Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Einleitung.
fen werden, wie jene Samenbehältnisse ihre Samenkörner weit
fortwerfen. Endlich bezieht sich auf diesen Endzweck die Eigen-
schaft, welche viele Blumen haben, sich nur bey schöner Witte-
rung zu öffnen, bey regnichtem und trübem Wetter hingegen ver-
schlossen zu bleiben.

Die mehresten Blumen haben eine bestimmte Stellung. Soll
nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen gesichert seyn,
so muß wegen der perpendikulären Direktion der herabfallenden
Regentropfen ihr Bau verschieden seyn, je nachdem ihre Stel-
lung verschieden ist.

Erstens giebt es grade aufrecht stehende Blumen. Diese sind
regulär, da die Natur jederzeit die Regularität der Irregularität
vorzieht, und, wenigstens in Rücksicht auf den Regen, keine Ur-
sache vorhanden ist, weshalb sie bey diesen Blumen von diesem
Gesetz abweichen sollte. Da die innere Seite derselben den herab-
fallenden Regentropfen entgegengesetzt ist, und die hineingefall-
nen Regentropfen vermöge ihrer Schwere zu dem unten im
Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen streben:
so müssen sie am meisten durch besondere Anstalten gegen das Ein-
dringen derselben verwahrt seyn. Ihre Kronenblätter sind oft in
schmale Stücke zertheilt. Denn da, wie sich unten ergeben wird,
eine jede Krone so groß als möglich seyn muß, so würde die Krone
dieser Blumen, wenn sie groß, und dabey ganz wäre, zu viel
Regentropfen empfangen und behalten, welche sich leicht mit dem
Saft vermischen könnten. Von diesen Blumen läßt sich vorzüg-
lich erwarten, daß sie sich bey regnichter Witterung nicht öffnen
werden.

Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch diese
sind regulär, und zwar aus eben der Ursache, aus welcher es die
ersten sind. Sie kehren ihre äußere Seite den herabfallenden Re-
gentropfen zu; die innere ist denselben wenig, oder gar nicht bloß-
gestellt, besonders wenn sie eine glockenförmige, oder walzenför-
mige, oder kugelförmige Gestalt haben. Und der Saft befindet
sich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzusteigen
die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden.
Man darf also bey ihnen am wenigsten besondere Anstalten zur
Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenblätter müs-
sen ganz seyn, damit die Regentropfen auf der äußern Seite der-
selben sitzen bleiben, da sie im Gegentheil, wenn jene in schmale
Stücke zertheilt wären, leicht auf die innere Seite derselben und
in den Safthalter kommen könnten. Diese Blumen haben nicht
nöthig sich bey regnichtem Wetter zu schließen.

Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergesellschaf-
tet ist, so ist dieser Umstand zwar allen Blumen vortheilhaft, selbst
denen, welche keinen Saft absondern. Denn da der Wind die
[Spaltenumbruch]

