geprüft, und dann das Opfer festgesezt, wel- ches er dem Kloster darbringen muste, wenn es dagegen sein eifriger Fürbitter werden sollte. Der Büssende ward, wenn er dies erlegte, auf drei, sechs, auch zehn und zwanzig Tage zur Geduld verwiesen, muste diese Zeit hin- durch fleissig in der Herberge des Klosters zeh- ren, emsig in der Kirche desselben beten, und genoß dabei die süsse Hofnung, daß alle Gebe- te, alle Messen, welche unter dieser Zeit von den Mönchen gesprochen und gelesen worden, zu seiner Versöhnung kräftiglich würken wür- den.
War nun die Prüfungszeit vollendet, so erschien der Sünder wieder im Beichtstuhle, und ward sogleich zum zweiten Blicke ins Aller- heilige verwiesen. Er sah dann gemeiniglich den sterbenden Heiland am Kreuze. Frohlok- kend rief alsdann der Mönch dem rückgekehrten Erzähler zu: Glücklicher Sterblicher, dein
gepruͤft, und dann das Opfer feſtgeſezt, wel- ches er dem Kloſter darbringen muſte, wenn es dagegen ſein eifriger Fuͤrbitter werden ſollte. Der Buͤſſende ward, wenn er dies erlegte, auf drei, ſechs, auch zehn und zwanzig Tage zur Geduld verwieſen, muſte dieſe Zeit hin- durch fleiſſig in der Herberge des Kloſters zeh- ren, emſig in der Kirche deſſelben beten, und genoß dabei die ſuͤſſe Hofnung, daß alle Gebe- te, alle Meſſen, welche unter dieſer Zeit von den Moͤnchen geſprochen und geleſen worden, zu ſeiner Verſoͤhnung kraͤftiglich wuͤrken wuͤr- den.
War nun die Pruͤfungszeit vollendet, ſo erſchien der Suͤnder wieder im Beichtſtuhle, und ward ſogleich zum zweiten Blicke ins Aller- heilige verwieſen. Er ſah dann gemeiniglich den ſterbenden Heiland am Kreuze. Frohlok- kend rief alsdann der Moͤnch dem ruͤckgekehrten Erzaͤhler zu: Gluͤcklicher Sterblicher, dein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0209"n="199"/>
gepruͤft, und dann das Opfer feſtgeſezt, wel-<lb/>
ches er dem Kloſter darbringen muſte, wenn<lb/>
es dagegen ſein eifriger Fuͤrbitter werden ſollte.<lb/>
Der Buͤſſende ward, wenn er dies erlegte,<lb/>
auf drei, ſechs, auch zehn und zwanzig Tage<lb/>
zur Geduld verwieſen, muſte dieſe Zeit hin-<lb/>
durch fleiſſig in der Herberge des Kloſters zeh-<lb/>
ren, emſig in der Kirche deſſelben beten, und<lb/>
genoß dabei die ſuͤſſe Hofnung, daß alle Gebe-<lb/>
te, alle Meſſen, welche unter dieſer Zeit von<lb/>
den Moͤnchen geſprochen und geleſen worden,<lb/>
zu ſeiner Verſoͤhnung kraͤftiglich wuͤrken wuͤr-<lb/>
den.</p><lb/><p>War nun die Pruͤfungszeit vollendet, ſo<lb/>
erſchien der Suͤnder wieder im Beichtſtuhle,<lb/>
und ward ſogleich zum zweiten Blicke ins Aller-<lb/>
heilige verwieſen. Er ſah dann gemeiniglich<lb/>
den ſterbenden Heiland am Kreuze. Frohlok-<lb/>
kend rief alsdann der Moͤnch dem ruͤckgekehrten<lb/>
Erzaͤhler zu: Gluͤcklicher Sterblicher, dein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[199/0209]
gepruͤft, und dann das Opfer feſtgeſezt, wel-
ches er dem Kloſter darbringen muſte, wenn
es dagegen ſein eifriger Fuͤrbitter werden ſollte.
Der Buͤſſende ward, wenn er dies erlegte,
auf drei, ſechs, auch zehn und zwanzig Tage
zur Geduld verwieſen, muſte dieſe Zeit hin-
durch fleiſſig in der Herberge des Kloſters zeh-
ren, emſig in der Kirche deſſelben beten, und
genoß dabei die ſuͤſſe Hofnung, daß alle Gebe-
te, alle Meſſen, welche unter dieſer Zeit von
den Moͤnchen geſprochen und geleſen worden,
zu ſeiner Verſoͤhnung kraͤftiglich wuͤrken wuͤr-
den.
War nun die Pruͤfungszeit vollendet, ſo
erſchien der Suͤnder wieder im Beichtſtuhle,
und ward ſogleich zum zweiten Blicke ins Aller-
heilige verwieſen. Er ſah dann gemeiniglich
den ſterbenden Heiland am Kreuze. Frohlok-
kend rief alsdann der Moͤnch dem ruͤckgekehrten
Erzaͤhler zu: Gluͤcklicher Sterblicher, dein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/209>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.