Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich weiß schon", bemerkte er; "aber wem muß ich
die Dinger bringen, wem muß ich nachfragen, du gehörst
doch nicht Herrn Sesemann?"

"Nein, aber die Klara, sie hat eine so große Freude,
wenn die Kätzchen kommen!"

Der Thürmer wollte nun weiter gehen, aber Heidi
konnte sich von dem unterhaltenden Schauspiel fast nicht
trennen.

"Wenn ich nur schon eins oder zwei mitnehmen könnte!
Eins für mich und eins für Klara, kann ich nicht?"

"So wart' ein wenig", sagte der Thürmer, trug dann
die alte Katze behutsam in sein Stübchen hinein und stellte
sie an das Eßschüsselchen hin, schloß die Thüre vor ihr zu
und kam zurück: "So, nun nimm zwei!"

Heidi's Augen leuchteten vor Wonne. Er las ein
weißes und dann ein gelb- und weißgestreiftes aus und steckte
eins in die rechte und eins in die linke Tasche. Nun ging's
die Treppe hinunter.

Der Junge saß noch auf den Stufen draußen, und als
nun der Thürmer hinter Heidi die Thüre zugeschlossen hatte,
sagte das Kind: "Welchen Weg müssen wir nun zu Herrn
Sesemann's Haus?"

"Weiß nicht", war die Antwort.

Heidi fing nun an zu beschreiben, was es wußte, die
Hausthür und die Fenster und die Treppen, aber der Junge
schüttelte zu Allem den Kopf, es war ihm Alles unbekannt.

„Ich weiß ſchon“, bemerkte er; „aber wem muß ich
die Dinger bringen, wem muß ich nachfragen, du gehörſt
doch nicht Herrn Seſemann?“

„Nein, aber die Klara, ſie hat eine ſo große Freude,
wenn die Kätzchen kommen!“

Der Thürmer wollte nun weiter gehen, aber Heidi
konnte ſich von dem unterhaltenden Schauſpiel faſt nicht
trennen.

„Wenn ich nur ſchon eins oder zwei mitnehmen könnte!
Eins für mich und eins für Klara, kann ich nicht?“

„So wart' ein wenig“, ſagte der Thürmer, trug dann
die alte Katze behutſam in ſein Stübchen hinein und ſtellte
ſie an das Eßſchüſſelchen hin, ſchloß die Thüre vor ihr zu
und kam zurück: „So, nun nimm zwei!“

Heidi's Augen leuchteten vor Wonne. Er las ein
weißes und dann ein gelb- und weißgeſtreiftes aus und ſteckte
eins in die rechte und eins in die linke Taſche. Nun ging's
die Treppe hinunter.

Der Junge ſaß noch auf den Stufen draußen, und als
nun der Thürmer hinter Heidi die Thüre zugeſchloſſen hatte,
ſagte das Kind: „Welchen Weg müſſen wir nun zu Herrn
Seſemann's Haus?“

„Weiß nicht“, war die Antwort.

Heidi fing nun an zu beſchreiben, was es wußte, die
Hausthür und die Fenſter und die Treppen, aber der Junge
ſchüttelte zu Allem den Kopf, es war ihm Alles unbekannt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0129" n="119"/>
        <p>&#x201E;Ich weiß &#x017F;chon&#x201C;, bemerkte er; &#x201E;aber wem muß ich<lb/>
die Dinger bringen, wem muß ich nachfragen, du gehör&#x017F;t<lb/>
doch nicht Herrn Se&#x017F;emann?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, aber die Klara, &#x017F;ie hat eine &#x017F;o große Freude,<lb/>
wenn die Kätzchen kommen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Thürmer wollte nun weiter gehen, aber Heidi<lb/>
konnte &#x017F;ich von dem unterhaltenden Schau&#x017F;piel fa&#x017F;t nicht<lb/>
trennen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn ich nur &#x017F;chon eins oder zwei mitnehmen könnte!<lb/>
Eins für mich und eins für Klara, kann ich nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So wart' ein wenig&#x201C;, &#x017F;agte der Thürmer, trug dann<lb/>
die alte Katze behut&#x017F;am in &#x017F;ein Stübchen hinein und &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ie an das Eß&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;elchen hin, &#x017F;chloß die Thüre vor ihr zu<lb/>
und kam zurück: &#x201E;So, nun nimm zwei!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Heidi's Augen leuchteten vor Wonne. Er las ein<lb/>
weißes und dann ein gelb- und weißge&#x017F;treiftes aus und &#x017F;teckte<lb/>
eins in die rechte und eins in die linke Ta&#x017F;che. Nun ging's<lb/>
die Treppe hinunter.</p><lb/>
        <p>Der Junge &#x017F;aß noch auf den Stufen draußen, und als<lb/>
nun der Thürmer hinter Heidi die Thüre zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte,<lb/>
&#x017F;agte das Kind: &#x201E;Welchen Weg mü&#x017F;&#x017F;en wir nun zu Herrn<lb/>
Se&#x017F;emann's Haus?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiß nicht&#x201C;, war die Antwort.</p><lb/>
        <p>Heidi fing nun an zu be&#x017F;chreiben, was es wußte, die<lb/>
Hausthür und die Fen&#x017F;ter und die Treppen, aber der Junge<lb/>
&#x017F;chüttelte zu Allem den Kopf, es war ihm Alles unbekannt.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0129] „Ich weiß ſchon“, bemerkte er; „aber wem muß ich die Dinger bringen, wem muß ich nachfragen, du gehörſt doch nicht Herrn Seſemann?“ „Nein, aber die Klara, ſie hat eine ſo große Freude, wenn die Kätzchen kommen!“ Der Thürmer wollte nun weiter gehen, aber Heidi konnte ſich von dem unterhaltenden Schauſpiel faſt nicht trennen. „Wenn ich nur ſchon eins oder zwei mitnehmen könnte! Eins für mich und eins für Klara, kann ich nicht?“ „So wart' ein wenig“, ſagte der Thürmer, trug dann die alte Katze behutſam in ſein Stübchen hinein und ſtellte ſie an das Eßſchüſſelchen hin, ſchloß die Thüre vor ihr zu und kam zurück: „So, nun nimm zwei!“ Heidi's Augen leuchteten vor Wonne. Er las ein weißes und dann ein gelb- und weißgeſtreiftes aus und ſteckte eins in die rechte und eins in die linke Taſche. Nun ging's die Treppe hinunter. Der Junge ſaß noch auf den Stufen draußen, und als nun der Thürmer hinter Heidi die Thüre zugeſchloſſen hatte, ſagte das Kind: „Welchen Weg müſſen wir nun zu Herrn Seſemann's Haus?“ „Weiß nicht“, war die Antwort. Heidi fing nun an zu beſchreiben, was es wußte, die Hausthür und die Fenſter und die Treppen, aber der Junge ſchüttelte zu Allem den Kopf, es war ihm Alles unbekannt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/129
Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/129>, abgerufen am 25.11.2024.