Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Anverwandten des Unglücklichen er-
fuhren nie die eigentliche Ursache seines Wahn-
sinnes, sie wähnten nur, daß sein Verbre-
chen ihm schon früher den Verstand verwirrt
habe, ehe er seine Wallfahrt vollendete, und
den Gnadenort erreichte. Die Mönche be-
stärkten sie in dieser Meinung, und nahmen
ohne Scheu die häufigen Opfer an, welche
ihnen die arme Gattin darbrachte, um das
Leiden ihres Mannes zu mildern.

Er starb erst nach funfzehn Jahren, er
duldete hienieden noch schreckliche Pein, er
starb in einem heftigen Anfalle von Raserei,
und ging in eine bessere Welt hinüber, wo
kein Mönchstrug das hellsehende Auge blendet,
wo er den gerechten, aber auch barmherzig-
sten Richter fand, den haabsüchtige Priester
oft als den größten Tirannen schildern.

Biogr. d. W. 4r Bd. O

Die Anverwandten des Ungluͤcklichen er-
fuhren nie die eigentliche Urſache ſeines Wahn-
ſinnes, ſie waͤhnten nur, daß ſein Verbre-
chen ihm ſchon fruͤher den Verſtand verwirrt
habe, ehe er ſeine Wallfahrt vollendete, und
den Gnadenort erreichte. Die Moͤnche be-
ſtaͤrkten ſie in dieſer Meinung, und nahmen
ohne Scheu die haͤufigen Opfer an, welche
ihnen die arme Gattin darbrachte, um das
Leiden ihres Mannes zu mildern.

Er ſtarb erſt nach funfzehn Jahren, er
duldete hienieden noch ſchreckliche Pein, er
ſtarb in einem heftigen Anfalle von Raſerei,
und ging in eine beſſere Welt hinuͤber, wo
kein Moͤnchstrug das hellſehende Auge blendet,
wo er den gerechten, aber auch barmherzig-
ſten Richter fand, den haabſuͤchtige Prieſter
oft als den groͤßten Tirannen ſchildern.

Biogr. d. W. 4r Bd. O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0219" n="209"/>
        <p>Die Anverwandten des Unglu&#x0364;cklichen er-<lb/>
fuhren nie die eigentliche Ur&#x017F;ache &#x017F;eines Wahn-<lb/>
&#x017F;innes, &#x017F;ie wa&#x0364;hnten nur, daß &#x017F;ein Verbre-<lb/>
chen ihm &#x017F;chon fru&#x0364;her den Ver&#x017F;tand verwirrt<lb/>
habe, ehe er &#x017F;eine Wallfahrt vollendete, und<lb/>
den Gnadenort erreichte. Die Mo&#x0364;nche be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkten &#x017F;ie in die&#x017F;er Meinung, und nahmen<lb/>
ohne Scheu die ha&#x0364;ufigen Opfer an, welche<lb/>
ihnen die arme Gattin darbrachte, um das<lb/>
Leiden ihres Mannes zu mildern.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;tarb er&#x017F;t nach funfzehn Jahren, er<lb/>
duldete hienieden noch &#x017F;chreckliche Pein, er<lb/>
&#x017F;tarb in einem heftigen Anfalle von Ra&#x017F;erei,<lb/>
und ging in eine be&#x017F;&#x017F;ere Welt hinu&#x0364;ber, wo<lb/>
kein Mo&#x0364;nchstrug das hell&#x017F;ehende Auge blendet,<lb/>
wo er den gerechten, aber auch barmherzig-<lb/>
&#x017F;ten Richter fand, den haab&#x017F;u&#x0364;chtige Prie&#x017F;ter<lb/>
oft als den gro&#x0364;ßten Tirannen &#x017F;childern.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Biogr. d. W. 4r Bd. O</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0219] Die Anverwandten des Ungluͤcklichen er- fuhren nie die eigentliche Urſache ſeines Wahn- ſinnes, ſie waͤhnten nur, daß ſein Verbre- chen ihm ſchon fruͤher den Verſtand verwirrt habe, ehe er ſeine Wallfahrt vollendete, und den Gnadenort erreichte. Die Moͤnche be- ſtaͤrkten ſie in dieſer Meinung, und nahmen ohne Scheu die haͤufigen Opfer an, welche ihnen die arme Gattin darbrachte, um das Leiden ihres Mannes zu mildern. Er ſtarb erſt nach funfzehn Jahren, er duldete hienieden noch ſchreckliche Pein, er ſtarb in einem heftigen Anfalle von Raſerei, und ging in eine beſſere Welt hinuͤber, wo kein Moͤnchstrug das hellſehende Auge blendet, wo er den gerechten, aber auch barmherzig- ſten Richter fand, den haabſuͤchtige Prieſter oft als den groͤßten Tirannen ſchildern. Biogr. d. W. 4r Bd. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/219
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/219>, abgerufen am 18.05.2024.