Bauern machte keinen Eindruck auf ihn, er schien keinen zu kennen, aber wenn sich seine Gattin, seine Kinder nahten, da bebte er stets erschrocken empor, und rief aus: Seht ihr, seht ihr den Geist! Er winkt mir, ich soll fol- gen!
Sehnsuchtsvoll sah die liebende Gattin in der Folge jedem Arzte, den sie aus der Nähe und Ferne holen ließ, entgegen, wie aber viele derselben ihre Kunst fruchtlos an dem Pazien- ten verschwendeten, und endlich alle einstim- mig erklärten, daß keine Hülfe mehr möglich sei, da ward die Wunde ihres Herzens zum fressenden Krebse, unheilbare Abzehrung nagte an ihrem Körper, nach drei langsam durch- schmachteten Jahren endete der Tod ihr nam- loses Leiden. Als sie begraben wurde, führte man den unglücklichen Wahnsinnigen nach dem Rathe des Arztes zu ihrem Sarge. Er hofte wahrscheinlich, daß dieser Anblick ihn erschüt-
Biogr.d. W.4r Bd. M
Bauern machte keinen Eindruck auf ihn, er ſchien keinen zu kennen, aber wenn ſich ſeine Gattin, ſeine Kinder nahten, da bebte er ſtets erſchrocken empor, und rief aus: Seht ihr, ſeht ihr den Geiſt! Er winkt mir, ich ſoll fol- gen!
Sehnſuchtsvoll ſah die liebende Gattin in der Folge jedem Arzte, den ſie aus der Naͤhe und Ferne holen ließ, entgegen, wie aber viele derſelben ihre Kunſt fruchtlos an dem Pazien- ten verſchwendeten, und endlich alle einſtim- mig erklaͤrten, daß keine Huͤlfe mehr moͤglich ſei, da ward die Wunde ihres Herzens zum freſſenden Krebſe, unheilbare Abzehrung nagte an ihrem Koͤrper, nach drei langſam durch- ſchmachteten Jahren endete der Tod ihr nam- loſes Leiden. Als ſie begraben wurde, fuͤhrte man den ungluͤcklichen Wahnſinnigen nach dem Rathe des Arztes zu ihrem Sarge. Er hofte wahrſcheinlich, daß dieſer Anblick ihn erſchuͤt-
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Bauern machte keinen Eindruck auf ihn, er
ſchien keinen zu kennen, aber wenn ſich ſeine
Gattin, ſeine Kinder nahten, da bebte er ſtets
erſchrocken empor, und rief aus: Seht ihr,
ſeht ihr den Geiſt! Er winkt mir, ich ſoll fol-
gen!
Sehnſuchtsvoll ſah die liebende Gattin in
der Folge jedem Arzte, den ſie aus der Naͤhe
und Ferne holen ließ, entgegen, wie aber viele
derſelben ihre Kunſt fruchtlos an dem Pazien-
ten verſchwendeten, und endlich alle einſtim-
mig erklaͤrten, daß keine Huͤlfe mehr moͤglich
ſei, da ward die Wunde ihres Herzens zum
freſſenden Krebſe, unheilbare Abzehrung nagte
an ihrem Koͤrper, nach drei langſam durch-
ſchmachteten Jahren endete der Tod ihr nam-
loſes Leiden. Als ſie begraben wurde, fuͤhrte
man den ungluͤcklichen Wahnſinnigen nach dem
Rathe des Arztes zu ihrem Sarge. Er hofte
wahrſcheinlich, daß dieſer Anblick ihn erſchuͤt-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/187>, abgerufen am 22.11.2024.
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