Einleitung.
Blumen tüchtig schüttelt, so verursacht er, daß die meisten auf
dieselben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder
den Saft, noch den Staub der Antheren verderben können. Den
grade aufrechtstehenden und herabhangenden Blumen aber ist die-
ser Umstand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieses habe
ich auf der 25. Kupfertafel vorgestellt. In Fig. 4. ist Ranuncu-
lus acris
in seiner natürlichen aufrechten Stellung abgebildet.
Die fünf punktirten Linien stellen die Direktion so vieler Regen-
tropfen vor, welche dieselben bey einer Windstille haben. Diese
Stellung der Blume ist bey dieser Direktion der Regentropfen
die nachtheiligste; denn alle fünf Regentropfen fallen in die Blume
hinein. In Fig. 5. sieht man die Stellung der Blume und die
Direktion der Regentropfen, welche jene und diese von einem
mäßigen Winde erhalten. Diese Stellung ist bey dieser Di-
rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur höch-
stens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich ist
in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen-
tropfen bey dem heftigsten Winde vorgestellt. Hier fällt kein einzi-
ger von den fünf Regentropfen in die Blume hinein, sondern sie fal-
len alle auf ihre äußere Seite, und dieses ist die vortheilhafteste
Stellung, welche die Blume bey dieser Direktion der Regen-
tropfen haben kann. In Fig. 9. ist Campanula rotundifolia in
ihrer natürlichen Stellung abgebildet. Dies ist die vortheilhaf-
teste Stellung, welche diese Blume bey einer Windstille in Ansehung
der alsdenn perpeudiculär herabfallenden Regentropfen haben
kann. Wehet aber ein Wind, so giebt derselbe, er sey schwach
oder stark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re-
gentropfen herabfallen, eine ungefähr gleiche Richtung, und
sie behält in Ansehung der Regentropfen immer die vortheil-
hafteste Stellung. In Fig. 6* ist die Blume in derjenigen Stel-
lung abgebildet, welche sie bey einem mäßigen Winde hat, und
in Fig. 10. in derjenigen, in welche sie der heftigste Wind ver-
setzt. Folglich ist der Wind, welcher einen Regen begleitet, den
grade aufrechtstehenden Saftblumen dadurch nützlich, daß er sie
aus der nachtheiligsten Stellung, welche sie haben, in eine weni-
ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den
grade herabhangenden leistet er den Dienst, daß er sie in der vor-
theilhaftesten Stellung, welche sie haben, beständig erhält.

Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff-
nung ihrer Krone ist dem Horizont zugekehrt, ihre Röhre mag
nun entweder auch horizontal seyn, oder sich der Perpendikulär-
linie mehr oder weniger nähern. Diese sind mehrentheils irregu-
lär, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen
gesichert seyn, so muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge-
staltet und beschaffen seyn, als die untere Denn die Regen-

[Spaltenumbruch]

Einleitung.
fen werden, wie jene Samenbehaͤltniſſe ihre Samenkoͤrner weit
fortwerfen. Endlich bezieht ſich auf dieſen Endzweck die Eigen-
ſchaft, welche viele Blumen haben, ſich nur bey ſchoͤner Witte-
rung zu oͤffnen, bey regnichtem und truͤbem Wetter hingegen ver-
ſchloſſen zu bleiben.

Die mehreſten Blumen haben eine beſtimmte Stellung. Soll
nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen geſichert ſeyn,
ſo muß wegen der perpendikulaͤren Direktion der herabfallenden
Regentropfen ihr Bau verſchieden ſeyn, je nachdem ihre Stel-
lung verſchieden iſt.

Erſtens giebt es grade aufrecht ſtehende Blumen. Dieſe ſind
regulaͤr, da die Natur jederzeit die Regularitaͤt der Irregularitaͤt
vorzieht, und, wenigſtens in Ruͤckſicht auf den Regen, keine Ur-
ſache vorhanden iſt, weshalb ſie bey dieſen Blumen von dieſem
Geſetz abweichen ſollte. Da die innere Seite derſelben den herab-
fallenden Regentropfen entgegengeſetzt iſt, und die hineingefall-
nen Regentropfen vermoͤge ihrer Schwere zu dem unten im
Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen ſtreben:
ſo muͤſſen ſie am meiſten durch beſondere Anſtalten gegen das Ein-
dringen derſelben verwahrt ſeyn. Ihre Kronenblaͤtter ſind oft in
ſchmale Stuͤcke zertheilt. Denn da, wie ſich unten ergeben wird,
eine jede Krone ſo groß als moͤglich ſeyn muß, ſo wuͤrde die Krone
dieſer Blumen, wenn ſie groß, und dabey ganz waͤre, zu viel
Regentropfen empfangen und behalten, welche ſich leicht mit dem
Saft vermiſchen koͤnnten. Von dieſen Blumen laͤßt ſich vorzuͤg-
lich erwarten, daß ſie ſich bey regnichter Witterung nicht oͤffnen
werden.

Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch dieſe
ſind regulaͤr, und zwar aus eben der Urſache, aus welcher es die
erſten ſind. Sie kehren ihre aͤußere Seite den herabfallenden Re-
gentropfen zu; die innere iſt denſelben wenig, oder gar nicht bloß-
geſtellt, beſonders wenn ſie eine glockenfoͤrmige, oder walzenfoͤr-
mige, oder kugelfoͤrmige Geſtalt haben. Und der Saft befindet
ſich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzuſteigen
die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden.
Man darf alſo bey ihnen am wenigſten beſondere Anſtalten zur
Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenblaͤtter muͤſ-
ſen ganz ſeyn, damit die Regentropfen auf der aͤußern Seite der-
ſelben ſitzen bleiben, da ſie im Gegentheil, wenn jene in ſchmale
Stuͤcke zertheilt waͤren, leicht auf die innere Seite derſelben und
in den Safthalter kommen koͤnnten. Dieſe Blumen haben nicht
noͤthig ſich bey regnichtem Wetter zu ſchließen.

Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergeſellſchaf-
tet iſt, ſo iſt dieſer Umſtand zwar allen Blumen vortheilhaft, ſelbſt
denen, welche keinen Saft abſondern. Denn da der Wind die
[Spaltenumbruch]

Einleitung.
Blumen tuͤchtig ſchuͤttelt, ſo verurſacht er, daß die meiſten auf
dieſelben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder
den Saft, noch den Staub der Antheren verderben koͤnnen. Den
grade aufrechtſtehenden und herabhangenden Blumen aber iſt die-
ſer Umſtand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieſes habe
ich auf der 25. Kupfertafel vorgeſtellt. In Fig. 4. iſt Ranuncu-
lus acris
in ſeiner natuͤrlichen aufrechten Stellung abgebildet.
Die fuͤnf punktirten Linien ſtellen die Direktion ſo vieler Regen-
tropfen vor, welche dieſelben bey einer Windſtille haben. Dieſe
Stellung der Blume iſt bey dieſer Direktion der Regentropfen
die nachtheiligſte; denn alle fuͤnf Regentropfen fallen in die Blume
hinein. In Fig. 5. ſieht man die Stellung der Blume und die
Direktion der Regentropfen, welche jene und dieſe von einem
maͤßigen Winde erhalten. Dieſe Stellung iſt bey dieſer Di-
rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur hoͤch-
ſtens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich iſt
in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen-
tropfen bey dem heftigſten Winde vorgeſtellt. Hier faͤllt kein einzi-
ger von den fuͤnf Regentropfen in die Blume hinein, ſondern ſie fal-
len alle auf ihre aͤußere Seite, und dieſes iſt die vortheilhafteſte
Stellung, welche die Blume bey dieſer Direktion der Regen-
tropfen haben kann. In Fig. 9. iſt Campanula rotundifolia in
ihrer natuͤrlichen Stellung abgebildet. Dies iſt die vortheilhaf-
teſte Stellung, welche dieſe Blume bey einer Windſtille in Anſehung
der alsdenn perpeudiculaͤr herabfallenden Regentropfen haben
kann. Wehet aber ein Wind, ſo giebt derſelbe, er ſey ſchwach
oder ſtark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re-
gentropfen herabfallen, eine ungefaͤhr gleiche Richtung, und
ſie behaͤlt in Anſehung der Regentropfen immer die vortheil-
hafteſte Stellung. In Fig. 6* iſt die Blume in derjenigen Stel-
lung abgebildet, welche ſie bey einem maͤßigen Winde hat, und
in Fig. 10. in derjenigen, in welche ſie der heftigſte Wind ver-
ſetzt. Folglich iſt der Wind, welcher einen Regen begleitet, den
grade aufrechtſtehenden Saftblumen dadurch nuͤtzlich, daß er ſie
aus der nachtheiligſten Stellung, welche ſie haben, in eine weni-
ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den
grade herabhangenden leiſtet er den Dienſt, daß er ſie in der vor-
theilhafteſten Stellung, welche ſie haben, beſtaͤndig erhaͤlt.

Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff-
nung ihrer Krone iſt dem Horizont zugekehrt, ihre Roͤhre mag
nun entweder auch horizontal ſeyn, oder ſich der Perpendikulaͤr-
linie mehr oder weniger naͤhern. Dieſe ſind mehrentheils irregu-
laͤr, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen
geſichert ſeyn, ſo muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge-
ſtaltet und beſchaffen ſeyn, als die untere Denn die Regen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="[19]"/><cb n="13"/><lb/>
<fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
fen werden, wie jene Samenbeha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ihre Samenko&#x0364;rner weit<lb/><choice><sic>&#x017F;ortwerfen</sic><corr>fortwerfen</corr></choice>. Endlich bezieht &#x017F;ich auf die&#x017F;en Endzweck die Eigen-<lb/>
&#x017F;chaft, welche viele Blumen haben, &#x017F;ich nur bey &#x017F;cho&#x0364;ner Witte-<lb/>
rung zu o&#x0364;ffnen, bey regnichtem und tru&#x0364;bem Wetter hingegen ver-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en zu bleiben.</p><lb/>
          <p>Die mehre&#x017F;ten Blumen haben eine be&#x017F;timmte Stellung. Soll<lb/>
nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen ge&#x017F;ichert &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;o muß wegen der perpendikula&#x0364;ren Direktion der herabfallenden<lb/>
Regentropfen ihr Bau ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn, je nachdem ihre Stel-<lb/>
lung ver&#x017F;chieden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Er&#x017F;tens giebt es grade aufrecht &#x017F;tehende Blumen. Die&#x017F;e &#x017F;ind<lb/>
regula&#x0364;r, da die Natur jederzeit die Regularita&#x0364;t der Irregularita&#x0364;t<lb/>
vorzieht, und, wenig&#x017F;tens in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf den Regen, keine Ur-<lb/>
&#x017F;ache vorhanden i&#x017F;t, weshalb &#x017F;ie bey die&#x017F;en Blumen von die&#x017F;em<lb/>
Ge&#x017F;etz abweichen &#x017F;ollte. Da die innere Seite der&#x017F;elben den herab-<lb/>
fallenden Regentropfen entgegenge&#x017F;etzt i&#x017F;t, und die hineingefall-<lb/>
nen Regentropfen vermo&#x0364;ge ihrer Schwere zu dem unten im<lb/>
Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen &#x017F;treben:<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie am mei&#x017F;ten durch be&#x017F;ondere An&#x017F;talten gegen das Ein-<lb/>
dringen der&#x017F;elben verwahrt &#x017F;eyn. Ihre Kronenbla&#x0364;tter &#x017F;ind oft in<lb/>
&#x017F;chmale Stu&#x0364;cke zertheilt. Denn da, wie &#x017F;ich unten ergeben wird,<lb/>
eine jede Krone &#x017F;o groß als mo&#x0364;glich &#x017F;eyn muß, &#x017F;o wu&#x0364;rde die Krone<lb/>
die&#x017F;er Blumen, wenn &#x017F;ie groß, und dabey ganz wa&#x0364;re, zu viel<lb/>
Regentropfen empfangen und behalten, welche &#x017F;ich leicht mit dem<lb/>
Saft vermi&#x017F;chen ko&#x0364;nnten. Von die&#x017F;en Blumen la&#x0364;ßt &#x017F;ich vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich erwarten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich bey regnichter Witterung nicht o&#x0364;ffnen<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p>Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind regula&#x0364;r, und zwar aus eben der Ur&#x017F;ache, aus welcher es die<lb/>
er&#x017F;ten &#x017F;ind. Sie kehren ihre a&#x0364;ußere Seite den herabfallenden Re-<lb/>
gentropfen zu; die innere i&#x017F;t den&#x017F;elben wenig, oder gar nicht bloß-<lb/>
ge&#x017F;tellt, be&#x017F;onders wenn &#x017F;ie eine glockenfo&#x0364;rmige, oder walzenfo&#x0364;r-<lb/>
mige, oder kugelfo&#x0364;rmige Ge&#x017F;talt haben. Und der Saft befindet<lb/>
