gehen innig bereue, und ewig dankbar seyn werde. Die alte, geschwätzige Muhme stöhrte das Gefühl der Liebenden um ein grosses, sie lobte Sophiens Wohlthaten, welche sie so lan- ge Zeit hindurch ihrem Vetter erwiesen hatte, mit vielen Worten. Ich muß aufrichtig geste- hen, sprach sie, daß ich den gottlosen Buben, der seine Eltern ins Grab gestürzt, mir und allen seinen Freunden so viel Schande gemacht hat, ganz vergessen wollte. Wie ich aber hörte, daß ein fremdes Mädchen nicht allein sein Leben gerettet, sondern ihn auch drei Jah- re lang ernährt habe, da dachte ich: Du han- delst doch zu hart, du mußt vergeben und ver- gessen! Auch will ich mein Gelübde halten, will sein künftiges Glück zu gründen und zu vermehren suchen, wenn er nur künftig auch keine lüderliche Streiche mehr begeht, und seinem treuen Mädchen ihre Liebe lohnt.
gehen innig bereue, und ewig dankbar ſeyn werde. Die alte, geſchwaͤtzige Muhme ſtoͤhrte das Gefuͤhl der Liebenden um ein groſſes, ſie lobte Sophiens Wohlthaten, welche ſie ſo lan- ge Zeit hindurch ihrem Vetter erwieſen hatte, mit vielen Worten. Ich muß aufrichtig geſte- hen, ſprach ſie, daß ich den gottloſen Buben, der ſeine Eltern ins Grab geſtuͤrzt, mir und allen ſeinen Freunden ſo viel Schande gemacht hat, ganz vergeſſen wollte. Wie ich aber hoͤrte, daß ein fremdes Maͤdchen nicht allein ſein Leben gerettet, ſondern ihn auch drei Jah- re lang ernaͤhrt habe, da dachte ich: Du han- delſt doch zu hart, du mußt vergeben und ver- geſſen! Auch will ich mein Geluͤbde halten, will ſein kuͤnftiges Gluͤck zu gruͤnden und zu vermehren ſuchen, wenn er nur kuͤnftig auch keine luͤderliche Streiche mehr begeht, und ſeinem treuen Maͤdchen ihre Liebe lohnt.
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gehen innig bereue, und ewig dankbar ſeyn
werde. Die alte, geſchwaͤtzige Muhme ſtoͤhrte
das Gefuͤhl der Liebenden um ein groſſes, ſie
lobte Sophiens Wohlthaten, welche ſie ſo lan-
ge Zeit hindurch ihrem Vetter erwieſen hatte,
mit vielen Worten. Ich muß aufrichtig geſte-
hen, ſprach ſie, daß ich den gottloſen Buben,
der ſeine Eltern ins Grab geſtuͤrzt, mir und
allen ſeinen Freunden ſo viel Schande gemacht
hat, ganz vergeſſen wollte. Wie ich aber
hoͤrte, daß ein fremdes Maͤdchen nicht allein
ſein Leben gerettet, ſondern ihn auch drei Jah-
re lang ernaͤhrt habe, da dachte ich: Du han-
delſt doch zu hart, du mußt vergeben und ver-
geſſen! Auch will ich mein Geluͤbde halten,
will ſein kuͤnftiges Gluͤck zu gruͤnden und zu
vermehren ſuchen, wenn er nur kuͤnftig auch
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/51>, abgerufen am 21.11.2024.
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