Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.Vorbereitung. [Spaltenumbruch]
tung einer anderen unmittelbar das geringste beytragen.Hieraus folgt, daß es Pflanzen geben könne, welche bloß Zwitterblumen hervorbringen, aber keine, welche bloß männliche, oder bloß weibliche Blumen haben, sondern daß sie in jenem Fall schlechterdings auch weibliche, in diesem auch männliche Blumen haben müssen, daß es endlich noch viel weniger solche Pflanzen geben könne, welche keine an- dere als bloß geschlechtslose Blumen haben. Welches alles die Erfahrung bestätigt. Um die Geschlechtstheile der Tulpe herum finden wir Der oberste Theil des langen Blumenstiels, oder viel- Die Kayserkrone hat viel Aehnlichkeit mit der Zur Erläuterung des Gesagten mag die auf der fünften Da also die Passionsblume sowohl männliche, als weib- Diese Blume hat sowohl einen Kelch, als eine Krone. Endlich hat diese Blume auch ein Nectarium, welches Ich glaube, daß dieses für aufmerksame Leser hinrei- C. K. Sprengel, Rektor. Einlei-
Vorbereitung. [Spaltenumbruch]
tung einer anderen unmittelbar das geringſte beytragen.Hieraus folgt, daß es Pflanzen geben koͤnne, welche bloß Zwitterblumen hervorbringen, aber keine, welche bloß maͤnnliche, oder bloß weibliche Blumen haben, ſondern daß ſie in jenem Fall ſchlechterdings auch weibliche, in dieſem auch maͤnnliche Blumen haben muͤſſen, daß es endlich noch viel weniger ſolche Pflanzen geben koͤnne, welche keine an- dere als bloß geſchlechtsloſe Blumen haben. Welches alles die Erfahrung beſtaͤtigt. Um die Geſchlechtstheile der Tulpe herum finden wir Der oberſte Theil des langen Blumenſtiels, oder viel- Die Kayſerkrone hat viel Aehnlichkeit mit der Zur Erlaͤuterung des Geſagten mag die auf der fuͤnften Da alſo die Paſſionsblume ſowohl maͤnnliche, als weib- Dieſe Blume hat ſowohl einen Kelch, als eine Krone. Endlich hat dieſe Blume auch ein Nectarium, welches Ich glaube, daß dieſes fuͤr aufmerkſame Leſer hinrei- C. K. Sprengel, Rektor. Einlei-
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Vorbereitung.
tung einer anderen unmittelbar das geringſte beytragen.
Hieraus folgt, daß es Pflanzen geben koͤnne, welche bloß
Zwitterblumen hervorbringen, aber keine, welche bloß
maͤnnliche, oder bloß weibliche Blumen haben, ſondern daß
ſie in jenem Fall ſchlechterdings auch weibliche, in dieſem
auch maͤnnliche Blumen haben muͤſſen, daß es endlich noch
viel weniger ſolche Pflanzen geben koͤnne, welche keine an-
dere als bloß geſchlechtsloſe Blumen haben. Welches alles
die Erfahrung beſtaͤtigt.
Um die Geſchlechtstheile der Tulpe herum finden wir
ſechs Blaͤtter, welche gefaͤrbt ſind, d. i., eine andere Farbe
haben, als die gruͤne. Dieſelben machen zuſammen die
Krone (corolla) aus. Staͤnden um dieſe herum noch ei-
nige Blaͤtter, welche ſich ſowohl durch die Geſtalt, als durch
die Farbe von jenen unterſchieden, ſo wuͤrde man dieſelben
den Kelch (calyx) nennen. Ein ſolcher Kelch iſt bey den
mehreſten Blumen vorhanden, und die Abweſenheit deſſelben
iſt das zweyte Stuͤck, worin die Tulpe von der gewoͤhnlichen
Struktur abweicht. Wenn am Stiel nicht weit von der
Blume ein Blatt ſaͤße, welches in der Geſtalt und Farbe
ſowohl von den Blaͤttern der Pflanze, als auch von den Kro-
nenblaͤttern der Blume, und, wenn ſie einen Kelch haͤtte,
auch von ihren Kelchblaͤttern verſchieden waͤre: ſo wuͤrde
man daſſelbe ein Blumenblatt (bractea) nennen. Ein
ſolches Blatt finden wir z. B. bey der Linde.
