hinzu, und rufte die noch immer staunenden Diener zur Hülfe herbei. Durch ihr flehen- des Bitten bewogen, lößte einer derselben mit seinem scharfen Messer das Strumpfband, an welchem der unglückliche Selbstmörder hing, er sank herab, lag starr und tod zu Amaliens Füßen. Sie jammerte, rang nach Hülfe, fand keine, und befahl endlich, ihn nach dem Schlosse zu tragen. Unterwegs träu- felten ihre Thränen oft auf die bleiche Wan- ge des Jünglings, sie beschwor die Diener, daß sie die Art seines Todes niemanden ent- decken möchten, sie versprach ihnen immer- dauernde Versorgung, wenn sie ihrer Bitte achten würden, und sie gelobten strenges Stillschweigen.
Jeder der Schloßbewohner glaubte, daß man den Jüngling tod im Walde gefunden habe, und da sein Gesichte noch nicht ent- stellt, seine Wangen mehr bleich als blau
hinzu, und rufte die noch immer ſtaunenden Diener zur Huͤlfe herbei. Durch ihr flehen- des Bitten bewogen, loͤßte einer derſelben mit ſeinem ſcharfen Meſſer das Strumpfband, an welchem der ungluͤckliche Selbſtmoͤrder hing, er ſank herab, lag ſtarr und tod zu Amaliens Fuͤßen. Sie jammerte, rang nach Huͤlfe, fand keine, und befahl endlich, ihn nach dem Schloſſe zu tragen. Unterwegs traͤu- felten ihre Thraͤnen oft auf die bleiche Wan- ge des Juͤnglings, ſie beſchwor die Diener, daß ſie die Art ſeines Todes niemanden ent- decken moͤchten, ſie verſprach ihnen immer- dauernde Verſorgung, wenn ſie ihrer Bitte achten wuͤrden, und ſie gelobten ſtrenges Stillſchweigen.
Jeder der Schloßbewohner glaubte, daß man den Juͤngling tod im Walde gefunden habe, und da ſein Geſichte noch nicht ent- ſtellt, ſeine Wangen mehr bleich als blau
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hinzu, und rufte die noch immer ſtaunenden
Diener zur Huͤlfe herbei. Durch ihr flehen-
des Bitten bewogen, loͤßte einer derſelben
mit ſeinem ſcharfen Meſſer das Strumpfband,
an welchem der ungluͤckliche Selbſtmoͤrder
hing, er ſank herab, lag ſtarr und tod zu
Amaliens Fuͤßen. Sie jammerte, rang nach
Huͤlfe, fand keine, und befahl endlich, ihn
nach dem Schloſſe zu tragen. Unterwegs traͤu-
felten ihre Thraͤnen oft auf die bleiche Wan-
ge des Juͤnglings, ſie beſchwor die Diener,
daß ſie die Art ſeines Todes niemanden ent-
decken moͤchten, ſie verſprach ihnen immer-
dauernde Verſorgung, wenn ſie ihrer Bitte
achten wuͤrden, und ſie gelobten ſtrenges
Stillſchweigen.
Jeder der Schloßbewohner glaubte, daß
man den Juͤngling tod im Walde gefunden
habe, und da ſein Geſichte noch nicht ent-
ſtellt, ſeine Wangen mehr bleich als blau
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/54>, abgerufen am 21.11.2024.
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