Jeder meiner Leser wird nach dieser Er- zählung nun überzeugt sein, daß das Pul- ver, welches er ihr nach der zu frühen Ent- deckung durch den Bothen übersandte, sicher auch tödtendes Gift in sich enthielt. Wohl ihr, der schrecklichen Dulderin, wenn es frü- her angekommen wäre, und ihr namenloses Leiden geendet hätte. Sie würde dann ent- fesselt vom irdischen Schmerze und Jammer hinüber zum ewigen Lohne, der ihr nur für ihre unendliche Quaal Ersatz sein konnte, ge- wandelt sein.
Wilhelm lebte durch zwei Jahre mit sei- ner Gattin in einer höchst unzufriedenen Ehe, man sah ein, daß er mehr versprochen hatte, als er itzt erfüllen konnte, und dies gab oft Anlaß zu Hader und Zanke, weil seine Gat- tin eben so wie er zur Verschwendung geneigt war, und diese sie ganz natürlich in Schul- den und Noth stürzte, aus der eben die zu gü-
Jeder meiner Leſer wird nach dieſer Er- zaͤhlung nun uͤberzeugt ſein, daß das Pul- ver, welches er ihr nach der zu fruͤhen Ent- deckung durch den Bothen uͤberſandte, ſicher auch toͤdtendes Gift in ſich enthielt. Wohl ihr, der ſchrecklichen Dulderin, wenn es fruͤ- her angekommen waͤre, und ihr namenloſes Leiden geendet haͤtte. Sie wuͤrde dann ent- feſſelt vom irdiſchen Schmerze und Jammer hinuͤber zum ewigen Lohne, der ihr nur fuͤr ihre unendliche Quaal Erſatz ſein konnte, ge- wandelt ſein.
Wilhelm lebte durch zwei Jahre mit ſei- ner Gattin in einer hoͤchſt unzufriedenen Ehe, man ſah ein, daß er mehr verſprochen hatte, als er itzt erfuͤllen konnte, und dies gab oft Anlaß zu Hader und Zanke, weil ſeine Gat- tin eben ſo wie er zur Verſchwendung geneigt war, und dieſe ſie ganz natuͤrlich in Schul- den und Noth ſtuͤrzte, aus der eben die zu guͤ-
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Jeder meiner Leſer wird nach dieſer Er-
zaͤhlung nun uͤberzeugt ſein, daß das Pul-
ver, welches er ihr nach der zu fruͤhen Ent-
deckung durch den Bothen uͤberſandte, ſicher
auch toͤdtendes Gift in ſich enthielt. Wohl
ihr, der ſchrecklichen Dulderin, wenn es fruͤ-
her angekommen waͤre, und ihr namenloſes
Leiden geendet haͤtte. Sie wuͤrde dann ent-
feſſelt vom irdiſchen Schmerze und Jammer
hinuͤber zum ewigen Lohne, der ihr nur fuͤr
ihre unendliche Quaal Erſatz ſein konnte, ge-
wandelt ſein.
Wilhelm lebte durch zwei Jahre mit ſei-
ner Gattin in einer hoͤchſt unzufriedenen Ehe,
man ſah ein, daß er mehr verſprochen hatte,
als er itzt erfuͤllen konnte, und dies gab oft
Anlaß zu Hader und Zanke, weil ſeine Gat-
tin eben ſo wie er zur Verſchwendung geneigt
war, und dieſe ſie ganz natuͤrlich in Schul-
den und Noth ſtuͤrzte, aus der eben die zu guͤ-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/178>, abgerufen am 26.11.2024.
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