Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Zu diesem Kloster wallfahrtete nun der
arme, geängstigte Hanns. Um früher Verge-
bung seiner Sünde zu erlangen, um grössere
Strafe von seinem Hause und Hofe abzuwen-
den, sattelte er sein bestes Pferd, und trabte
anhaltend fort. Leicht und wohl wards ihm
ums Herz, als er von Ferne die Zinnen des
Klosters erblickte, zagend und hoffend, fürch-
tend und zweifelnd wankte er zum Hochaltar,
als sein Beichtvater ihm den Schlüssel reichte.
Er öfnete zitternd die Thüre, blickte hinein,
sah den ofnen Höllenrachen, und die feuer-
sprühenden Teufel, welche seine Seele ohne
Barmherzigkeit in den Feuerpfuhl versenkten.
Dieser schreckliche, unerwartete Anblick raubte
dem Unglücklichen auf der Stelle seinen Ver-
stand, er war mit der festen Ueberzeugung hie-
her gereist, daß er nur hier Vergebung seiner
schweren Sünde erlangen könne, er hatte mit
vollem Rechte Trost, wenigstens Hofnung er-
wartet. Der schreckliche Anblick raubte ihm

Zu dieſem Kloſter wallfahrtete nun der
arme, geaͤngſtigte Hanns. Um fruͤher Verge-
bung ſeiner Suͤnde zu erlangen, um groͤſſere
Strafe von ſeinem Hauſe und Hofe abzuwen-
den, ſattelte er ſein beſtes Pferd, und trabte
anhaltend fort. Leicht und wohl wards ihm
ums Herz, als er von Ferne die Zinnen des
Kloſters erblickte, zagend und hoffend, fuͤrch-
tend und zweifelnd wankte er zum Hochaltar,
als ſein Beichtvater ihm den Schluͤſſel reichte.
Er oͤfnete zitternd die Thuͤre, blickte hinein,
ſah den ofnen Hoͤllenrachen, und die feuer-
ſpruͤhenden Teufel, welche ſeine Seele ohne
Barmherzigkeit in den Feuerpfuhl verſenkten.
Dieſer ſchreckliche, unerwartete Anblick raubte
dem Ungluͤcklichen auf der Stelle ſeinen Ver-
ſtand, er war mit der feſten Ueberzeugung hie-
her gereiſt, daß er nur hier Vergebung ſeiner
ſchweren Suͤnde erlangen koͤnne, er hatte mit
vollem Rechte Troſt, wenigſtens Hofnung er-
wartet. Der ſchreckliche Anblick raubte ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0215" n="205"/>
        <p>Zu die&#x017F;em Klo&#x017F;ter wallfahrtete nun der<lb/>
arme, gea&#x0364;ng&#x017F;tigte Hanns. Um fru&#x0364;her Verge-<lb/>
bung &#x017F;einer Su&#x0364;nde zu erlangen, um gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Strafe von &#x017F;einem Hau&#x017F;e und Hofe abzuwen-<lb/>
den, &#x017F;attelte er &#x017F;ein be&#x017F;tes Pferd, und trabte<lb/>
anhaltend fort. Leicht und wohl wards ihm<lb/>
ums Herz, als er von Ferne die Zinnen des<lb/>
Klo&#x017F;ters erblickte, zagend und hoffend, fu&#x0364;rch-<lb/>
tend und zweifelnd wankte er zum Hochaltar,<lb/>
als &#x017F;ein Beichtvater ihm den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el reichte.<lb/>
Er o&#x0364;fnete zitternd die Thu&#x0364;re, blickte hinein,<lb/>
&#x017F;ah den ofnen Ho&#x0364;llenrachen, und die feuer-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;henden Teufel, welche &#x017F;eine Seele ohne<lb/>
Barmherzigkeit in den Feuerpfuhl ver&#x017F;enkten.<lb/>
Die&#x017F;er &#x017F;chreckliche, unerwartete Anblick raubte<lb/>
dem Unglu&#x0364;cklichen auf der Stelle &#x017F;einen Ver-<lb/>
&#x017F;tand, er war mit der fe&#x017F;ten Ueberzeugung hie-<lb/>
her gerei&#x017F;t, daß er nur hier Vergebung &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;chweren Su&#x0364;nde erlangen ko&#x0364;nne, er hatte mit<lb/>
vollem Rechte Tro&#x017F;t, wenig&#x017F;tens Hofnung er-<lb/>
wartet. Der &#x017F;chreckliche Anblick raubte ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0215] Zu dieſem Kloſter wallfahrtete nun der arme, geaͤngſtigte Hanns. Um fruͤher Verge- bung ſeiner Suͤnde zu erlangen, um groͤſſere Strafe von ſeinem Hauſe und Hofe abzuwen- den, ſattelte er ſein beſtes Pferd, und trabte anhaltend fort. Leicht und wohl wards ihm ums Herz, als er von Ferne die Zinnen des Kloſters erblickte, zagend und hoffend, fuͤrch- tend und zweifelnd wankte er zum Hochaltar, als ſein Beichtvater ihm den Schluͤſſel reichte. Er oͤfnete zitternd die Thuͤre, blickte hinein, ſah den ofnen Hoͤllenrachen, und die feuer- ſpruͤhenden Teufel, welche ſeine Seele ohne Barmherzigkeit in den Feuerpfuhl verſenkten. Dieſer ſchreckliche, unerwartete Anblick raubte dem Ungluͤcklichen auf der Stelle ſeinen Ver- ſtand, er war mit der feſten Ueberzeugung hie- her gereiſt, daß er nur hier Vergebung ſeiner ſchweren Suͤnde erlangen koͤnne, er hatte mit vollem Rechte Troſt, wenigſtens Hofnung er- wartet. Der ſchreckliche Anblick raubte ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/215
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/215>, abgerufen am 18.05.2024.