Sie lebte ganz einsam, war zufrieden, wenn sie ihren Wilhelm wenigstens nur die Woche einmal sah, und schöne Bücher lesen konnte, die er ihr reichlich schickte.
Da Wilhelm der geschwätzigen Hausfrau, welche seiner Amalie durch ihre ungegründete Erzählung so großen Jammer verursacht hat- te, im gerechten Ausbruche des Zorns sehr hart begegnet war, und nun mit Recht be- sorgen mußte, daß sie aus Rache jeden sei- ner nächtlichen Besuche in der Stadt verbrei- ten und erzählen würde, so suchte er für seine Amalie eine andere und bessere Woh- nung, fand sie bald hernach, und Amalien eben so willig, solche sogleich zu beziehen; denn auch sie war mit dem Betragen ihrer Wirthin unzufrieden, weil sie oft noch be- haupten wollte, was doch eine offenbare Un- möglichkeit war. Sie war äußerst vergnügt, als sie in ihrer neuen Wirthin eine recht gute,
Sie lebte ganz einſam, war zufrieden, wenn ſie ihren Wilhelm wenigſtens nur die Woche einmal ſah, und ſchoͤne Buͤcher leſen konnte, die er ihr reichlich ſchickte.
Da Wilhelm der geſchwaͤtzigen Hausfrau, welche ſeiner Amalie durch ihre ungegruͤndete Erzaͤhlung ſo großen Jammer verurſacht hat- te, im gerechten Ausbruche des Zorns ſehr hart begegnet war, und nun mit Recht be- ſorgen mußte, daß ſie aus Rache jeden ſei- ner naͤchtlichen Beſuche in der Stadt verbrei- ten und erzaͤhlen wuͤrde, ſo ſuchte er fuͤr ſeine Amalie eine andere und beſſere Woh- nung, fand ſie bald hernach, und Amalien eben ſo willig, ſolche ſogleich zu beziehen; denn auch ſie war mit dem Betragen ihrer Wirthin unzufrieden, weil ſie oft noch be- haupten wollte, was doch eine offenbare Un- moͤglichkeit war. Sie war aͤußerſt vergnuͤgt, als ſie in ihrer neuen Wirthin eine recht gute,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="138"/>
Sie lebte ganz einſam, war zufrieden, wenn<lb/>ſie ihren Wilhelm wenigſtens nur die Woche<lb/>
einmal ſah, und ſchoͤne Buͤcher leſen konnte,<lb/>
die er ihr reichlich ſchickte.</p><lb/><p>Da Wilhelm der geſchwaͤtzigen Hausfrau,<lb/>
welche ſeiner Amalie durch ihre ungegruͤndete<lb/>
Erzaͤhlung ſo großen Jammer verurſacht hat-<lb/>
te, im gerechten Ausbruche des Zorns ſehr<lb/>
hart begegnet war, und nun mit Recht be-<lb/>ſorgen mußte, daß ſie aus Rache jeden ſei-<lb/>
ner naͤchtlichen Beſuche in der Stadt verbrei-<lb/>
ten und erzaͤhlen wuͤrde, ſo ſuchte er fuͤr<lb/>ſeine Amalie eine andere und beſſere Woh-<lb/>
nung, fand ſie bald hernach, und Amalien<lb/>
eben ſo willig, ſolche ſogleich zu beziehen;<lb/>
denn auch ſie war mit dem Betragen ihrer<lb/>
Wirthin unzufrieden, weil ſie oft noch be-<lb/>
haupten wollte, was doch eine offenbare Un-<lb/>
moͤglichkeit war. Sie war aͤußerſt vergnuͤgt,<lb/>
als ſie in ihrer neuen Wirthin eine recht gute,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0152]
Sie lebte ganz einſam, war zufrieden, wenn
ſie ihren Wilhelm wenigſtens nur die Woche
einmal ſah, und ſchoͤne Buͤcher leſen konnte,
die er ihr reichlich ſchickte.
Da Wilhelm der geſchwaͤtzigen Hausfrau,
welche ſeiner Amalie durch ihre ungegruͤndete
Erzaͤhlung ſo großen Jammer verurſacht hat-
te, im gerechten Ausbruche des Zorns ſehr
hart begegnet war, und nun mit Recht be-
ſorgen mußte, daß ſie aus Rache jeden ſei-
ner naͤchtlichen Beſuche in der Stadt verbrei-
ten und erzaͤhlen wuͤrde, ſo ſuchte er fuͤr
ſeine Amalie eine andere und beſſere Woh-
nung, fand ſie bald hernach, und Amalien
eben ſo willig, ſolche ſogleich zu beziehen;
denn auch ſie war mit dem Betragen ihrer
Wirthin unzufrieden, weil ſie oft noch be-
haupten wollte, was doch eine offenbare Un-
moͤglichkeit war. Sie war aͤußerſt vergnuͤgt,
als ſie in ihrer neuen Wirthin eine recht gute,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/152>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.