Unrecht deutlich einsehen, und mir ihren Bei- stand gewiß nicht versagen.
Hatte er Weib und Kinder? fragte ich meinen Freund. Nein, antwortete dieser, keins von beiden. Unter allen, welche hier dulden, würde er am wenigsten Mitleid verdienen, wenn Wahnsinn nicht ein Elend wäre, welches man ohne Mitleid nicht betrachten kann.
Er war der Erbe eines sehr reichen Vet- ters, welcher Kaufmann und Fabrikant war. Zu dumm, um die spekulatifische Handlung fortzusetzen, und zu geizig, um einen ver- nünftigen Gebrauch von seinem Reichthum zu machen, verkaufte er Waarenlager und Fabrik, sperrte das baare Geld in eiserne Kästen, lieh nur auf Pfänder von doppeltem Werthe, und nahm jüdische Interessen. Sein Geiz mehrte sich täglich, und erlaubte ihm nicht, an eine Heurath oder an irgend einen Genuß des
Unrecht deutlich einſehen, und mir ihren Bei- ſtand gewiß nicht verſagen.
Hatte er Weib und Kinder? fragte ich meinen Freund. Nein, antwortete dieſer, keins von beiden. Unter allen, welche hier dulden, wuͤrde er am wenigſten Mitleid verdienen, wenn Wahnſinn nicht ein Elend waͤre, welches man ohne Mitleid nicht betrachten kann.
Er war der Erbe eines ſehr reichen Vet- ters, welcher Kaufmann und Fabrikant war. Zu dumm, um die ſpekulatifiſche Handlung fortzuſetzen, und zu geizig, um einen ver- nuͤnftigen Gebrauch von ſeinem Reichthum zu machen, verkaufte er Waarenlager und Fabrik, ſperrte das baare Geld in eiſerne Kaͤſten, lieh nur auf Pfaͤnder von doppeltem Werthe, und nahm juͤdiſche Intereſſen. Sein Geiz mehrte ſich taͤglich, und erlaubte ihm nicht, an eine Heurath oder an irgend einen Genuß des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0299"n="285"/>
Unrecht deutlich einſehen, und mir ihren Bei-<lb/>ſtand gewiß nicht verſagen.</p><lb/><p>Hatte er Weib und Kinder? fragte ich<lb/>
meinen Freund. Nein, antwortete dieſer, keins<lb/>
von beiden. Unter allen, welche hier dulden,<lb/>
wuͤrde er am wenigſten Mitleid verdienen,<lb/>
wenn Wahnſinn nicht ein Elend waͤre, welches<lb/>
man ohne Mitleid nicht betrachten kann.</p><lb/><p>Er war der Erbe eines ſehr reichen Vet-<lb/>
ters, welcher Kaufmann und Fabrikant war.<lb/>
Zu dumm, um die ſpekulatifiſche Handlung<lb/>
fortzuſetzen, und zu geizig, um einen ver-<lb/>
nuͤnftigen Gebrauch von ſeinem Reichthum zu<lb/>
machen, verkaufte er Waarenlager und Fabrik,<lb/>ſperrte das baare Geld in eiſerne Kaͤſten, lieh<lb/>
nur auf Pfaͤnder von doppeltem Werthe, und<lb/>
nahm juͤdiſche Intereſſen. Sein Geiz mehrte<lb/>ſich taͤglich, und erlaubte ihm nicht, an eine<lb/>
Heurath oder an irgend einen Genuß des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[285/0299]
Unrecht deutlich einſehen, und mir ihren Bei-
ſtand gewiß nicht verſagen.
Hatte er Weib und Kinder? fragte ich
meinen Freund. Nein, antwortete dieſer, keins
von beiden. Unter allen, welche hier dulden,
wuͤrde er am wenigſten Mitleid verdienen,
wenn Wahnſinn nicht ein Elend waͤre, welches
man ohne Mitleid nicht betrachten kann.
Er war der Erbe eines ſehr reichen Vet-
ters, welcher Kaufmann und Fabrikant war.
Zu dumm, um die ſpekulatifiſche Handlung
fortzuſetzen, und zu geizig, um einen ver-
nuͤnftigen Gebrauch von ſeinem Reichthum zu
machen, verkaufte er Waarenlager und Fabrik,
ſperrte das baare Geld in eiſerne Kaͤſten, lieh
nur auf Pfaͤnder von doppeltem Werthe, und
nahm juͤdiſche Intereſſen. Sein Geiz mehrte
ſich taͤglich, und erlaubte ihm nicht, an eine
Heurath oder an irgend einen Genuß des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/299>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.