erfüllen, und die Bitte des Armen nicht ver- schmähen werdet. Erbarmt euch meines ar- men Weibes, sie liegt daheim und jammert! Erbarmt euch meiner kranken Kinder, sie win- seln für Hunger! Erbarmt euch des unglück- lichsten der Väter, welcher es hören muß, und nicht helfen kann!
Wie er die lezten dieser merkwürdigen Worte ausgesprochen hatte, sank er ohnmäch- tig zurück. Erstaunen hatte bisher alle Ge- genwärtige gefesselt, izt eilten viele herbei, dem Unglücklichen beizustehen. Man hörte lau- tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in der Kirche und weinte mit. Es war rührend anzusehen, wie alle mit empor gestreckten Händen ihre Gabe zur Unterstützung darzu- reichen suchten. Es mußte Gott das wohlge- fälligste Opfer sein, als hunderte sich herbei drängten, und den Schmachtenden nach ihren Wohnungen tragen wollten; ich war auch un-
erfuͤllen, und die Bitte des Armen nicht ver- ſchmaͤhen werdet. Erbarmt euch meines ar- men Weibes, ſie liegt daheim und jammert! Erbarmt euch meiner kranken Kinder, ſie win- ſeln fuͤr Hunger! Erbarmt euch des ungluͤck- lichſten der Vaͤter, welcher es hoͤren muß, und nicht helfen kann!
Wie er die lezten dieſer merkwuͤrdigen Worte ausgeſprochen hatte, ſank er ohnmaͤch- tig zuruͤck. Erſtaunen hatte bisher alle Ge- genwaͤrtige gefeſſelt, izt eilten viele herbei, dem Ungluͤcklichen beizuſtehen. Man hoͤrte lau- tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in der Kirche und weinte mit. Es war ruͤhrend anzuſehen, wie alle mit empor geſtreckten Haͤnden ihre Gabe zur Unterſtuͤtzung darzu- reichen ſuchten. Es mußte Gott das wohlge- faͤlligſte Opfer ſein, als hunderte ſich herbei draͤngten, und den Schmachtenden nach ihren Wohnungen tragen wollten; ich war auch un-
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erfuͤllen, und die Bitte des Armen nicht ver-
ſchmaͤhen werdet. Erbarmt euch meines ar-
men Weibes, ſie liegt daheim und jammert!
Erbarmt euch meiner kranken Kinder, ſie win-
ſeln fuͤr Hunger! Erbarmt euch des ungluͤck-
lichſten der Vaͤter, welcher es hoͤren muß,
und nicht helfen kann!
Wie er die lezten dieſer merkwuͤrdigen
Worte ausgeſprochen hatte, ſank er ohnmaͤch-
tig zuruͤck. Erſtaunen hatte bisher alle Ge-
genwaͤrtige gefeſſelt, izt eilten viele herbei,
dem Ungluͤcklichen beizuſtehen. Man hoͤrte lau-
tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in
der Kirche und weinte mit. Es war ruͤhrend
anzuſehen, wie alle mit empor geſtreckten
Haͤnden ihre Gabe zur Unterſtuͤtzung darzu-
reichen ſuchten. Es mußte Gott das wohlge-
faͤlligſte Opfer ſein, als hunderte ſich herbei
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/293>, abgerufen am 25.11.2024.
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