&#x017F;ich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzu&#x017F;teigen<lb/>
die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden.<lb/>
Man darf al&#x017F;o bey ihnen am wenig&#x017F;ten be&#x017F;ondere An&#x017F;talten zur<lb/>
Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenbla&#x0364;tter mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ganz &#x017F;eyn, damit die Regentropfen auf der a&#x0364;ußern Seite der-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;itzen bleiben, da &#x017F;ie im Gegentheil, wenn jene in &#x017F;chmale<lb/>
Stu&#x0364;cke zertheilt wa&#x0364;ren, leicht auf die innere Seite der&#x017F;elben und<lb/>
in den Safthalter kommen ko&#x0364;nnten. Die&#x017F;e Blumen haben nicht<lb/>
no&#x0364;thig &#x017F;ich bey regnichtem Wetter zu &#x017F;chließen.</p><lb/>
          <p>Da der Regen mehrentheils mit einem Winde verge&#x017F;ell&#x017F;chaf-<lb/>
tet i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;er Um&#x017F;tand zwar allen Blumen vortheilhaft, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
denen, welche keinen Saft ab&#x017F;ondern. Denn da der Wind die<lb/><cb n="14"/><lb/>
<fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
Blumen tu&#x0364;chtig &#x017F;chu&#x0364;ttelt, &#x017F;o verur&#x017F;acht er, daß die mei&#x017F;ten auf<lb/>
die&#x017F;elben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder<lb/>
den Saft, noch den Staub der Antheren verderben ko&#x0364;nnen. Den<lb/>
grade aufrecht&#x017F;tehenden und herabhangenden Blumen aber i&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;er Um&#x017F;tand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Die&#x017F;es habe<lb/>
ich auf der 25. Kupfertafel vorge&#x017F;tellt. In <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 4. i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Ranuncu-<lb/>
lus acris</hi> in &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen aufrechten Stellung abgebildet.<lb/>
Die fu&#x0364;nf punktirten Linien &#x017F;tellen die Direktion &#x017F;o vieler Regen-<lb/>
tropfen vor, welche die&#x017F;elben bey einer Wind&#x017F;tille haben. Die&#x017F;e<lb/>
Stellung der Blume i&#x017F;t bey die&#x017F;er Direktion der Regentropfen<lb/>
die nachtheilig&#x017F;te; denn alle fu&#x0364;nf Regentropfen fallen in die Blume<lb/>
hinein. In <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 5. &#x017F;ieht man die Stellung der Blume und die<lb/>
Direktion der Regentropfen, welche jene und die&#x017F;e von einem<lb/>
ma&#x0364;ßigen Winde erhalten. Die&#x017F;e Stellung i&#x017F;t bey die&#x017F;er Di-<lb/>
rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;tens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich i&#x017F;t<lb/>
in <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen-<lb/>
tropfen bey dem heftig&#x017F;ten Winde vorge&#x017F;tellt. Hier fa&#x0364;llt kein einzi-<lb/>
ger von den fu&#x0364;nf Regentropfen in die Blume hinein, &#x017F;ondern &#x017F;ie fal-<lb/>
len alle auf ihre a&#x0364;ußere Seite, und die&#x017F;es i&#x017F;t die vortheilhafte&#x017F;te<lb/>
Stellung, welche die Blume bey die&#x017F;er Direktion der Regen-<lb/>
tropfen haben kann. In <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 9. i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Campanula rotundifolia</hi> in<lb/>
ihrer natu&#x0364;rlichen Stellung abgebildet. Dies i&#x017F;t die vortheilhaf-<lb/>
te&#x017F;te Stellung, welche die&#x017F;e Blume bey einer Wind&#x017F;tille in An&#x017F;ehung<lb/>
der alsdenn perpeudicula&#x0364;r herabfallenden Regentropfen haben<lb/>
kann. Wehet aber ein Wind, &#x017F;o giebt der&#x017F;elbe, er &#x017F;ey &#x017F;chwach<lb/>
oder &#x017F;tark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re-<lb/>
