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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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rin werden zu können, und wandte daher
alles an, den Fall der Unglücklichen zu be-
fördern. Sie leitete den Kühnen einst selbst
zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des
anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in-
niger Schadenfreude, als sie nachher über-
zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen
sei.

Die unglückliche Marie fühlte ihren Fall
tief, sie sah die höllische List ihrer Stiefmut-
ter ein, sie erfuhr sie selbst durch den wirk-
lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und
tröstete sich mit der möglichen Hofnung, daß
er wenigstens sein Versprechen halten, und
sie heurathen würde. Er erneuerte dies Ge-
lübde noch oft, als aber die Ausfuhr des
Getraides wieder erlaubt ward, und die
Soldaten nach ihrem Standquartiere rückkehr-
ten, da ward auch an ihr das Sprüchwort
erfüllt, daß ein Soldat in einem jeden Städt-

rin werden zu koͤnnen, und wandte daher
alles an, den Fall der Ungluͤcklichen zu be-
foͤrdern. Sie leitete den Kuͤhnen einſt ſelbſt
zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des
anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in-
niger Schadenfreude, als ſie nachher uͤber-
zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen
ſei.

Die ungluͤckliche Marie fuͤhlte ihren Fall
tief, ſie ſah die hoͤlliſche Liſt ihrer Stiefmut-
ter ein, ſie erfuhr ſie ſelbſt durch den wirk-
lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und
troͤſtete ſich mit der moͤglichen Hofnung, daß
er wenigſtens ſein Verſprechen halten, und
ſie heurathen wuͤrde. Er erneuerte dies Ge-
luͤbde noch oft, als aber die Ausfuhr des
Getraides wieder erlaubt ward, und die
Soldaten nach ihrem Standquartiere ruͤckkehr-
ten, da ward auch an ihr das Spruͤchwort
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[191/0205] rin werden zu koͤnnen, und wandte daher alles an, den Fall der Ungluͤcklichen zu be- foͤrdern. Sie leitete den Kuͤhnen einſt ſelbſt zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in- niger Schadenfreude, als ſie nachher uͤber- zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen ſei. Die ungluͤckliche Marie fuͤhlte ihren Fall tief, ſie ſah die hoͤlliſche Liſt ihrer Stiefmut- ter ein, ſie erfuhr ſie ſelbſt durch den wirk- lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und troͤſtete ſich mit der moͤglichen Hofnung, daß er wenigſtens ſein Verſprechen halten, und ſie heurathen wuͤrde. Er erneuerte dies Ge- luͤbde noch oft, als aber die Ausfuhr des Getraides wieder erlaubt ward, und die Soldaten nach ihrem Standquartiere ruͤckkehr- ten, da ward auch an ihr das Spruͤchwort erfuͤllt, daß ein Soldat in einem jeden Staͤdt-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/205>, abgerufen am 29.11.2024.