Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.[Spaltenumbruch]
Einleitung. fen werden, wie jene Samenbehältnisse ihre Samenkörner weitfortwerfen. Endlich bezieht sich auf diesen Endzweck die Eigen- schaft, welche viele Blumen haben, sich nur bey schöner Witte- rung zu öffnen, bey regnichtem und trübem Wetter hingegen ver- schlossen zu bleiben. Die mehresten Blumen haben eine bestimmte Stellung. Soll Erstens giebt es grade aufrecht stehende Blumen. Diese sind Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch diese Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergesellschaf- Einleitung. Blumen tüchtig schüttelt, so verursacht er, daß die meisten aufdieselben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder den Saft, noch den Staub der Antheren verderben können. Den grade aufrechtstehenden und herabhangenden Blumen aber ist die- ser Umstand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieses habe ich auf der 25. Kupfertafel vorgestellt. In Fig. 4. ist Ranuncu- lus acris in seiner natürlichen aufrechten Stellung abgebildet. Die fünf punktirten Linien stellen die Direktion so vieler Regen- tropfen vor, welche dieselben bey einer Windstille haben. Diese Stellung der Blume ist bey dieser Direktion der Regentropfen die nachtheiligste; denn alle fünf Regentropfen fallen in die Blume hinein. In Fig. 5. sieht man die Stellung der Blume und die Direktion der Regentropfen, welche jene und diese von einem mäßigen Winde erhalten. Diese Stellung ist bey dieser Di- rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur höch- stens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich ist in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen- tropfen bey dem heftigsten Winde vorgestellt. Hier fällt kein einzi- ger von den fünf Regentropfen in die Blume hinein, sondern sie fal- len alle auf ihre äußere Seite, und dieses ist die vortheilhafteste Stellung, welche die Blume bey dieser Direktion der Regen- tropfen haben kann. In Fig. 9. ist Campanula rotundifolia in ihrer natürlichen Stellung abgebildet. Dies ist die vortheilhaf- teste Stellung, welche diese Blume bey einer Windstille in Ansehung der alsdenn perpeudiculär herabfallenden Regentropfen haben kann. Wehet aber ein Wind, so giebt derselbe, er sey schwach oder stark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re- gentropfen herabfallen, eine ungefähr gleiche Richtung, und sie behält in Ansehung der Regentropfen immer die vortheil- hafteste Stellung. In Fig. 6* ist die Blume in derjenigen Stel- lung abgebildet, welche sie bey einem mäßigen Winde hat, und in Fig. 10. in derjenigen, in welche sie der heftigste Wind ver- setzt. Folglich ist der Wind, welcher einen Regen begleitet, den grade aufrechtstehenden Saftblumen dadurch nützlich, daß er sie aus der nachtheiligsten Stellung, welche sie haben, in eine weni- ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den grade herabhangenden leistet er den Dienst, daß er sie in der vor- theilhaftesten Stellung, welche sie haben, beständig erhält. Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff- [Spaltenumbruch]
Einleitung. fen werden, wie jene Samenbehaͤltniſſe ihre Samenkoͤrner weitfortwerfen. Endlich bezieht ſich auf dieſen Endzweck die Eigen- ſchaft, welche viele Blumen haben, ſich nur bey ſchoͤner Witte- rung zu oͤffnen, bey regnichtem und truͤbem Wetter hingegen ver- ſchloſſen zu bleiben. Die mehreſten Blumen haben eine beſtimmte Stellung. Soll Erſtens giebt es grade aufrecht ſtehende Blumen. Dieſe ſind Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch dieſe Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergeſellſchaf- Einleitung. Blumen tuͤchtig ſchuͤttelt, ſo verurſacht er, daß die meiſten aufdieſelben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder den Saft, noch den Staub der Antheren verderben koͤnnen. Den grade aufrechtſtehenden und herabhangenden