Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Trost, wenn sie das Schicksal des Unglückli-
chen im Verborgnen beweinte. Noch mehr als
dieser Gedanke tröstete sie die Vorstellung, daß
sie diese ganze Zeit hindurch ihres Geliebten
Wohlthäterin seyn, und das harte Loos des-
selben um vieles erleichtern könne, sie sandte
ihm nicht allein täglich die mehrsten der Spei-
sen, welche für sie bestimmt waren, sondern
sie legte auch jede Woche etwas Geld bei, weil
sie wußte, daß Wilhelm gerne Tobak rauche,
und sie ihm dies Vergnügen nicht rauben
wollte.

So verflossen auch die zwei lezten Jahre
der Strafzeit. Schnell und anhaltend klopfte
Sophiens Herz, als der lezte Monden, die
lezte Woche, und endlich auch der lezte Tag
derselben nahte. Noch röthete sich ihre Wan-
ge, reine Freude glänzte in ihrem Auge, wie
Wilhelm ihr durch die Ueberbringerin der
Speisen nochmals aufs wärmste für die grosse

Troſt, wenn ſie das Schickſal des Ungluͤckli-
chen im Verborgnen beweinte. Noch mehr als
dieſer Gedanke troͤſtete ſie die Vorſtellung, daß
ſie dieſe ganze Zeit hindurch ihres Geliebten
Wohlthaͤterin ſeyn, und das harte Loos deſ-
ſelben um vieles erleichtern koͤnne, ſie ſandte
ihm nicht allein taͤglich die mehrſten der Spei-
ſen, welche fuͤr ſie beſtimmt waren, ſondern
ſie legte auch jede Woche etwas Geld bei, weil
ſie wußte, daß Wilhelm gerne Tobak rauche,
und ſie ihm dies Vergnuͤgen nicht rauben
wollte.

So verfloſſen auch die zwei lezten Jahre
der Strafzeit. Schnell und anhaltend klopfte
Sophiens Herz, als der lezte Monden, die
lezte Woche, und endlich auch der lezte Tag
derſelben nahte. Noch roͤthete ſich ihre Wan-
ge, reine Freude glaͤnzte in ihrem Auge, wie
Wilhelm ihr durch die Ueberbringerin der
Speiſen nochmals aufs waͤrmſte fuͤr die groſſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="38"/>
Tro&#x017F;t, wenn &#x017F;ie das Schick&#x017F;al des Unglu&#x0364;ckli-<lb/>
chen im Verborgnen beweinte. Noch mehr als<lb/>
die&#x017F;er Gedanke tro&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ie die Vor&#x017F;tellung, daß<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;e ganze Zeit hindurch ihres Geliebten<lb/>
Wohltha&#x0364;terin &#x017F;eyn, und das harte Loos de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben um vieles erleichtern ko&#x0364;nne, &#x017F;ie &#x017F;andte<lb/>
ihm nicht allein ta&#x0364;glich die mehr&#x017F;ten der Spei-<lb/>
&#x017F;en, welche fu&#x0364;r &#x017F;ie be&#x017F;timmt waren, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;ie legte auch jede Woche etwas Geld bei, weil<lb/>
&#x017F;ie wußte, daß Wilhelm gerne Tobak rauche,<lb/>
und &#x017F;ie ihm dies Vergnu&#x0364;gen nicht rauben<lb/>
wollte.</p><lb/>
        <p>So verflo&#x017F;&#x017F;en auch die zwei lezten Jahre<lb/>
der Strafzeit. Schnell und anhaltend klopfte<lb/>
Sophiens Herz, als der lezte Monden, die<lb/>
lezte Woche, und endlich auch der lezte Tag<lb/>
der&#x017F;elben nahte. Noch ro&#x0364;thete &#x017F;ich ihre Wan-<lb/>
ge, reine Freude gla&#x0364;nzte in ihrem Auge, wie<lb/>
Wilhelm ihr durch die Ueberbringerin der<lb/>
Spei&#x017F;en nochmals aufs wa&#x0364;rm&#x017F;te fu&#x0364;r die gro&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] Troſt, wenn ſie das Schickſal des Ungluͤckli- chen im Verborgnen beweinte. Noch mehr als dieſer Gedanke troͤſtete ſie die Vorſtellung, daß ſie dieſe ganze Zeit hindurch ihres Geliebten Wohlthaͤterin ſeyn, und das harte Loos deſ- ſelben um vieles erleichtern koͤnne, ſie ſandte ihm nicht allein taͤglich die mehrſten der Spei- ſen, welche fuͤr ſie beſtimmt waren, ſondern ſie legte auch jede Woche etwas Geld bei, weil ſie wußte, daß Wilhelm gerne Tobak rauche, und ſie ihm dies Vergnuͤgen nicht rauben wollte. So verfloſſen auch die zwei lezten Jahre der Strafzeit. Schnell und anhaltend klopfte Sophiens Herz, als der lezte Monden, die lezte Woche, und endlich auch der lezte Tag derſelben nahte. Noch roͤthete ſich ihre Wan- ge, reine Freude glaͤnzte in ihrem Auge, wie Wilhelm ihr durch die Ueberbringerin der Speiſen nochmals aufs waͤrmſte fuͤr die groſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/48
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/48>, abgerufen am 21.11.2024.