Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Wort mehr, und verrieth keine andern
Symptomen ihres Wahnsinns, als daß ihre
Rechte immer auf ihrem Herzen ruhte, sie
mit dieser oft den innern, wahrscheinlich
stets nagendenden Schmerz herauszugraben
suchte, und dadurch oft ihre linke Brust ver-
wundete. Immer starrte ihr Auge nach die-
sem oder jenem Gegenstande, nur dann,
wann ihre Wohlthäterin die Stimme ihres
Treulosen nachzuahmen suchte, da ward sie
aufmerksam, und wenn irgend jemand den
Namen Wilhelm nannte, da fuhr sie er-
schrocken empor, starrte wild umher, und
wühlte am Ende fürchterlich und mit schmerz-
hafter Miene in der linken Brust, unter
welcher ihr betrogenes Herz klopfte.

Ich fand, endete die Wirthin, in ihrer
Tasche eilf Louisd'or, ich ernähre sie schon
durch volle zwei Jahre, gebe ihr willig zu
essen, was gut und theuer ist, will mein

ein Wort mehr, und verrieth keine andern
Symptomen ihres Wahnſinns, als daß ihre
Rechte immer auf ihrem Herzen ruhte, ſie
mit dieſer oft den innern, wahrſcheinlich
ſtets nagendenden Schmerz herauszugraben
ſuchte, und dadurch oft ihre linke Bruſt ver-
wundete. Immer ſtarrte ihr Auge nach die-
ſem oder jenem Gegenſtande, nur dann,
wann ihre Wohlthaͤterin die Stimme ihres
Treuloſen nachzuahmen ſuchte, da ward ſie
aufmerkſam, und wenn irgend jemand den
Namen Wilhelm nannte, da fuhr ſie er-
ſchrocken empor, ſtarrte wild umher, und
wuͤhlte am Ende fuͤrchterlich und mit ſchmerz-
hafter Miene in der linken Bruſt, unter
welcher ihr betrogenes Herz klopfte.

Ich fand, endete die Wirthin, in ihrer
Taſche eilf Louisd'or, ich ernaͤhre ſie ſchon
durch volle zwei Jahre, gebe ihr willig zu
eſſen, was gut und theuer iſt, will mein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="170"/>
ein Wort mehr, und verrieth keine andern<lb/>
Symptomen ihres Wahn&#x017F;inns, als daß ihre<lb/>
Rechte immer auf ihrem Herzen ruhte, &#x017F;ie<lb/>
mit die&#x017F;er oft den innern, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
&#x017F;tets nagendenden Schmerz herauszugraben<lb/>
&#x017F;uchte, und dadurch oft ihre linke Bru&#x017F;t ver-<lb/>
wundete. Immer &#x017F;tarrte ihr Auge nach die-<lb/>
&#x017F;em oder jenem Gegen&#x017F;tande, nur dann,<lb/>
wann ihre Wohltha&#x0364;terin die Stimme ihres<lb/>
Treulo&#x017F;en nachzuahmen &#x017F;uchte, da ward &#x017F;ie<lb/>
aufmerk&#x017F;am, und wenn irgend jemand den<lb/>
Namen <hi rendition="#g">Wilhelm</hi> nannte, da fuhr &#x017F;ie er-<lb/>
&#x017F;chrocken empor, &#x017F;tarrte wild umher, und<lb/>
wu&#x0364;hlte am Ende fu&#x0364;rchterlich und mit &#x017F;chmerz-<lb/>
hafter Miene in der linken Bru&#x017F;t, unter<lb/>
welcher ihr betrogenes Herz klopfte.</p><lb/>
        <p>Ich fand, endete die Wirthin, in ihrer<lb/>
Ta&#x017F;che eilf Louisd'or, ich erna&#x0364;hre &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
durch volle zwei Jahre, gebe ihr willig zu<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, was gut und theuer i&#x017F;t, will mein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0184] ein Wort mehr, und verrieth keine andern Symptomen ihres Wahnſinns, als daß ihre Rechte immer auf ihrem Herzen ruhte, ſie mit dieſer oft den innern, wahrſcheinlich ſtets nagendenden Schmerz herauszugraben ſuchte, und dadurch oft ihre linke Bruſt ver- wundete. Immer ſtarrte ihr Auge nach die- ſem oder jenem Gegenſtande, nur dann, wann ihre Wohlthaͤterin die Stimme ihres Treuloſen nachzuahmen ſuchte, da ward ſie aufmerkſam, und wenn irgend jemand den Namen Wilhelm nannte, da fuhr ſie er- ſchrocken empor, ſtarrte wild umher, und wuͤhlte am Ende fuͤrchterlich und mit ſchmerz- hafter Miene in der linken Bruſt, unter welcher ihr betrogenes Herz klopfte. Ich fand, endete die Wirthin, in ihrer Taſche eilf Louisd'or, ich ernaͤhre ſie ſchon durch volle zwei Jahre, gebe ihr willig zu eſſen, was gut und theuer iſt, will mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/184
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/184>, abgerufen am 27.11.2024.