Kindes, oft schlich sie traurig und
weinend in den Klostergängen umher, wenn man
dann nach der Ursache ihrer Trauer forschte, so
erzählte sie mit dem schmerzhaftesten Gefühle und
der innigsten Rührung, daß ihr Kind krank sei,

enden zu wollen, aber die Natur ſiegte, ſie ge-
nas, und ihre Raſerei verwandelte ſich in einen
gluͤcklichen Wahnſinn, welcher ihre Einbildungs-
kraft irre fuͤhrte, und ihr gewaͤhrte, was ihr die
Geſetze nicht erlauben konnten. Sie bildete ſich
bald aus Waͤſche und andern Flecken ein Kind,
das ſie mit der groͤßten Sorgfalt pflegte und war-
tete, ſie that niemand etwas zu leide, aber weh
derjenigen, welche es nur verſuchen wollte, ihr
die elende Puppe zu rauben, ſie war dann Tage
lang nicht zu beſaͤnftigen, und wachte nachher im-
mer einige Naͤchte am Bette des kleinen Abgotts.
Auf den Rath des Kloſterarztes ward ihr mehr
Freiheit verſtattet, ſie konnte im Garten und
Kreuzgange umher wandeln, aber ſie thats ſehr
ſelten, weil man ihr nicht erlaubte, die Puppe
mitzunehmen.

Als ſie einſt in der Zelle einer Nonne einen
Haubenſtock erblickte, ſtuͤrzte ſie wild hinein, um-
armte den Klotz mit innigſtem Gefuͤhle, und rief
freudetrunken aus: Nun habe ich mein geraub-
tes Kind wieder! Sie warf die ſonſt ſo ſchaͤtz-
bare Puppe in einen Winkel, und der Hauben-
ſtock vertrat von nun an die Stelle derſelben.
Ihre einzige Beſchaͤftigung war die Pflege und
Wartung des Kindes, oft ſchlich ſie traurig und
weinend in den Kloſtergaͤngen umher, wenn man
dann nach der Urſache ihrer Trauer forſchte, ſo
erzaͤhlte ſie mit dem ſchmerzhafteſten Gefuͤhle und
der innigſten Ruͤhrung, daß ihr Kind krank ſei,

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[59/0067] enden zu wollen, aber die Natur ſiegte, ſie ge- nas, und ihre Raſerei verwandelte ſich in einen gluͤcklichen Wahnſinn, welcher ihre Einbildungs- kraft irre fuͤhrte, und ihr gewaͤhrte, was ihr die Geſetze nicht erlauben konnten. Sie bildete ſich bald aus Waͤſche und andern Flecken ein Kind, das ſie mit der groͤßten Sorgfalt pflegte und war- tete, ſie that niemand etwas zu leide, aber weh derjenigen, welche es nur verſuchen wollte, ihr die elende Puppe zu rauben, ſie war dann Tage lang nicht zu beſaͤnftigen, und wachte nachher im- mer einige Naͤchte am Bette des kleinen Abgotts. Auf den Rath des Kloſterarztes ward ihr mehr Freiheit verſtattet, ſie konnte im Garten und Kreuzgange umher wandeln, aber ſie thats ſehr ſelten, weil man ihr nicht erlaubte, die Puppe mitzunehmen. Als ſie einſt in der Zelle einer Nonne einen Haubenſtock erblickte, ſtuͤrzte ſie wild hinein, um- armte den Klotz mit innigſtem Gefuͤhle, und rief freudetrunken aus: Nun habe ich mein geraub- tes Kind wieder! Sie warf die ſonſt ſo ſchaͤtz- bare Puppe in einen Winkel, und der Hauben- ſtock vertrat von nun an die Stelle derſelben. Ihre einzige Beſchaͤftigung war die Pflege und Wartung des Kindes, oft ſchlich ſie traurig und weinend in den Kloſtergaͤngen umher, wenn man dann nach der Urſache ihrer Trauer forſchte, ſo erzaͤhlte ſie mit dem ſchmerzhafteſten Gefuͤhle und der innigſten Ruͤhrung, daß ihr Kind krank ſei,

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/67>, abgerufen am 22.11.2024.