Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.das Recht, das sich unsere Ahnherren herausgenommen haben sollen, bei ihren Unterthaninnen in der Brautnacht die Pflichten des eben angetrauten Gatten zu erfüllen. Da die Bauern damals ohnehin nicht viel anders als das liebe Vieh behandelt wurden, wäre es immerhin sehr möglich, dass unsere Vorfahren kein Bedenken trugen, denselben auch die betreffenden Hörner aufzusetzen. Wenn ich freilich in meiner Phantasie das Bild einer Kuhmagd oder Gänsehüterin aus dem schmutztriefenden Mittelalter mir vorstelle, scheint es mir unbegreiflich, wie ein Gutsherr auf den Einfall kommen konnte, jenes infame Vorrecht in Anspruch nehmen zu wollen. Wir Söhne des neunzehnten Jahrhunderts haben es allerdings weit bequemer als ein Herr des vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderts, denn wir halten heute ganz einfach eine Ballettänzerin aus, was dann aber freilich wegen der weit grösseren Reinlichkeit, die dieselben vor den Bäuerinnen des Mittelalters voraushaben, auch viel kostspieliger ist. Aber schon in dieser Zeit des frühen Mittelalters finden wir Spuren das Recht, das sich unsere Ahnherren herausgenommen haben sollen, bei ihren Unterthaninnen in der Brautnacht die Pflichten des eben angetrauten Gatten zu erfüllen. Da die Bauern damals ohnehin nicht viel anders als das liebe Vieh behandelt wurden, wäre es immerhin sehr möglich, dass unsere Vorfahren kein Bedenken trugen, denselben auch die betreffenden Hörner aufzusetzen. Wenn ich freilich in meiner Phantasie das Bild einer Kuhmagd oder Gänsehüterin aus dem schmutztriefenden Mittelalter mir vorstelle, scheint es mir unbegreiflich, wie ein Gutsherr auf den Einfall kommen konnte, jenes infame Vorrecht in Anspruch nehmen zu wollen. Wir Söhne des neunzehnten Jahrhunderts haben es allerdings weit bequemer als ein Herr des vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderts, denn wir halten heute ganz einfach eine Ballettänzerin aus, was dann aber freilich wegen der weit grösseren Reinlichkeit, die dieselben vor den Bäuerinnen des Mittelalters voraushaben, auch viel kostspieliger ist. Aber schon in dieser Zeit des frühen Mittelalters finden wir Spuren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="16"/> das Recht, das sich unsere Ahnherren herausgenommen haben sollen, bei ihren Unterthaninnen in der Brautnacht die Pflichten des eben angetrauten Gatten zu erfüllen. Da die Bauern damals ohnehin nicht viel anders als das liebe Vieh behandelt wurden, wäre es immerhin sehr möglich, dass unsere Vorfahren kein Bedenken trugen, denselben auch die betreffenden Hörner aufzusetzen. Wenn ich freilich in meiner Phantasie das Bild einer Kuhmagd oder Gänsehüterin aus dem schmutztriefenden Mittelalter mir vorstelle, scheint es mir unbegreiflich, wie ein Gutsherr auf den Einfall kommen konnte, jenes infame Vorrecht in Anspruch nehmen zu wollen. Wir Söhne des neunzehnten Jahrhunderts haben es allerdings weit bequemer als ein Herr des vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderts, denn wir halten heute ganz einfach eine Ballettänzerin aus, was dann aber freilich wegen der weit grösseren Reinlichkeit, die dieselben vor den Bäuerinnen des Mittelalters voraushaben, auch viel kostspieliger ist. Aber schon in dieser Zeit des frühen Mittelalters finden wir Spuren </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0018]
das Recht, das sich unsere Ahnherren herausgenommen haben sollen, bei ihren Unterthaninnen in der Brautnacht die Pflichten des eben angetrauten Gatten zu erfüllen. Da die Bauern damals ohnehin nicht viel anders als das liebe Vieh behandelt wurden, wäre es immerhin sehr möglich, dass unsere Vorfahren kein Bedenken trugen, denselben auch die betreffenden Hörner aufzusetzen. Wenn ich freilich in meiner Phantasie das Bild einer Kuhmagd oder Gänsehüterin aus dem schmutztriefenden Mittelalter mir vorstelle, scheint es mir unbegreiflich, wie ein Gutsherr auf den Einfall kommen konnte, jenes infame Vorrecht in Anspruch nehmen zu wollen. Wir Söhne des neunzehnten Jahrhunderts haben es allerdings weit bequemer als ein Herr des vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderts, denn wir halten heute ganz einfach eine Ballettänzerin aus, was dann aber freilich wegen der weit grösseren Reinlichkeit, die dieselben vor den Bäuerinnen des Mittelalters voraushaben, auch viel kostspieliger ist. Aber schon in dieser Zeit des frühen Mittelalters finden wir Spuren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |