rin werden zu können, und wandte daher alles an, den Fall der Unglücklichen zu be- fördern. Sie leitete den Kühnen einst selbst zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in- niger Schadenfreude, als sie nachher über- zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen sei.
Die unglückliche Marie fühlte ihren Fall tief, sie sah die höllische List ihrer Stiefmut- ter ein, sie erfuhr sie selbst durch den wirk- lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und tröstete sich mit der möglichen Hofnung, daß er wenigstens sein Versprechen halten, und sie heurathen würde. Er erneuerte dies Ge- lübde noch oft, als aber die Ausfuhr des Getraides wieder erlaubt ward, und die Soldaten nach ihrem Standquartiere rückkehr- ten, da ward auch an ihr das Sprüchwort erfüllt, daß ein Soldat in einem jeden Städt-
rin werden zu koͤnnen, und wandte daher alles an, den Fall der Ungluͤcklichen zu be- foͤrdern. Sie leitete den Kuͤhnen einſt ſelbſt zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in- niger Schadenfreude, als ſie nachher uͤber- zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen ſei.
Die ungluͤckliche Marie fuͤhlte ihren Fall tief, ſie ſah die hoͤlliſche Liſt ihrer Stiefmut- ter ein, ſie erfuhr ſie ſelbſt durch den wirk- lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und troͤſtete ſich mit der moͤglichen Hofnung, daß er wenigſtens ſein Verſprechen halten, und ſie heurathen wuͤrde. Er erneuerte dies Ge- luͤbde noch oft, als aber die Ausfuhr des Getraides wieder erlaubt ward, und die Soldaten nach ihrem Standquartiere ruͤckkehr- ten, da ward auch an ihr das Spruͤchwort erfuͤllt, daß ein Soldat in einem jeden Staͤdt-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="191"/>
rin werden zu koͤnnen, und wandte daher<lb/>
alles an, den Fall der Ungluͤcklichen zu be-<lb/>
foͤrdern. Sie leitete den Kuͤhnen einſt ſelbſt<lb/>
zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des<lb/>
anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in-<lb/>
niger Schadenfreude, als ſie nachher uͤber-<lb/>
zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen<lb/>ſei.</p><lb/><p>Die ungluͤckliche Marie fuͤhlte ihren Fall<lb/>
tief, ſie ſah die hoͤlliſche Liſt ihrer Stiefmut-<lb/>
ter ein, ſie erfuhr ſie ſelbſt durch den wirk-<lb/>
lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und<lb/>
troͤſtete ſich mit der moͤglichen Hofnung, daß<lb/>
er wenigſtens ſein Verſprechen halten, und<lb/>ſie heurathen wuͤrde. Er erneuerte dies Ge-<lb/>
luͤbde noch oft, als aber die Ausfuhr des<lb/>
Getraides wieder erlaubt ward, und die<lb/>
Soldaten nach ihrem Standquartiere ruͤckkehr-<lb/>
ten, da ward auch an ihr das Spruͤchwort<lb/>
erfuͤllt, daß ein Soldat in einem jeden Staͤdt-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[191/0205]
rin werden zu koͤnnen, und wandte daher
alles an, den Fall der Ungluͤcklichen zu be-
foͤrdern. Sie leitete den Kuͤhnen einſt ſelbſt
zur Nachtszeit nach der Schlafkammer des
anvertrauten Kindes, und frohlockte mit in-
niger Schadenfreude, als ſie nachher uͤber-
zeugt ward, daß ihre Schandthat gelungen
ſei.
Die ungluͤckliche Marie fuͤhlte ihren Fall
tief, ſie ſah die hoͤlliſche Liſt ihrer Stiefmut-
ter ein, ſie erfuhr ſie ſelbſt durch den wirk-
lich liebenden, izt bereuenden Liebhaber, und
troͤſtete ſich mit der moͤglichen Hofnung, daß
er wenigſtens ſein Verſprechen halten, und
ſie heurathen wuͤrde. Er erneuerte dies Ge-
luͤbde noch oft, als aber die Ausfuhr des
Getraides wieder erlaubt ward, und die
Soldaten nach ihrem Standquartiere ruͤckkehr-
ten, da ward auch an ihr das Spruͤchwort
erfuͤllt, daß ein Soldat in einem jeden Staͤdt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/205>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.