Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn man dem Jungen izt schon jedes Ver-
gnügen rauben wolle, da sein höchst wahr-
scheinlicher, künftiger Stand ihn ohnehin zum
Sklaven machen würde. Diese sträfliche Nach-
sicht weckte in dem Herzen des Jünglings
immer mehr den Hang zum Müssiggange und
zum Vergnügen, der mit seinem Körper im
ähnlichen Verhältnisse wuchs, und bald die
Grundlage seines Karakters, der Führer aller
seiner Handlungen ward. Er kannte alle Häu-
ser, in welchen getanzt und gespielt wurde,
er war immer einer der ersten, welche dahin
gingen, und einer der lezten, wenn die Ge-
sellschaft es verließ.

Wie er neunzehn Jahre alt war, und
gleich einer Rose blühte, lernte er einst auf
einem Tanzsaale die schöne Tochter eines sehr
armen Bürgers kennen, welche im Marg-
gräflichen Schlosse als Laufmädchen diente, und
sich durch ihre Reize, noch mehr aber durch

wenn man dem Jungen izt ſchon jedes Ver-
gnuͤgen rauben wolle, da ſein hoͤchſt wahr-
ſcheinlicher, kuͤnftiger Stand ihn ohnehin zum
Sklaven machen wuͤrde. Dieſe ſtraͤfliche Nach-
ſicht weckte in dem Herzen des Juͤnglings
immer mehr den Hang zum Muͤſſiggange und
zum Vergnuͤgen, der mit ſeinem Koͤrper im
aͤhnlichen Verhaͤltniſſe wuchs, und bald die
Grundlage ſeines Karakters, der Fuͤhrer aller
ſeiner Handlungen ward. Er kannte alle Haͤu-
ſer, in welchen getanzt und geſpielt wurde,
er war immer einer der erſten, welche dahin
gingen, und einer der lezten, wenn die Ge-
ſellſchaft es verließ.

Wie er neunzehn Jahre alt war, und
gleich einer Roſe bluͤhte, lernte er einſt auf
einem Tanzſaale die ſchoͤne Tochter eines ſehr
armen Buͤrgers kennen, welche im Marg-
graͤflichen Schloſſe als Laufmaͤdchen diente, und
ſich durch ihre Reize, noch mehr aber durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="5"/>
wenn man dem Jungen izt &#x017F;chon jedes Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen rauben wolle, da &#x017F;ein ho&#x0364;ch&#x017F;t wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlicher, ku&#x0364;nftiger Stand ihn ohnehin zum<lb/>
Sklaven machen wu&#x0364;rde. Die&#x017F;e &#x017F;tra&#x0364;fliche Nach-<lb/>
&#x017F;icht weckte in dem Herzen des Ju&#x0364;nglings<lb/>
immer mehr den Hang zum Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iggange und<lb/>
zum Vergnu&#x0364;gen, der mit &#x017F;einem Ko&#x0364;rper im<lb/>
a&#x0364;hnlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e wuchs, und bald die<lb/>
Grundlage &#x017F;eines Karakters, der Fu&#x0364;hrer aller<lb/>
&#x017F;einer Handlungen ward. Er kannte alle Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er, in welchen getanzt und ge&#x017F;pielt wurde,<lb/>
er war immer einer der er&#x017F;ten, welche dahin<lb/>
gingen, und einer der lezten, wenn die Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft es verließ.</p><lb/>
        <p>Wie er neunzehn Jahre alt war, und<lb/>
gleich einer Ro&#x017F;e blu&#x0364;hte, lernte er ein&#x017F;t auf<lb/>
einem Tanz&#x017F;aale die &#x017F;cho&#x0364;ne Tochter eines &#x017F;ehr<lb/>
armen Bu&#x0364;rgers kennen, welche im Marg-<lb/>
gra&#x0364;flichen Schlo&#x017F;&#x017F;e als Laufma&#x0364;dchen diente, und<lb/>
&#x017F;ich durch ihre Reize, noch mehr aber durch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0015] wenn man dem Jungen izt ſchon jedes Ver- gnuͤgen rauben wolle, da ſein hoͤchſt wahr- ſcheinlicher, kuͤnftiger Stand ihn ohnehin zum Sklaven machen wuͤrde. Dieſe ſtraͤfliche Nach- ſicht weckte in dem Herzen des Juͤnglings immer mehr den Hang zum Muͤſſiggange und zum Vergnuͤgen, der mit ſeinem Koͤrper im aͤhnlichen Verhaͤltniſſe wuchs, und bald die Grundlage ſeines Karakters, der Fuͤhrer aller ſeiner Handlungen ward. Er kannte alle Haͤu- ſer, in welchen getanzt und geſpielt wurde, er war immer einer der erſten, welche dahin gingen, und einer der lezten, wenn die Ge- ſellſchaft es verließ. Wie er neunzehn Jahre alt war, und gleich einer Roſe bluͤhte, lernte er einſt auf einem Tanzſaale die ſchoͤne Tochter eines ſehr armen Buͤrgers kennen, welche im Marg- graͤflichen Schloſſe als Laufmaͤdchen diente, und ſich durch ihre Reize, noch mehr aber durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/15
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/15>, abgerufen am 21.11.2024.