tung von sich stieß, stets seinen Anblick floh, nie mit ihm sprach.
Wie sich der Frühling nahte, die Bäume grünten und blühten, schien sichs mit Marien zu bessern, sie ward mit einmal lustiger, puzte sich stets so gut, so schön, als sies vermochte, aber bald artete dieser Putz in Karikatur aus, jeder hellgefärbter Lappen wurde von ihr begierig ergriffen, und ohne Unterschied zu ihrem Putze verwandt. Sie suchte nebenbei jedes Stückchen leeres Papier zu erhaschen, beschrieb's mit sinn- losen Worten, und versiegelte es sorgfältig.
Diese Veränderung dauerte einige Mona- te, sie sprach in dieser Zeit immer noch äusserst wenig, that sehr geheimnißvoll, begegnete allen mit sichtbarem Stolze, und lächelte mitleidig, wenn man diesen Stolz rügte. Wenn sie sich, ihrer Einbildung nach, recht auszeichnend und schön gepuzt hatte, so ging sie im Dorfe umher
tung von ſich ſtieß, ſtets ſeinen Anblick floh, nie mit ihm ſprach.
Wie ſich der Fruͤhling nahte, die Baͤume gruͤnten und bluͤhten, ſchien ſichs mit Marien zu beſſern, ſie ward mit einmal luſtiger, puzte ſich ſtets ſo gut, ſo ſchoͤn, als ſies vermochte, aber bald artete dieſer Putz in Karikatur aus, jeder hellgefaͤrbter Lappen wurde von ihr begierig ergriffen, und ohne Unterſchied zu ihrem Putze verwandt. Sie ſuchte nebenbei jedes Stuͤckchen leeres Papier zu erhaſchen, beſchrieb's mit ſinn- loſen Worten, und verſiegelte es ſorgfaͤltig.
Dieſe Veraͤnderung dauerte einige Mona- te, ſie ſprach in dieſer Zeit immer noch aͤuſſerſt wenig, that ſehr geheimnißvoll, begegnete allen mit ſichtbarem Stolze, und laͤchelte mitleidig, wenn man dieſen Stolz ruͤgte. Wenn ſie ſich, ihrer Einbildung nach, recht auszeichnend und ſchoͤn gepuzt hatte, ſo ging ſie im Dorfe umher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0213"n="215[199]"/>
tung von ſich ſtieß, ſtets ſeinen Anblick floh, nie<lb/>
mit ihm ſprach.</p><lb/><p>Wie ſich der Fruͤhling nahte, die Baͤume<lb/>
gruͤnten und bluͤhten, ſchien ſichs mit Marien<lb/>
zu beſſern, ſie ward mit einmal luſtiger, puzte<lb/>ſich ſtets ſo gut, ſo ſchoͤn, als ſies vermochte,<lb/>
aber bald artete dieſer Putz in Karikatur aus,<lb/>
jeder hellgefaͤrbter Lappen wurde von ihr begierig<lb/>
ergriffen, und ohne Unterſchied zu ihrem Putze<lb/>
verwandt. Sie ſuchte nebenbei jedes Stuͤckchen<lb/>
leeres Papier zu erhaſchen, beſchrieb's mit ſinn-<lb/>
loſen Worten, und verſiegelte es ſorgfaͤltig.</p><lb/><p>Dieſe Veraͤnderung dauerte einige Mona-<lb/>
te, ſie ſprach in dieſer Zeit immer noch aͤuſſerſt<lb/>
wenig, that ſehr geheimnißvoll, begegnete allen<lb/>
mit ſichtbarem Stolze, und laͤchelte mitleidig,<lb/>
wenn man dieſen Stolz ruͤgte. Wenn ſie ſich,<lb/>
ihrer Einbildung nach, recht auszeichnend und<lb/>ſchoͤn gepuzt hatte, ſo ging ſie im Dorfe umher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[215[199]/0213]
tung von ſich ſtieß, ſtets ſeinen Anblick floh, nie
mit ihm ſprach.
Wie ſich der Fruͤhling nahte, die Baͤume
gruͤnten und bluͤhten, ſchien ſichs mit Marien
zu beſſern, ſie ward mit einmal luſtiger, puzte
ſich ſtets ſo gut, ſo ſchoͤn, als ſies vermochte,
aber bald artete dieſer Putz in Karikatur aus,
jeder hellgefaͤrbter Lappen wurde von ihr begierig
ergriffen, und ohne Unterſchied zu ihrem Putze
verwandt. Sie ſuchte nebenbei jedes Stuͤckchen
leeres Papier zu erhaſchen, beſchrieb's mit ſinn-
loſen Worten, und verſiegelte es ſorgfaͤltig.
Dieſe Veraͤnderung dauerte einige Mona-
te, ſie ſprach in dieſer Zeit immer noch aͤuſſerſt
wenig, that ſehr geheimnißvoll, begegnete allen
mit ſichtbarem Stolze, und laͤchelte mitleidig,
wenn man dieſen Stolz ruͤgte. Wenn ſie ſich,
ihrer Einbildung nach, recht auszeichnend und
ſchoͤn gepuzt hatte, ſo ging ſie im Dorfe umher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 215[199]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/213>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.