tern, die hie und da hervorblickten, und den nahenden Winterschlaf verkündigten. O könnte ich mit euch ruhen und schlafen, rief sie aus, und unwillkührliche Thränen wässer- ten ihr großes Auge.
Noch immer war dieser Gedanke ihre Be- schäftigung, als sie schon auf einem großen Steine im Walde saß, und die Diener hinter ihr mit einmal laut und ängstlich zu schreien begannen. Amalie fuhr erschrocken empor, forschte nach der Ursache, aber die Diener konnten für Schrecken nicht antworten, zeig- ten mit ihrer Rechten unaufhörlich nach einem Baume. Amaliens Blick folgte, sie sah an dem Aste desselben einen Menschen hangen, ihr zweiter Blick überzeugte sie schon, daß dies ihr Retter, der unglückliche, unbekann- te Jüngling sei. Die Hofnung, Vergelterin zu werden, ihn auch aus den Armen des Todes zu retten, hielte sie aufrecht, sie eilte
tern, die hie und da hervorblickten, und den nahenden Winterſchlaf verkuͤndigten. O koͤnnte ich mit euch ruhen und ſchlafen, rief ſie aus, und unwillkuͤhrliche Thraͤnen waͤſſer- ten ihr großes Auge.
Noch immer war dieſer Gedanke ihre Be- ſchaͤftigung, als ſie ſchon auf einem großen Steine im Walde ſaß, und die Diener hinter ihr mit einmal laut und aͤngſtlich zu ſchreien begannen. Amalie fuhr erſchrocken empor, forſchte nach der Urſache, aber die Diener konnten fuͤr Schrecken nicht antworten, zeig- ten mit ihrer Rechten unaufhoͤrlich nach einem Baume. Amaliens Blick folgte, ſie ſah an dem Aſte deſſelben einen Menſchen hangen, ihr zweiter Blick uͤberzeugte ſie ſchon, daß dies ihr Retter, der ungluͤckliche, unbekann- te Juͤngling ſei. Die Hofnung, Vergelterin zu werden, ihn auch aus den Armen des Todes zu retten, hielte ſie aufrecht, ſie eilte
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tern, die hie und da hervorblickten, und
den nahenden Winterſchlaf verkuͤndigten. O
koͤnnte ich mit euch ruhen und ſchlafen, rief
ſie aus, und unwillkuͤhrliche Thraͤnen waͤſſer-
ten ihr großes Auge.
Noch immer war dieſer Gedanke ihre Be-
ſchaͤftigung, als ſie ſchon auf einem großen
Steine im Walde ſaß, und die Diener hinter
ihr mit einmal laut und aͤngſtlich zu ſchreien
begannen. Amalie fuhr erſchrocken empor,
forſchte nach der Urſache, aber die Diener
konnten fuͤr Schrecken nicht antworten, zeig-
ten mit ihrer Rechten unaufhoͤrlich nach einem
Baume. Amaliens Blick folgte, ſie ſah an
dem Aſte deſſelben einen Menſchen hangen,
ihr zweiter Blick uͤberzeugte ſie ſchon, daß
dies ihr Retter, der ungluͤckliche, unbekann-
te Juͤngling ſei. Die Hofnung, Vergelterin
zu werden, ihn auch aus den Armen des
Todes zu retten, hielte ſie aufrecht, ſie eilte
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/53>, abgerufen am 21.11.2024.
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