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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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tern solle, aber der Endzweck ward nicht er-
reicht, er schien die Tode nicht mehr zu ken-
nen, er blickte traurig nach dem Sarge, aber
er war auch der Einzige unter den Anwesen-
den, welcher der Verklärten keine Thräne
weihte. Wie seine Kinder im schwarzen Trau-
erkleide sich nahten, da floh er unaufhaltsam
fort, und versank wieder in seine gewöhnliche
Schwermuth.

Er ward siebzig Jahre alt, er verließ sein
Zimmer äusserst selten, und kannte in den lez-
ten zehn Jahren seines Leidens seine Kinder
nicht mehr. Man fand ihn an einem Morgen
todt im Bette, ein Schlagfluß hatte sein Le-
ben, sein Leiden geendet. Er ruht an der
Seite seiner Gattin, und wird izt dort -- wo
kein Zufall, kein Wahnsinn die Freude trübt --
den Lohn seiner Leiden in Fülle genüssen.


tern ſolle, aber der Endzweck ward nicht er-
reicht, er ſchien die Tode nicht mehr zu ken-
nen, er blickte traurig nach dem Sarge, aber
er war auch der Einzige unter den Anweſen-
den, welcher der Verklaͤrten keine Thraͤne
weihte. Wie ſeine Kinder im ſchwarzen Trau-
erkleide ſich nahten, da floh er unaufhaltſam
fort, und verſank wieder in ſeine gewoͤhnliche
Schwermuth.

Er ward ſiebzig Jahre alt, er verließ ſein
Zimmer aͤuſſerſt ſelten, und kannte in den lez-
ten zehn Jahren ſeines Leidens ſeine Kinder
nicht mehr. Man fand ihn an einem Morgen
todt im Bette, ein Schlagfluß hatte ſein Le-
ben, ſein Leiden geendet. Er ruht an der
Seite ſeiner Gattin, und wird izt dort — wo
kein Zufall, kein Wahnſinn die Freude truͤbt —
den Lohn ſeiner Leiden in Fuͤlle genuͤſſen.


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[178/0188] tern ſolle, aber der Endzweck ward nicht er- reicht, er ſchien die Tode nicht mehr zu ken- nen, er blickte traurig nach dem Sarge, aber er war auch der Einzige unter den Anweſen- den, welcher der Verklaͤrten keine Thraͤne weihte. Wie ſeine Kinder im ſchwarzen Trau- erkleide ſich nahten, da floh er unaufhaltſam fort, und verſank wieder in ſeine gewoͤhnliche Schwermuth. Er ward ſiebzig Jahre alt, er verließ ſein Zimmer aͤuſſerſt ſelten, und kannte in den lez- ten zehn Jahren ſeines Leidens ſeine Kinder nicht mehr. Man fand ihn an einem Morgen todt im Bette, ein Schlagfluß hatte ſein Le- ben, ſein Leiden geendet. Er ruht an der Seite ſeiner Gattin, und wird izt dort — wo kein Zufall, kein Wahnſinn die Freude truͤbt — den Lohn ſeiner Leiden in Fuͤlle genuͤſſen.

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/188>, abgerufen am 22.11.2024.