Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfangs bestand die rachsüchtige Gräfin
R -- hartnäckig auf der Erfüllung ihres Ge-
lübdes, als ihr aber der liebende Fürst deut-
lich bewies, daß er nicht allwissend sei, nicht
strafen könne, wenn der Verurtheilte entflo-
hen sei, da berechnete die Eigennützige den
Vortheil der Versöhnung, den Nachtheil der
Rache, und fand, daß die Erstere die Letztere
um vieles überwiege. Sie heischte den Schwur
des Fürsten, daß er den entflohenen Thäter
nie begnadigen; ihn, wenn er entdeckt würde,
nach aller Strenge strafen wolle, der Fürst
leistete diesen Schwur, und bald wards am
Hofe und in der Stadt bekannt, daß die Grä-
fin R -- die erklärte Geliebte des Fürsten
sei.

Als sie zum erstenmale wieder bei Hofe
erschien, und jeder das Betragen der Für-
stin gegen sie beobachtete, erstaunten alle,
als diese sie aufs freundlichste empfing, und

Anfangs beſtand die rachſuͤchtige Graͤfin
R — hartnaͤckig auf der Erfuͤllung ihres Ge-
luͤbdes, als ihr aber der liebende Fuͤrſt deut-
lich bewies, daß er nicht allwiſſend ſei, nicht
ſtrafen koͤnne, wenn der Verurtheilte entflo-
hen ſei, da berechnete die Eigennuͤtzige den
Vortheil der Verſoͤhnung, den Nachtheil der
Rache, und fand, daß die Erſtere die Letztere
um vieles uͤberwiege. Sie heiſchte den Schwur
des Fuͤrſten, daß er den entflohenen Thaͤter
nie begnadigen; ihn, wenn er entdeckt wuͤrde,
nach aller Strenge ſtrafen wolle, der Fuͤrſt
leiſtete dieſen Schwur, und bald wards am
Hofe und in der Stadt bekannt, daß die Graͤ-
fin R — die erklaͤrte Geliebte des Fuͤrſten
ſei.

Als ſie zum erſtenmale wieder bei Hofe
erſchien, und jeder das Betragen der Fuͤr-
ſtin gegen ſie beobachtete, erſtaunten alle,
als dieſe ſie aufs freundlichſte empfing, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0135" n="125"/>
        <p>Anfangs be&#x017F;tand die rach&#x017F;u&#x0364;chtige Gra&#x0364;fin<lb/>
R &#x2014; hartna&#x0364;ckig auf der Erfu&#x0364;llung ihres Ge-<lb/>
lu&#x0364;bdes, als ihr aber der liebende Fu&#x0364;r&#x017F;t deut-<lb/>
lich bewies, daß er nicht allwi&#x017F;&#x017F;end &#x017F;ei, nicht<lb/>
&#x017F;trafen ko&#x0364;nne, wenn der Verurtheilte entflo-<lb/>
hen &#x017F;ei, da berechnete die Eigennu&#x0364;tzige den<lb/>
Vortheil der Ver&#x017F;o&#x0364;hnung, den Nachtheil der<lb/>
Rache, und fand, daß die Er&#x017F;tere die Letztere<lb/>
um vieles u&#x0364;berwiege. Sie hei&#x017F;chte den Schwur<lb/>
des Fu&#x0364;r&#x017F;ten, daß er den entflohenen Tha&#x0364;ter<lb/>
nie begnadigen; ihn, wenn er entdeckt wu&#x0364;rde,<lb/>
nach aller Strenge &#x017F;trafen wolle, der Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
lei&#x017F;tete die&#x017F;en Schwur, und bald wards am<lb/>
Hofe und in der Stadt bekannt, daß die Gra&#x0364;-<lb/>
fin R &#x2014; die erkla&#x0364;rte Geliebte des Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie zum er&#x017F;tenmale wieder bei Hofe<lb/>
er&#x017F;chien, und jeder das Betragen der Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin gegen &#x017F;ie beobachtete, er&#x017F;taunten alle,<lb/>
als die&#x017F;e &#x017F;ie aufs freundlich&#x017F;te empfing, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0135] Anfangs beſtand die rachſuͤchtige Graͤfin R — hartnaͤckig auf der Erfuͤllung ihres Ge- luͤbdes, als ihr aber der liebende Fuͤrſt deut- lich bewies, daß er nicht allwiſſend ſei, nicht ſtrafen koͤnne, wenn der Verurtheilte entflo- hen ſei, da berechnete die Eigennuͤtzige den Vortheil der Verſoͤhnung, den Nachtheil der Rache, und fand, daß die Erſtere die Letztere um vieles uͤberwiege. Sie heiſchte den Schwur des Fuͤrſten, daß er den entflohenen Thaͤter nie begnadigen; ihn, wenn er entdeckt wuͤrde, nach aller Strenge ſtrafen wolle, der Fuͤrſt leiſtete dieſen Schwur, und bald wards am Hofe und in der Stadt bekannt, daß die Graͤ- fin R — die erklaͤrte Geliebte des Fuͤrſten ſei. Als ſie zum erſtenmale wieder bei Hofe erſchien, und jeder das Betragen der Fuͤr- ſtin gegen ſie beobachtete, erſtaunten alle, als dieſe ſie aufs freundlichſte empfing, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/135
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/135>, abgerufen am 21.11.2024.