die Inniggeliebte glücklich am Abende des drit- ten Tages.
Wir trugen sie ohnmächtig in unsre Höh- len; als sie erwachte, kämpfte Verzweiflung mit ihr, sie haßte und verachtete mich als den Urheber ihres Unglücks, und fluchte mir, wenn ich flehend Liebe von ihr heischte. Ihre Ge- genwart mehrte diese bis zur Wuth, die ruch- losen Räuber weckten sie noch mehr durch Spott und Hohn, sie lachten über den so tapfern Hauptmann, der ein schwaches Weib nicht zwingen könne. Verachte, verabscheue deinen Vater nicht, wenn er dir offen gesteht, daß die Macht der heftigsten Leidenschaft endlich siegte, daß er mit Gewalt raubte, was man seiner Bitte nicht gewährte. Glücklicher Erfolg krön- te dies schändliche Unternehmen; die kühne, oft rasende Dirne ward bald ein duldendes, schmachtendes Weib, sie schien ihr Unglück tief zu fühlen, aber sie rächte es nicht durch Schimpf-
die Inniggeliebte gluͤcklich am Abende des drit- ten Tages.
Wir trugen ſie ohnmaͤchtig in unſre Hoͤh- len; als ſie erwachte, kaͤmpfte Verzweiflung mit ihr, ſie haßte und verachtete mich als den Urheber ihres Ungluͤcks, und fluchte mir, wenn ich flehend Liebe von ihr heiſchte. Ihre Ge- genwart mehrte dieſe bis zur Wuth, die ruch- loſen Raͤuber weckten ſie noch mehr durch Spott und Hohn, ſie lachten uͤber den ſo tapfern Hauptmann, der ein ſchwaches Weib nicht zwingen koͤnne. Verachte, verabſcheue deinen Vater nicht, wenn er dir offen geſteht, daß die Macht der heftigſten Leidenſchaft endlich ſiegte, daß er mit Gewalt raubte, was man ſeiner Bitte nicht gewaͤhrte. Gluͤcklicher Erfolg kroͤn- te dies ſchaͤndliche Unternehmen; die kuͤhne, oft raſende Dirne ward bald ein duldendes, ſchmachtendes Weib, ſie ſchien ihr Ungluͤck tief zu fuͤhlen, aber ſie raͤchte es nicht durch Schimpf-
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die Inniggeliebte gluͤcklich am Abende des drit-
ten Tages.
Wir trugen ſie ohnmaͤchtig in unſre Hoͤh-
len; als ſie erwachte, kaͤmpfte Verzweiflung
mit ihr, ſie haßte und verachtete mich als den
Urheber ihres Ungluͤcks, und fluchte mir, wenn
ich flehend Liebe von ihr heiſchte. Ihre Ge-
genwart mehrte dieſe bis zur Wuth, die ruch-
loſen Raͤuber weckten ſie noch mehr durch Spott
und Hohn, ſie lachten uͤber den ſo tapfern
Hauptmann, der ein ſchwaches Weib nicht
zwingen koͤnne. Verachte, verabſcheue deinen
Vater nicht, wenn er dir offen geſteht, daß die
Macht der heftigſten Leidenſchaft endlich ſiegte,
daß er mit Gewalt raubte, was man ſeiner
Bitte nicht gewaͤhrte. Gluͤcklicher Erfolg kroͤn-
te dies ſchaͤndliche Unternehmen; die kuͤhne,
oft raſende Dirne ward bald ein duldendes,
ſchmachtendes Weib, ſie ſchien ihr Ungluͤck tief
zu fuͤhlen, aber ſie raͤchte es nicht durch Schimpf-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/238>, abgerufen am 21.11.2024.
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