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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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vermochte nicht Wort zu halten, weil sie
nur jährlich einmal in diese Gegend kam,
und durch Boten die ohnehin gespannte Auf-
merksamkeit der dortigen Bewohner nicht
noch mehr reizen wollte.

Eben fragte die gleich stark leidende und
duldende Gräfin den Ewigen: Ob denn ihr
Leiden nie enden, ihr Jammer hienieden
keinen Lohn hoffen könne? Als ungewöhn-
liches Geräusch im Hofe ihres Schlosses sie
aus ihrem Tiefsinn weckte, und ans Fenster
zog. Sie blickte hinab, sah einige Reise-
wagen an der Thüre stehen, und eine in
Trauer gehüllte Dame aus dem ersten der-
selben heraussteigen. Sie eilte hinab und
sank in die Arme der Fürstin, welche sie zu
besuchen kam. Ihre Trauer verkündigte der
Gräfin schon im Voraus die Ursache der Mög-
lichkeit dieses seltnen Besuches, sie ahndete

des

vermochte nicht Wort zu halten, weil ſie
nur jaͤhrlich einmal in dieſe Gegend kam,
und durch Boten die ohnehin geſpannte Auf-
merkſamkeit der dortigen Bewohner nicht
noch mehr reizen wollte.

Eben fragte die gleich ſtark leidende und
duldende Graͤfin den Ewigen: Ob denn ihr
Leiden nie enden, ihr Jammer hienieden
keinen Lohn hoffen koͤnne? Als ungewoͤhn-
liches Geraͤuſch im Hofe ihres Schloſſes ſie
aus ihrem Tiefſinn weckte, und ans Fenſter
zog. Sie blickte hinab, ſah einige Reiſe-
wagen an der Thuͤre ſtehen, und eine in
Trauer gehuͤllte Dame aus dem erſten der-
ſelben herausſteigen. Sie eilte hinab und
ſank in die Arme der Fuͤrſtin, welche ſie zu
beſuchen kam. Ihre Trauer verkuͤndigte der
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lichkeit dieſes ſeltnen Beſuches, ſie ahndete

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[160/0170] vermochte nicht Wort zu halten, weil ſie nur jaͤhrlich einmal in dieſe Gegend kam, und durch Boten die ohnehin geſpannte Auf- merkſamkeit der dortigen Bewohner nicht noch mehr reizen wollte. Eben fragte die gleich ſtark leidende und duldende Graͤfin den Ewigen: Ob denn ihr Leiden nie enden, ihr Jammer hienieden keinen Lohn hoffen koͤnne? Als ungewoͤhn- liches Geraͤuſch im Hofe ihres Schloſſes ſie aus ihrem Tiefſinn weckte, und ans Fenſter zog. Sie blickte hinab, ſah einige Reiſe- wagen an der Thuͤre ſtehen, und eine in Trauer gehuͤllte Dame aus dem erſten der- ſelben herausſteigen. Sie eilte hinab und ſank in die Arme der Fuͤrſtin, welche ſie zu beſuchen kam. Ihre Trauer verkuͤndigte der Graͤfin ſchon im Voraus die Urſache der Moͤg- lichkeit dieſes ſeltnen Beſuches, ſie ahndete des

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/170>, abgerufen am 09.11.2024.