Reue der raschen That folgen, sehr wahr- scheinlich einst die spätern Tage seines Lebens verbittern würde; sie liebte den Ungetreuen noch immer mit inniger Zärtlichkeit, und war daher äusserst für seine künftige Ruhe besorgt. Jeder Schritt, ihm diese zu sichern, ward von ihr vergebens versucht. Er wies die Bittende mit Härte ab, er suchte nur Befriedigung sei- ner Leidenschaft, und, weil der Gegenstand derselben blutige Rache heischte, den Tod des Unglücklichen. Als sie auch den lezten Ver- such, die Rachbegierige durch den Anblick der verzweifelnden Gattin, der jammernden Kin- der zu versöhnen, vergebens gewagt hatte, und durch die leztere die Nachricht erhielt, daß sie mit grausamer Härte zurückgewiesen ward, rang sie nach neuen Mitteln, die That zu hin- dern. Nur mögliche, nur schleunige Flucht, rief sie aus, kann ihn vom Tode retten, und meinen Gatten für künftiger Reue schützen.
Reue der raſchen That folgen, ſehr wahr- ſcheinlich einſt die ſpaͤtern Tage ſeines Lebens verbittern wuͤrde; ſie liebte den Ungetreuen noch immer mit inniger Zaͤrtlichkeit, und war daher aͤuſſerſt fuͤr ſeine kuͤnftige Ruhe beſorgt. Jeder Schritt, ihm dieſe zu ſichern, ward von ihr vergebens verſucht. Er wies die Bittende mit Haͤrte ab, er ſuchte nur Befriedigung ſei- ner Leidenſchaft, und, weil der Gegenſtand derſelben blutige Rache heiſchte, den Tod des Ungluͤcklichen. Als ſie auch den lezten Ver- ſuch, die Rachbegierige durch den Anblick der verzweifelnden Gattin, der jammernden Kin- der zu verſoͤhnen, vergebens gewagt hatte, und durch die leztere die Nachricht erhielt, daß ſie mit grauſamer Haͤrte zuruͤckgewieſen ward, rang ſie nach neuen Mitteln, die That zu hin- dern. Nur moͤgliche, nur ſchleunige Flucht, rief ſie aus, kann ihn vom Tode retten, und meinen Gatten fuͤr kuͤnftiger Reue ſchuͤtzen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0148"n="138"/>
Reue der raſchen That folgen, ſehr wahr-<lb/>ſcheinlich einſt die ſpaͤtern Tage ſeines Lebens<lb/>
verbittern wuͤrde; ſie liebte den Ungetreuen<lb/>
noch immer mit inniger Zaͤrtlichkeit, und war<lb/>
daher aͤuſſerſt fuͤr ſeine kuͤnftige Ruhe beſorgt.<lb/>
Jeder Schritt, ihm dieſe zu ſichern, ward von<lb/>
ihr vergebens verſucht. Er wies die Bittende<lb/>
mit Haͤrte ab, er ſuchte nur Befriedigung ſei-<lb/>
ner Leidenſchaft, und, weil der Gegenſtand<lb/>
derſelben blutige Rache heiſchte, den Tod des<lb/>
Ungluͤcklichen. Als ſie auch den lezten Ver-<lb/>ſuch, die Rachbegierige durch den Anblick der<lb/>
verzweifelnden Gattin, der jammernden Kin-<lb/>
der zu verſoͤhnen, vergebens gewagt hatte,<lb/>
und durch die leztere die Nachricht erhielt, daß<lb/>ſie mit grauſamer Haͤrte zuruͤckgewieſen ward,<lb/>
rang ſie nach neuen Mitteln, die That zu hin-<lb/>
dern. Nur moͤgliche, nur ſchleunige Flucht,<lb/>
rief ſie aus, kann ihn vom Tode retten, und<lb/>
meinen Gatten fuͤr kuͤnftiger Reue ſchuͤtzen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[138/0148]
Reue der raſchen That folgen, ſehr wahr-
ſcheinlich einſt die ſpaͤtern Tage ſeines Lebens
verbittern wuͤrde; ſie liebte den Ungetreuen
noch immer mit inniger Zaͤrtlichkeit, und war
daher aͤuſſerſt fuͤr ſeine kuͤnftige Ruhe beſorgt.
Jeder Schritt, ihm dieſe zu ſichern, ward von
ihr vergebens verſucht. Er wies die Bittende
mit Haͤrte ab, er ſuchte nur Befriedigung ſei-
ner Leidenſchaft, und, weil der Gegenſtand
derſelben blutige Rache heiſchte, den Tod des
Ungluͤcklichen. Als ſie auch den lezten Ver-
ſuch, die Rachbegierige durch den Anblick der
verzweifelnden Gattin, der jammernden Kin-
der zu verſoͤhnen, vergebens gewagt hatte,
und durch die leztere die Nachricht erhielt, daß
ſie mit grauſamer Haͤrte zuruͤckgewieſen ward,
rang ſie nach neuen Mitteln, die That zu hin-
dern. Nur moͤgliche, nur ſchleunige Flucht,
rief ſie aus, kann ihn vom Tode retten, und
meinen Gatten fuͤr kuͤnftiger Reue ſchuͤtzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/148>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.