Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer schönen Augen geizten, stand Hugo von
Immenthal, ein schöner, holder Jüngling.
Er war mit dem Kaiser nach Italien gezo-
gen, hatte sich durch emsige Dienste, durch
seltne Treue bei ihm so beliebt und angenehm
gemacht, daß er ihn, gleich seinem Sohne,
liebte, und immer an seiner Seite gehen ließ.
Alle wichen ehrfurchtsvoll zurück, als sie sa-
hen, daß des Kaisers Liebling Kletas Schrit-
ten eifrig folge, und offen erklärte, daß er
diese Jungfrau als Weib heimzuführen wün-
sche.

Durch rastloses Bestreben hatte er Kleta
aufmerksam gemacht. Wenn er auf seinem
schwarzen Streitrosse die Strasse herauf trab-
te, so trat sie immer ans Fenster, und lä-
chelte vergnügt, wenn das gereizte Roß den
festen Reiter herabwerfen wollte, und doch
nicht konnte. Wenn sein Sporn hinter ihr in
der Kirche klirrte, so lüftete sie stets den Schlei-

ihrer ſchoͤnen Augen geizten, ſtand Hugo von
Immenthal, ein ſchoͤner, holder Juͤngling.
Er war mit dem Kaiſer nach Italien gezo-
gen, hatte ſich durch emſige Dienſte, durch
ſeltne Treue bei ihm ſo beliebt und angenehm
gemacht, daß er ihn, gleich ſeinem Sohne,
liebte, und immer an ſeiner Seite gehen ließ.
Alle wichen ehrfurchtsvoll zuruͤck, als ſie ſa-
hen, daß des Kaiſers Liebling Kletas Schrit-
ten eifrig folge, und offen erklaͤrte, daß er
dieſe Jungfrau als Weib heimzufuͤhren wuͤn-
ſche.

Durch raſtloſes Beſtreben hatte er Kleta
aufmerkſam gemacht. Wenn er auf ſeinem
ſchwarzen Streitroſſe die Straſſe herauf trab-
te, ſo trat ſie immer ans Fenſter, und laͤ-
chelte vergnuͤgt, wenn das gereizte Roß den
feſten Reiter herabwerfen wollte, und doch
nicht konnte. Wenn ſein Sporn hinter ihr in
der Kirche klirrte, ſo luͤftete ſie ſtets den Schlei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0341" n="327"/>
ihrer &#x017F;cho&#x0364;nen Augen geizten, &#x017F;tand Hugo von<lb/>
Immenthal, ein &#x017F;cho&#x0364;ner, holder Ju&#x0364;ngling.<lb/>
Er war mit dem Kai&#x017F;er nach Italien gezo-<lb/>
gen, hatte &#x017F;ich durch em&#x017F;ige Dien&#x017F;te, durch<lb/>
&#x017F;eltne Treue bei ihm &#x017F;o beliebt und angenehm<lb/>
gemacht, daß er ihn, gleich &#x017F;einem Sohne,<lb/>
liebte, und immer an &#x017F;einer Seite gehen ließ.<lb/>
Alle wichen ehrfurchtsvoll zuru&#x0364;ck, als &#x017F;ie &#x017F;a-<lb/>
hen, daß des Kai&#x017F;ers Liebling Kletas Schrit-<lb/>
ten eifrig folge, und offen erkla&#x0364;rte, daß er<lb/>
die&#x017F;e Jungfrau als Weib heimzufu&#x0364;hren wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>Durch ra&#x017F;tlo&#x017F;es Be&#x017F;treben hatte er Kleta<lb/>
aufmerk&#x017F;am gemacht. Wenn er auf &#x017F;einem<lb/>
&#x017F;chwarzen Streitro&#x017F;&#x017F;e die Stra&#x017F;&#x017F;e herauf trab-<lb/>
te, &#x017F;o trat &#x017F;ie immer ans Fen&#x017F;ter, und la&#x0364;-<lb/>
chelte vergnu&#x0364;gt, wenn das gereizte Roß den<lb/>
fe&#x017F;ten Reiter herabwerfen wollte, und doch<lb/>
nicht konnte. Wenn &#x017F;ein Sporn hinter ihr in<lb/>
der Kirche klirrte, &#x017F;o lu&#x0364;ftete &#x017F;ie &#x017F;tets den Schlei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0341] ihrer ſchoͤnen Augen geizten, ſtand Hugo von Immenthal, ein ſchoͤner, holder Juͤngling. Er war mit dem Kaiſer nach Italien gezo- gen, hatte ſich durch emſige Dienſte, durch ſeltne Treue bei ihm ſo beliebt und angenehm gemacht, daß er ihn, gleich ſeinem Sohne, liebte, und immer an ſeiner Seite gehen ließ. Alle wichen ehrfurchtsvoll zuruͤck, als ſie ſa- hen, daß des Kaiſers Liebling Kletas Schrit- ten eifrig folge, und offen erklaͤrte, daß er dieſe Jungfrau als Weib heimzufuͤhren wuͤn- ſche. Durch raſtloſes Beſtreben hatte er Kleta aufmerkſam gemacht. Wenn er auf ſeinem ſchwarzen Streitroſſe die Straſſe herauf trab- te, ſo trat ſie immer ans Fenſter, und laͤ- chelte vergnuͤgt, wenn das gereizte Roß den feſten Reiter herabwerfen wollte, und doch nicht konnte. Wenn ſein Sporn hinter ihr in der Kirche klirrte, ſo luͤftete ſie ſtets den Schlei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/341
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/341>, abgerufen am 24.11.2024.