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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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nen Augen glänzten Thränen, er schied
sehr gerührt, und versprach, mich bald zu
besuchen.

Seine Reisige begegneten mir mit gros-
ser Ehrfurcht, die Schmerzen meiner Wunde
mehrten sich, ich konnte des Rosses Tritt
nicht ertragen, sie legten mich auf eine breite
Decke, und trugen mich abwechselnd rastlos
fort. Ohnmacht und Bewußtsein wechselte
in meiner Seele, die erstere schien den Sieg
zu erringen, und dauerte oft lange. Wenn
ich erwachte, stand das Bild des Ritters
vor mir, seine mitleidige, huldvolle Mine
erweckte den Wunsch des Lebens in mir, ich
hatte ihm ganz mein Leben zu danken, oh-
ne seine Hülfe würde ich elend verschmachtet
sein. Der Verlust meines Sohnes ängstigte
mein Herz, seines Vaters gedachte ich izt
nur mit Schaudern, weil er der Urheber
all meines Unglücks war.

nen Augen glaͤnzten Thraͤnen, er ſchied
ſehr geruͤhrt, und verſprach, mich bald zu
beſuchen.

Seine Reiſige begegneten mir mit groſ-
ſer Ehrfurcht, die Schmerzen meiner Wunde
mehrten ſich, ich konnte des Roſſes Tritt
nicht ertragen, ſie legten mich auf eine breite
Decke, und trugen mich abwechſelnd raſtlos
fort. Ohnmacht und Bewußtſein wechſelte
in meiner Seele, die erſtere ſchien den Sieg
zu erringen, und dauerte oft lange. Wenn
ich erwachte, ſtand das Bild des Ritters
vor mir, ſeine mitleidige, huldvolle Mine
erweckte den Wunſch des Lebens in mir, ich
hatte ihm ganz mein Leben zu danken, oh-
ne ſeine Huͤlfe wuͤrde ich elend verſchmachtet
ſein. Der Verluſt meines Sohnes aͤngſtigte
mein Herz, ſeines Vaters gedachte ich izt
nur mit Schaudern, weil er der Urheber
all meines Ungluͤcks war.

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[252/0262] nen Augen glaͤnzten Thraͤnen, er ſchied ſehr geruͤhrt, und verſprach, mich bald zu beſuchen. Seine Reiſige begegneten mir mit groſ- ſer Ehrfurcht, die Schmerzen meiner Wunde mehrten ſich, ich konnte des Roſſes Tritt nicht ertragen, ſie legten mich auf eine breite Decke, und trugen mich abwechſelnd raſtlos fort. Ohnmacht und Bewußtſein wechſelte in meiner Seele, die erſtere ſchien den Sieg zu erringen, und dauerte oft lange. Wenn ich erwachte, ſtand das Bild des Ritters vor mir, ſeine mitleidige, huldvolle Mine erweckte den Wunſch des Lebens in mir, ich hatte ihm ganz mein Leben zu danken, oh- ne ſeine Huͤlfe wuͤrde ich elend verſchmachtet ſein. Der Verluſt meines Sohnes aͤngſtigte mein Herz, ſeines Vaters gedachte ich izt nur mit Schaudern, weil er der Urheber all meines Ungluͤcks war.

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/262>, abgerufen am 18.05.2024.