daß Sophie seine Wohlthäterin sei, ihre Kost mehr als mit ihm theile, sich stets nur mit einer Speise sättige, und alle übrigen ihm sende. Dankbare Thränen rollten bei dieser Nachricht über seine Wangen, er blickte gen Himmel, und schien Gott zu fragen: Wie er solch eine Liebe lohnen und vergelten könne?
Sophie hofte, Wilhelms Strafe durch neue Fürbitte abzukürzen, sie wandte sich da- her, wie ein Jahr seiner Strafzeit verflossen war, aufs neue an die Obristhofmeisterin, al- lein diese konnte nicht mehr helfen und nützen, weil der Marggraf es ihr ausdrücklich und bei Verlust seiner Gnade untersagt hatte, die Prinzessin nie mehr zu einer ähnlichen Bitte aufzufordern, und dadurch den Lauf der Ge- rechtigkeit zu hemmen. Diese Nachricht that ihrem liebenden Herzen äusserst weh, nur die Hofnung, daß die übrigen zwei Jahre gleich dem ersten schwinden müßten, war der süsse
daß Sophie ſeine Wohlthaͤterin ſei, ihre Koſt mehr als mit ihm theile, ſich ſtets nur mit einer Speiſe ſaͤttige, und alle uͤbrigen ihm ſende. Dankbare Thraͤnen rollten bei dieſer Nachricht uͤber ſeine Wangen, er blickte gen Himmel, und ſchien Gott zu fragen: Wie er ſolch eine Liebe lohnen und vergelten koͤnne?
Sophie hofte, Wilhelms Strafe durch neue Fuͤrbitte abzukuͤrzen, ſie wandte ſich da- her, wie ein Jahr ſeiner Strafzeit verfloſſen war, aufs neue an die Obriſthofmeiſterin, al- lein dieſe konnte nicht mehr helfen und nuͤtzen, weil der Marggraf es ihr ausdruͤcklich und bei Verluſt ſeiner Gnade unterſagt hatte, die Prinzeſſin nie mehr zu einer aͤhnlichen Bitte aufzufordern, und dadurch den Lauf der Ge- rechtigkeit zu hemmen. Dieſe Nachricht that ihrem liebenden Herzen aͤuſſerſt weh, nur die Hofnung, daß die uͤbrigen zwei Jahre gleich dem erſten ſchwinden muͤßten, war der ſuͤſſe
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="37"/>
daß Sophie ſeine Wohlthaͤterin ſei, ihre Koſt<lb/>
mehr als mit ihm theile, ſich ſtets nur mit<lb/>
einer Speiſe ſaͤttige, und alle uͤbrigen ihm<lb/>ſende. Dankbare Thraͤnen rollten bei dieſer<lb/>
Nachricht uͤber ſeine Wangen, er blickte gen<lb/>
Himmel, und ſchien Gott zu fragen: Wie er<lb/>ſolch eine Liebe lohnen und vergelten koͤnne?</p><lb/><p>Sophie hofte, Wilhelms Strafe durch<lb/>
neue Fuͤrbitte abzukuͤrzen, ſie wandte ſich da-<lb/>
her, wie ein Jahr ſeiner Strafzeit verfloſſen<lb/>
war, aufs neue an die Obriſthofmeiſterin, al-<lb/>
lein dieſe konnte nicht mehr helfen und nuͤtzen,<lb/>
weil der Marggraf es ihr ausdruͤcklich und<lb/>
bei Verluſt ſeiner Gnade unterſagt hatte, die<lb/>
Prinzeſſin nie mehr zu einer aͤhnlichen Bitte<lb/>
aufzufordern, und dadurch den Lauf der Ge-<lb/>
rechtigkeit zu hemmen. Dieſe Nachricht that<lb/>
ihrem liebenden Herzen aͤuſſerſt weh, nur die<lb/>
Hofnung, daß die uͤbrigen zwei Jahre gleich<lb/>
dem erſten ſchwinden muͤßten, war der ſuͤſſe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0047]
daß Sophie ſeine Wohlthaͤterin ſei, ihre Koſt
mehr als mit ihm theile, ſich ſtets nur mit
einer Speiſe ſaͤttige, und alle uͤbrigen ihm
ſende. Dankbare Thraͤnen rollten bei dieſer
Nachricht uͤber ſeine Wangen, er blickte gen
Himmel, und ſchien Gott zu fragen: Wie er
ſolch eine Liebe lohnen und vergelten koͤnne?
Sophie hofte, Wilhelms Strafe durch
neue Fuͤrbitte abzukuͤrzen, ſie wandte ſich da-
her, wie ein Jahr ſeiner Strafzeit verfloſſen
war, aufs neue an die Obriſthofmeiſterin, al-
lein dieſe konnte nicht mehr helfen und nuͤtzen,
weil der Marggraf es ihr ausdruͤcklich und
bei Verluſt ſeiner Gnade unterſagt hatte, die
Prinzeſſin nie mehr zu einer aͤhnlichen Bitte
aufzufordern, und dadurch den Lauf der Ge-
rechtigkeit zu hemmen. Dieſe Nachricht that
ihrem liebenden Herzen aͤuſſerſt weh, nur die
Hofnung, daß die uͤbrigen zwei Jahre gleich
dem erſten ſchwinden muͤßten, war der ſuͤſſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/47>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.