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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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nicht geweissagt! wimmerte Kleta, und
verhüllte ihr Gesicht. Der Mönch rang nach
Trost für die Unglücklichen, und fand keinen.
Endlich heischte Kleta den weitern Erfolg der
Geschichte, er wischte die Thränen aus seinen
Augen, und las weiter:

"Ich bin unfähig, dir die Wonne deines
Vaters zu schildern, als er von der Jagd
rückkehrte, und meine Wärterinnen dich in
seine Arme legten. Er segnete dich kräftig,
er gelobte vor Gott und mir, dir Vater zu
seyn, so lange er lebe, dein Glück auch nach
seinem Tode zu befördern und zu befesti-
gen.

Gott schenkte mir in der Folge keine Kin-
der mehr, du warst das einzige Pfand unsrer
Liebe, dein guter Vater liebte dich gleich sei-
nem Augapfel, und eben so zärtlich wie mich,
oft ward dir jeder Kuß, den ich von ihm er-

nicht geweiſſagt! wimmerte Kleta, und
verhuͤllte ihr Geſicht. Der Moͤnch rang nach
Troſt fuͤr die Ungluͤcklichen, und fand keinen.
Endlich heiſchte Kleta den weitern Erfolg der
Geſchichte, er wiſchte die Thraͤnen aus ſeinen
Augen, und las weiter:

„Ich bin unfaͤhig, dir die Wonne deines
Vaters zu ſchildern, als er von der Jagd
ruͤckkehrte, und meine Waͤrterinnen dich in
ſeine Arme legten. Er ſegnete dich kraͤftig,
er gelobte vor Gott und mir, dir Vater zu
ſeyn, ſo lange er lebe, dein Gluͤck auch nach
ſeinem Tode zu befoͤrdern und zu befeſti-
gen.

Gott ſchenkte mir in der Folge keine Kin-
der mehr, du warſt das einzige Pfand unſrer
Liebe, dein guter Vater liebte dich gleich ſei-
nem Augapfel, und eben ſo zaͤrtlich wie mich,
oft ward dir jeder Kuß, den ich von ihm er-

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[260/0270] nicht geweiſſagt! wimmerte Kleta, und verhuͤllte ihr Geſicht. Der Moͤnch rang nach Troſt fuͤr die Ungluͤcklichen, und fand keinen. Endlich heiſchte Kleta den weitern Erfolg der Geſchichte, er wiſchte die Thraͤnen aus ſeinen Augen, und las weiter: „Ich bin unfaͤhig, dir die Wonne deines Vaters zu ſchildern, als er von der Jagd ruͤckkehrte, und meine Waͤrterinnen dich in ſeine Arme legten. Er ſegnete dich kraͤftig, er gelobte vor Gott und mir, dir Vater zu ſeyn, ſo lange er lebe, dein Gluͤck auch nach ſeinem Tode zu befoͤrdern und zu befeſti- gen. Gott ſchenkte mir in der Folge keine Kin- der mehr, du warſt das einzige Pfand unſrer Liebe, dein guter Vater liebte dich gleich ſei- nem Augapfel, und eben ſo zaͤrtlich wie mich, oft ward dir jeder Kuß, den ich von ihm er-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/270>, abgerufen am 18.05.2024.