Der oberſte Theil des langen Blumenſtiels, oder viel-
mehr des Schafts, auf welchen alle dreyzehn Beſtandtheile
der Tulpe angefuͤgt ſind, heißt der Boden (receptaculum).
Die Kayſerkrone hat viel Aehnlichkeit mit der
Tulpe, ſie unterſcheidet ſich aber von derſelben vorzuͤglich
dadurch, daß ſie im Grunde ihrer Krone ſechs Hoͤhlen hat,
welche mit einem ſuͤßen Saft (Honig, nectar) angefuͤllt
ſind. Einen ſolchen Saft finden wir bey den mehreſten Blu-
men, und der Mangel deſſelben iſt das dritte Stuͤck, wo-
durch ſich die Tulpe von andern auszeichnet. Denjenigen
Theil, welcher dieſen Saft enthaͤlt, pflegt man das
Nectarium (die Saftgrube, das Saftbehaͤltniß) zu nen-
nen. Daß viele Arten von Inſekten dieſem Saft nachge-
hen, und ſich davon ernaͤhren, daß inſonderheit die Bienen
den ganzen Sommer hindurch nicht nur mit demſelben ſich
ernaͤhren, ſondern auch ihre Winternahrung, den Honig,
aus demſelben bereiten, iſt einem Jeden bekannt.
Zur Erlaͤuterung des Geſagten mag die auf der fuͤnften
Kupfertafel abgebildete Paſſionsblume dienen. Der
kleine runde Koͤrper, welchen man in der Mitte der 2. Figur
ſieht, und welcher in Fig. 6. eyfoͤrmig erſcheint, iſt der
Fruchtknoten. Auf demſelben ſitzen drey Griffel. Das
breite Ende eines jeden Griffels, welches in beiden Figuren
punktirt iſt, iſt ein Stigma. Dieſer Fruchtknoten, dieſe
drey Griffel und dieſe drey Stigmate machen zuſammen das
Piſtill aus. In Fig. 6. ſieht man, daß der Fruchtknoten
auf einem Saͤulchen ſteht, aus welchem unmittelbar unter
jenem fuͤnf lange Koͤrper entſtehen, welche man in Fig. 2.
noch deutlicher ſieht. Dies ſind die Filamente. Die an
das Ende derſelben angefuͤgten langen Koͤrper ſind die An-
theren. Die Blume hat alſo fuͤnf Staubgefaͤße. Der Staub
der Antheren iſt durch Punkte angedeutet. In Fig. 6. ſieht
man denſelben auf der unteren Seite der drey vorderſten
Antheren, und in Fig. 2. einen kleinen Theil deſſelben an
den Raͤndern aller fuͤnf Antheren.
Da alſo die Paſſionsblume ſowohl maͤnnliche, als weib-
liche Befruchtungstheile hat, ſo iſt ſie auch eine Zwitter-
blume. Ob aber gleich der Fruchtknoten ſchon die Samen-
keime enthaͤlt, ſo kann er doch nicht anders eine mit guten
Samenkoͤrnern verſehene Frucht werden, als wenn ein Theil
des Antherenſtaubes auf die Stigmate gebracht wird, deſſen
befruchtendes Weſen hierauf durch die Griffel in den Frucht-
knoten dringt. Auf welche Art dieſes nun geſchieht, wird
an ſeinem Ort gezeigt werden.
Dieſe Blume hat ſowohl einen Kelch, als eine Krone.
Jener beſteht aus den fuͤnf Blaͤttern b b ꝛc. Fig. 2., welche
auf der unteren Seite gruͤn, auf der oberen aber weiß ſind;
dieſe aus den fuͤnf Blaͤttern a a ꝛc., welche auf beiden Seiten
weiß ſind.
Endlich hat dieſe Blume auch ein Nectarium, welches
an ſeinem Ort beſchrieben werden wird.
Ich glaube, daß dieſes fuͤr aufmerkſame Leſer hinrei-
chend ſeyn wird, um ſo viel mehr, da das mehreſte und
wichtigſte durch Figuren erlaͤutert worden iſt. Spandow,
d. 18. December 1792.
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