Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
Gewohnheit, und Gewohnheit fällt nicht mehr hart. Franz beschloß dann nebenbei, seine drei Knaben auch zu tüchtigen Feldarbeitern zu erzie- hen, und wenn diese durch ihren Fleiß das Ver- dienst mehrten, einst ein kleines Bauerngut zu kaufen. Wir werden dann, setzte er hinzu, am Ende unsrer Tage froh und zufrieden im Stüb- chen sitzen, und müssig zusehen, wie unsere Kinder sich und uns wohl ernähren. Dieß waren die Plane, mit welchen die Unglücklichen sich zu trö- sten, und die Schwere des harten Schicksals durch heitere Aussichten zu vermindern suchten. Am dritten Tage ihrer Wanderschaft langten sie in einem großen Dorfe an, die Hälfte dessel- ben war im vorigen Winter durch eine unglückliche Feuersbrunst in die Asche gelegt worden, die Bauern bauten jetzt ihre Wohnungen wieder auf, und da einige in der Schenke, wo Franz über- nachtete, über den großen Mangel an Arbeitern klagten, so bot er ihnen seinen redlichen Beistand an, wenn sie ihn auch künftig in ihrer Mitte dul- den, und ihm vergönnen wollten, sich und seine unglückliche Familie durch Fleiß und Arbeit zu ernähren. Sie giengen diese billige Forderung oh- ne Weigern ein, Franz fand Herberge in einem kleinen Stübchen, und ward am folgenden Tage schon Handlanger der Maurer, welche in großer Anzahl dort arbeiteten. Er verdiente sich täglich vier Groschen, sie reichten kaum auf Brod für sich und seine Familie, er mußte immer noch vom
Gewohnheit, und Gewohnheit faͤllt nicht mehr hart. Franz beſchloß dann nebenbei, ſeine drei Knaben auch zu tuͤchtigen Feldarbeitern zu erzie- hen, und wenn dieſe durch ihren Fleiß das Ver- dienſt mehrten, einſt ein kleines Bauerngut zu kaufen. Wir werden dann, ſetzte er hinzu, am Ende unſrer Tage froh und zufrieden im Stuͤb- chen ſitzen, und muͤſſig zuſehen, wie unſere Kinder ſich und uns wohl ernaͤhren. Dieß waren die Plane, mit welchen die Ungluͤcklichen ſich zu troͤ- ſten, und die Schwere des harten Schickſals durch heitere Ausſichten zu vermindern ſuchten. Am dritten Tage ihrer Wanderſchaft langten ſie in einem großen Dorfe an, die Haͤlfte deſſel- ben war im vorigen Winter durch eine ungluͤckliche Feuersbrunſt in die Aſche gelegt worden, die Bauern bauten jetzt ihre Wohnungen wieder auf, und da einige in der Schenke, wo Franz uͤber- nachtete, uͤber den großen Mangel an Arbeitern klagten, ſo bot er ihnen ſeinen redlichen Beiſtand an, wenn ſie ihn auch kuͤnftig in ihrer Mitte dul- den, und ihm vergoͤnnen wollten, ſich und ſeine ungluͤckliche Familie durch Fleiß und Arbeit zu ernaͤhren. Sie giengen dieſe billige Forderung oh- ne Weigern ein, Franz fand Herberge in einem kleinen Stuͤbchen, und ward am folgenden Tage ſchon Handlanger der Maurer, welche in großer Anzahl dort arbeiteten. Er verdiente ſich taͤglich vier Groſchen, ſie reichten kaum auf Brod fuͤr ſich und ſeine Familie, er mußte immer noch vom <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#WILH"> <p><pb facs="#f0096" n="88"/> Gewohnheit, und Gewohnheit faͤllt nicht mehr<lb/> hart. Franz beſchloß