"Eilen sie, stand darauf geschrieben, nach Hause, und trösten sie meine arme Mutter mit der Versicherung, daß mich zwar mein unvermeidliches Schicksal wahrscheinlich auf ewig von ihr trennt, daß ich aber den Schritt freiwillig wage, ihn nie zu bereuen, gegrün- dete Hofnung habe. Sie soll bald Nachricht von mir erhalten, ich zweifle dann nicht, daß sie mir mein väterliches Erbe nicht vorenthal- ten wird, damit ich in den Armen eines red- lichen Mannes, um deswillen ich eine so gute Mutter verließ, ruhig und zufrieden leben kann. Theure Mutter, trauern sie nicht, wenn sie dies lesen, bedenken sie, daß ihre Tochter daheim verwelkt wäre, und itzt in der Ferne herrlich blühen, ihnen jederzeit Nachricht von ihrem Befinden geben, und nie aufhören wird, sie um den mütterlichen Se- gen zu bitten."
welchen ſie auf ihrem Nachttiſche gefunden hatte.
„Eilen ſie, ſtand darauf geſchrieben, nach Hauſe, und troͤſten ſie meine arme Mutter mit der Verſicherung, daß mich zwar mein unvermeidliches Schickſal wahrſcheinlich auf ewig von ihr trennt, daß ich aber den Schritt freiwillig wage, ihn nie zu bereuen, gegruͤn- dete Hofnung habe. Sie ſoll bald Nachricht von mir erhalten, ich zweifle dann nicht, daß ſie mir mein vaͤterliches Erbe nicht vorenthal- ten wird, damit ich in den Armen eines red- lichen Mannes, um deswillen ich eine ſo gute Mutter verließ, ruhig und zufrieden leben kann. Theure Mutter, trauern ſie nicht, wenn ſie dies leſen, bedenken ſie, daß ihre Tochter daheim verwelkt waͤre, und itzt in der Ferne herrlich bluͤhen, ihnen jederzeit Nachricht von ihrem Befinden geben, und nie aufhoͤren wird, ſie um den muͤtterlichen Se- gen zu bitten.“
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welchen ſie auf ihrem Nachttiſche gefunden
hatte.
„Eilen ſie, ſtand darauf geſchrieben, nach
Hauſe, und troͤſten ſie meine arme Mutter
mit der Verſicherung, daß mich zwar mein
unvermeidliches Schickſal wahrſcheinlich auf
ewig von ihr trennt, daß ich aber den Schritt
freiwillig wage, ihn nie zu bereuen, gegruͤn-
dete Hofnung habe. Sie ſoll bald Nachricht
von mir erhalten, ich zweifle dann nicht, daß
ſie mir mein vaͤterliches Erbe nicht vorenthal-
ten wird, damit ich in den Armen eines red-
lichen Mannes, um deswillen ich eine ſo gute
Mutter verließ, ruhig und zufrieden leben
kann. Theure Mutter, trauern ſie nicht,
wenn ſie dies leſen, bedenken ſie, daß ihre
Tochter daheim verwelkt waͤre, und itzt in
der Ferne herrlich bluͤhen, ihnen jederzeit
Nachricht von ihrem Befinden geben, und nie
aufhoͤren wird, ſie um den muͤtterlichen Se-
gen zu bitten.“
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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