gentropfen herabfallen, eine ungefa&#x0364;hr gleiche Richtung, und<lb/>
&#x017F;ie beha&#x0364;lt in An&#x017F;ehung der Regentropfen immer die vortheil-<lb/>
hafte&#x017F;te Stellung. In <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 6* i&#x017F;t die Blume in derjenigen Stel-<lb/>
lung abgebildet, welche &#x017F;ie bey einem ma&#x0364;ßigen Winde hat, und<lb/>
in <hi rendition="#aq">Fig.</hi> 10. in derjenigen, in welche &#x017F;ie der heftig&#x017F;te Wind ver-<lb/>
&#x017F;etzt. Folglich i&#x017F;t der Wind, welcher einen Regen begleitet, den<lb/>
grade aufrecht&#x017F;tehenden Saftblumen dadurch nu&#x0364;tzlich, daß er &#x017F;ie<lb/>
aus der nachtheilig&#x017F;ten Stellung, welche &#x017F;ie haben, in eine weni-<lb/>
ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den<lb/>
grade herabhangenden lei&#x017F;tet er den Dien&#x017F;t, daß er &#x017F;ie in der vor-<lb/>
theilhafte&#x017F;ten Stellung, welche &#x017F;ie haben, be&#x017F;ta&#x0364;ndig erha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff-<lb/>
nung ihrer Krone i&#x017F;t dem Horizont zugekehrt, ihre Ro&#x0364;hre mag<lb/>
nun entweder auch horizontal &#x017F;eyn, oder &#x017F;ich der Perpendikula&#x0364;r-<lb/>
linie mehr oder weniger na&#x0364;hern. Die&#x017F;e &#x017F;ind mehrentheils irregu-<lb/>
la&#x0364;r, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen<lb/>
ge&#x017F;ichert &#x017F;eyn, &#x017F;o muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge-<lb/>
&#x017F;taltet und be&#x017F;chaffen &#x017F;eyn, als die untere Denn die Regen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[19]/0019] Einleitung. Einleitung. fen werden, wie jene Samenbehaͤltniſſe ihre Samenkoͤrner weit fortwerfen. Endlich bezieht ſich auf dieſen Endzweck die Eigen- ſchaft, welche viele Blumen haben, ſich nur bey ſchoͤner Witte- rung zu oͤffnen, bey regnichtem und truͤbem Wetter hingegen ver- ſchloſſen zu bleiben. Die mehreſten Blumen haben eine beſtimmte Stellung. Soll nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen geſichert ſeyn, ſo muß wegen der perpendikulaͤren Direktion der herabfallenden Regentropfen ihr Bau verſchieden ſeyn, je nachdem ihre Stel- lung verſchieden iſt. Erſtens giebt es grade aufrecht ſtehende Blumen. Dieſe ſind regulaͤr, da die Natur jederzeit die Regularitaͤt der Irregularitaͤt vorzieht, und, wenigſtens in Ruͤckſicht auf den Regen, keine Ur- ſache vorhanden iſt, weshalb ſie bey dieſen Blumen von dieſem Geſetz abweichen ſollte. Da die innere Seite derſelben den herab- fallenden Regentropfen entgegengeſetzt iſt, und die hineingefall- nen Regentropfen vermoͤge ihrer Schwere zu dem unten im Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen ſtreben: ſo muͤſſen ſie am meiſten durch beſondere Anſtalten gegen das Ein- dringen derſelben verwahrt ſeyn. Ihre Kronenblaͤtter ſind oft in ſchmale Stuͤcke zertheilt. Denn da, wie ſich unten ergeben wird, eine jede Krone ſo groß als moͤglich ſeyn muß, ſo wuͤrde die Krone dieſer Blumen, wenn ſie groß, und dabey ganz waͤre, zu viel Regentropfen empfangen und behalten, welche ſich leicht mit dem Saft vermiſchen koͤnnten. Von dieſen Blumen laͤßt ſich vorzuͤg- lich erwarten, daß ſie ſich bey regnichter Witterung nicht oͤffnen werden. Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch dieſe ſind regulaͤr, und zwar aus eben der Urſache, aus welcher es die erſten ſind. Sie kehren ihre aͤußere Seite den herabfallenden Re- gentropfen zu; die innere iſt denſelben wenig, oder gar nicht bloß- geſtellt, beſonders wenn ſie eine glockenfoͤrmige, oder walzenfoͤr- mige, oder kugelfoͤrmige Geſtalt haben. Und der Saft befindet ſich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzuſteigen die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden. Man darf alſo bey ihnen am wenigſten beſondere Anſtalten zur Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenblaͤtter muͤſ- ſen ganz ſeyn, damit die Regentropfen auf der aͤußern Seite der- ſelben ſitzen bleiben, da ſie im Gegentheil, wenn jene in ſchmale Stuͤcke zertheilt waͤren, leicht auf die innere Seite derſelben und in den Safthalter kommen koͤnnten. Dieſe Blumen haben nicht noͤthig ſich bey regnichtem Wetter zu ſchließen. Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergeſellſchaf- tet iſt, ſo iſt dieſer Umſtand zwar allen Blumen vortheilhaft, ſelbſt denen, welche keinen Saft abſondern. Denn da der Wind die Blumen tuͤchtig ſchuͤttelt, ſo verurſacht er, daß die meiſten auf dieſelben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder den Saft, noch den Staub der Antheren verderben koͤnnen. Den grade aufrechtſtehenden und herabhangenden Blumen aber iſt die- ſer Umſtand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieſes habe ich auf der 25. Kupfertafel vorgeſtellt. In Fig. 4. iſt Ranuncu- lus acris in ſeiner natuͤrlichen aufrechten Stellung abgebildet. Die fuͤnf punktirten Linien ſtellen die Direktion ſo vieler Regen- tropfen vor, welche dieſelben bey einer Windſtille haben. Dieſe Stellung der Blume iſt bey dieſer Direktion der Regentropfen die nachtheiligſte; denn alle fuͤnf Regentropfen fallen in die Blume hinein. In Fig. 5. ſieht man die Stellung der Blume und die Direktion der Regentropfen, welche jene und dieſe von einem maͤßigen Winde erhalten. Dieſe Stellung iſt bey dieſer Di- rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur hoͤch- ſtens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich iſt in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen- tropfen bey dem heftigſten Winde vorgeſtellt. Hier faͤllt kein einzi- ger von den fuͤnf Regentropfen in die Blume hinein, ſondern ſie fal- len alle auf ihre aͤußere Seite, und dieſes iſt die vortheilhafteſte Stellung, welche die Blume bey dieſer Direktion der Regen- tropfen haben kann. In Fig. 9. iſt Campanula rotundifolia in ihrer natuͤrlichen Stellung abgebildet. Dies iſt die vortheilhaf- teſte Stellung, welche dieſe Blume bey einer Windſtille in Anſehung der alsdenn perpeudiculaͤr herabfallenden Regentropfen haben kann. Wehet aber ein Wind, ſo giebt derſelbe, er ſey ſchwach oder ſtark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re- gentropfen herabfallen, eine ungefaͤhr gleiche Richtung, und ſie behaͤlt in Anſehung der Regentropfen immer die vortheil- hafteſte Stellung. In Fig. 6* iſt die Blume in derjenigen Stel- lung abgebildet, welche ſie bey einem maͤßigen Winde hat, und in Fig. 10. in derjenigen, in welche ſie der heftigſte Wind ver- ſetzt. Folglich iſt der Wind, welcher einen Regen begleitet, den grade aufrechtſtehenden Saftblumen dadurch nuͤtzlich, daß er ſie aus der nachtheiligſten Stellung, welche ſie haben, in eine weni- ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den grade herabhangenden leiſtet er den Dienſt, daß er ſie in der vor- theilhafteſten Stellung, welche ſie haben, beſtaͤndig erhaͤlt. Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff- nung ihrer Krone iſt dem Horizont zugekehrt, ihre Roͤhre mag nun entweder auch horizontal ſeyn, oder ſich der Perpendikulaͤr- linie mehr oder weniger naͤhern. Dieſe ſind mehrentheils irregu- laͤr, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen geſichert ſeyn, ſo muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge- ſtaltet und beſchaffen ſeyn, als die untere Denn die Regen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/19
Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/19>, abgerufen am 03.12.2024.