Blumen aber iſt die- ſer Umſtand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieſes habe ich auf der 25. Kupfertafel vorgeſtellt. In Fig. 4. iſt Ranuncu- lus acris in ſeiner natuͤrlichen aufrechten Stellung abgebildet. Die fuͤnf punktirten Linien ſtellen die Direktion ſo vieler Regen- tropfen vor, welche dieſelben bey einer Windſtille haben. Dieſe Stellung der Blume iſt bey dieſer Direktion der Regentropfen die nachtheiligſte; denn alle fuͤnf Regentropfen fallen in die Blume hinein. In Fig. 5. ſieht man die Stellung der Blume und die Direktion der Regentropfen, welche jene und dieſe von einem maͤßigen Winde erhalten. Dieſe Stellung iſt bey dieſer Di- rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur hoͤch- ſtens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich iſt in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen- tropfen bey dem heftigſten Winde vorgeſtellt. Hier faͤllt kein einzi- ger von den fuͤnf Regentropfen in die Blume hinein, ſondern ſie fal- len alle auf ihre aͤußere Seite, und dieſes iſt die vortheilhafteſte Stellung, welche die Blume bey dieſer Direktion der Regen- tropfen haben kann. In Fig. 9. iſt Campanula rotundifolia in ihrer natuͤrlichen Stellung abgebildet. Dies iſt die vortheilhaf- teſte Stellung, welche dieſe Blume bey einer Windſtille in Anſehung der alsdenn perpeudiculaͤr herabfallenden Regentropfen haben kann. Wehet aber ein Wind, ſo giebt derſelbe, er ſey ſchwach oder ſtark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re- gentropfen herabfallen, eine ungefaͤhr gleiche Richtung, und ſie behaͤlt in Anſehung der Regentropfen immer die vortheil- hafteſte Stellung. In Fig. 6* iſt die Blume in derjenigen Stel- lung abgebildet, welche ſie bey einem maͤßigen Winde hat, und in Fig. 10. in derjenigen, in welche ſie der heftigſte Wind ver- ſetzt. Folglich iſt der Wind, welcher einen Regen begleitet, den grade aufrechtſtehenden Saftblumen dadurch nuͤtzlich, daß er ſie aus der nachtheiligſten Stellung, welche ſie haben, in eine weni- ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den grade herabhangenden leiſtet er den Dienſt, daß er ſie in der vor- theilhafteſten Stellung, welche ſie haben, beſtaͤndig erhaͤlt. 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Einleitung.
Einleitung.
fen werden, wie jene Samenbehaͤltniſſe ihre Samenkoͤrner weit
fortwerfen. Endlich bezieht ſich auf dieſen Endzweck die Eigen-
ſchaft, welche viele Blumen haben, ſich nur bey ſchoͤner Witte-
rung zu oͤffnen, bey regnichtem und truͤbem Wetter hingegen ver-
ſchloſſen zu bleiben.
Die mehreſten Blumen haben eine beſtimmte Stellung. Soll
nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen geſichert ſeyn,
ſo muß wegen der perpendikulaͤren Direktion der herabfallenden
Regentropfen ihr Bau verſchieden ſeyn, je nachdem ihre Stel-
lung verſchieden iſt.
Erſtens giebt es grade aufrecht ſtehende Blumen. Dieſe ſind
regulaͤr, da die Natur jederzeit die Regularitaͤt der Irregularitaͤt
vorzieht, und, wenigſtens in Ruͤckſicht auf den Regen, keine Ur-
ſache vorhanden iſt, weshalb ſie bey dieſen Blumen von dieſem
Geſetz abweichen ſollte. Da die innere Seite derſelben den herab-
fallenden Regentropfen entgegengeſetzt iſt, und die hineingefall-
nen Regentropfen vermoͤge ihrer Schwere zu dem unten im
Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen ſtreben:
ſo muͤſſen ſie am meiſten durch beſondere Anſtalten gegen das Ein-
dringen derſelben verwahrt ſeyn. Ihre Kronenblaͤtter ſind oft in
ſchmale Stuͤcke zertheilt. Denn da, wie ſich unten ergeben wird,
eine jede Krone ſo groß als moͤglich ſeyn muß, ſo wuͤrde die Krone
dieſer Blumen, wenn ſie groß, und dabey ganz waͤre, zu viel
Regentropfen empfangen und behalten, welche ſich leicht mit dem
Saft vermiſchen koͤnnten. Von dieſen Blumen laͤßt ſich vorzuͤg-
lich erwarten, daß ſie ſich bey regnichter Witterung nicht oͤffnen
werden.
Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch dieſe
ſind regulaͤr, und zwar aus eben der Urſache, aus welcher es die
erſten ſind. Sie kehren ihre aͤußere Seite den herabfallenden Re-
gentropfen zu; die innere iſt denſelben wenig, oder gar nicht bloß-
geſtellt, beſonders wenn ſie eine glockenfoͤrmige, oder walzenfoͤr-
mige, oder kugelfoͤrmige Geſtalt haben. Und der Saft befindet
ſich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzuſteigen
die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden.
Man darf alſo bey ihnen am wenigſten beſondere Anſtalten zur
Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenblaͤtter muͤſ-
ſen ganz ſeyn, damit die Regentropfen auf der aͤußern Seite der-
ſelben ſitzen bleiben, da ſie im Gegentheil, wenn jene in ſchmale
Stuͤcke zertheilt waͤren, leicht auf die innere Seite derſelben und
in den Safthalter kommen koͤnnten. Dieſe Blumen haben nicht
noͤthig ſich bey regnichtem Wetter zu ſchließen.
Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergeſellſchaf-
tet iſt, ſo iſt dieſer Umſtand zwar allen Blumen vortheilhaft, ſelbſt
denen, welche keinen Saft abſondern. Denn da der Wind die
Blumen tuͤchtig ſchuͤttelt, ſo verurſacht er, daß die meiſten auf
dieſelben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder
den Saft, noch den Staub der Antheren verderben koͤnnen. Den
grade aufrechtſtehenden und herabhangenden Blumen aber iſt die-
ſer Umſtand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieſes habe
ich auf der 25. Kupfertafel vorgeſtellt. In Fig. 4. iſt Ranuncu-
lus acris in ſeiner natuͤrlichen aufrechten Stellung abgebildet.
Die fuͤnf punktirten Linien ſtellen die Direktion ſo vieler Regen-
tropfen vor, welche dieſelben bey einer Windſtille haben. Dieſe
Stellung der Blume iſt bey dieſer Direktion der Regentropfen
die nachtheiligſte; denn alle fuͤnf Regentropfen fallen in die Blume
hinein. In Fig. 5. ſieht man die Stellung der Blume und die
Direktion der Regentropfen, welche jene und dieſe von einem
maͤßigen Winde erhalten. Dieſe Stellung iſt bey dieſer Di-
rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur hoͤch-
ſtens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich iſt
in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen-
tropfen bey dem heftigſten Winde vorgeſtellt. Hier faͤllt kein einzi-
ger von den fuͤnf Regentropfen in die Blume hinein, ſondern ſie fal-
len alle auf ihre aͤußere Seite, und dieſes iſt die vortheilhafteſte
Stellung, welche die Blume bey dieſer Direktion der Regen-
tropfen haben kann. In Fig. 9. iſt Campanula rotundifolia in
ihrer natuͤrlichen Stellung abgebildet. Dies iſt die vortheilhaf-
teſte Stellung, welche dieſe Blume bey einer Windſtille in Anſehung
der alsdenn perpeudiculaͤr herabfallenden Regentropfen haben
kann. Wehet aber ein Wind, ſo giebt derſelbe, er ſey ſchwach
oder ſtark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re-
gentropfen herabfallen, eine ungefaͤhr gleiche Richtung, und
ſie behaͤlt in Anſehung der Regentropfen immer die vortheil-
hafteſte Stellung. In Fig. 6* iſt die Blume in derjenigen Stel-
lung abgebildet, welche ſie bey einem maͤßigen Winde hat, und
in Fig. 10. in derjenigen, in welche ſie der heftigſte Wind ver-
ſetzt. Folglich iſt der Wind, welcher einen Regen begleitet, den
grade aufrechtſtehenden Saftblumen dadurch nuͤtzlich, daß er ſie
aus der nachtheiligſten Stellung, welche ſie haben, in eine weni-
ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den
grade herabhangenden leiſtet er den Dienſt, daß er ſie in der vor-
theilhafteſten Stellung, welche ſie haben, beſtaͤndig erhaͤlt.
Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff-
nung ihrer Krone iſt dem Horizont zugekehrt, ihre Roͤhre mag
nun entweder auch horizontal ſeyn, oder ſich der Perpendikulaͤr-
linie mehr oder weniger naͤhern. Dieſe ſind mehrentheils irregu-
laͤr, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen
geſichert ſeyn, ſo muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge-
ſtaltet und beſchaffen ſeyn, als die untere Denn die Regen-
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