dann nebenbei, ſeine drei<lb/> Knaben auch zu tuͤchtigen Feldarbeitern zu erzie-<lb/> hen, und wenn dieſe durch ihren Fleiß das Ver-<lb/> dienſt mehrten, einſt ein kleines Bauerngut zu<lb/> kaufen. Wir werden dann, ſetzte er hinzu, am<lb/> Ende unſrer Tage froh und zufrieden im Stuͤb-<lb/> chen ſitzen, und muͤſſig zuſehen, wie unſere Kinder<lb/> ſich und uns wohl ernaͤhren. Dieß waren die<lb/> Plane, mit welchen die Ungluͤcklichen ſich zu troͤ-<lb/> ſten, und die Schwere des harten Schickſals durch<lb/> heitere Ausſichten zu vermindern ſuchten.</p><lb/> <p>Am dritten Tage ihrer Wanderſchaft langten<lb/> ſie in einem großen Dorfe an, die Haͤlfte deſſel-<lb/> ben war im vorigen Winter durch eine ungluͤckliche<lb/> Feuersbrunſt in die Aſche gelegt worden, die<lb/> Bauern bauten jetzt ihre Wohnungen wieder auf,<lb/> und da einige in der Schenke, wo Franz uͤber-<lb/> nachtete, uͤber den großen Mangel an Arbeitern<lb/> klagten, ſo bot er ihnen ſeinen redlichen Beiſtand<lb/> an, wenn ſie ihn auch kuͤnftig in ihrer Mitte dul-<lb/> den, und ihm vergoͤnnen wollten, ſich und ſeine<lb/> ungluͤckliche Familie durch Fleiß und Arbeit zu<lb/> ernaͤhren. Sie giengen dieſe billige Forderung oh-<lb/> ne Weigern ein, Franz fand Herberge in einem<lb/> kleinen Stuͤbchen, und ward am folgenden Tage<lb/> ſchon Handlanger der Maurer, welche in großer<lb/> Anzahl dort arbeiteten. Er verdiente ſich taͤglich<lb/> vier Groſchen, ſie reichten kaum auf Brod fuͤr<lb/> ſich und ſeine Familie, er mußte immer noch vom<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [88/0096]
Gewohnheit, und Gewohnheit faͤllt nicht mehr
hart. Franz beſchloß dann nebenbei, ſeine drei
Knaben auch zu tuͤchtigen Feldarbeitern zu erzie-
hen, und wenn dieſe durch ihren Fleiß das Ver-
dienſt mehrten, einſt ein kleines Bauerngut zu
kaufen. Wir werden dann, ſetzte er hinzu, am
Ende unſrer Tage froh und zufrieden im Stuͤb-
chen ſitzen, und muͤſſig zuſehen, wie unſere Kinder
ſich und uns wohl ernaͤhren. Dieß waren die
Plane, mit welchen die Ungluͤcklichen ſich zu troͤ-
ſten, und die Schwere des harten Schickſals durch
heitere Ausſichten zu vermindern ſuchten.
Am dritten Tage ihrer Wanderſchaft langten
ſie in einem großen Dorfe an, die Haͤlfte deſſel-
ben war im vorigen Winter durch eine ungluͤckliche
Feuersbrunſt in die Aſche gelegt worden, die
Bauern bauten jetzt ihre Wohnungen wieder auf,
und da einige in der Schenke, wo Franz uͤber-
nachtete, uͤber den großen Mangel an Arbeitern
klagten, ſo bot er ihnen ſeinen redlichen Beiſtand
an, wenn ſie ihn auch kuͤnftig in ihrer Mitte dul-
den, und ihm vergoͤnnen wollten, ſich und ſeine
ungluͤckliche Familie durch Fleiß und Arbeit zu
ernaͤhren. Sie giengen dieſe billige Forderung oh-
ne Weigern ein, Franz fand Herberge in einem
kleinen Stuͤbchen, und ward am folgenden Tage
ſchon Handlanger der Maurer, welche in großer
Anzahl dort arbeiteten. Er verdiente ſich taͤglich
vier Groſchen, ſie reichten kaum auf Brod fuͤr
ſich und ſeine Familie, er mußte immer noch vom
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