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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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könne er nicht auf sich nehmen, und Klara müsse sich darein
finden, sie sehe ja ein, daß es nicht anders sein könne.

Klara war sehr schmerzlich überrascht von der Mitthei¬
lung und wollte erst allerlei Auswege finden, aber es half
Nichts, der Vater blieb fest bei seinem Entschluß, versprach
aber, im nächsten Jahre mit Klara nach der Schweiz zu
reisen, wenn sie nun recht vernünftig sei und keinen Jammer
erhebe. So ergab sich Klara in das Unvermeidliche, be¬
gehrte aber zum Ersatz, daß der Koffer für Heidi in ihr
Zimmer gebracht und da verpackt werde, damit sie hinein¬
stecken könne, was ihr Freude mache, was der Papa sehr
gern bewilligte, ja er ermunterte Klara noch, dem Kinde
eine schöne Aussteuer zurechtzumachen. Unterdessen war die
Base Dete angelangt und stand in großer Erwartung im
Vorzimmer, denn daß sie um diese ungewöhnliche Zeit ein¬
berufen worden war, mußte etwas Außerordentliches be¬
deuten. Herr Sesemann trat zu ihr heraus und erklärte
ihr, wie es mit Heidi stehe, und daß er wünsche, sie möchte
das Kind sofort, gleich heute noch, nach Hause bringen.
Die Base sah sehr enttäuscht aus, diese Nachricht hatte sie
nicht erwartet. Sie erinnerte sich auch noch recht wohl
der Worte, die ihr der Oehi mit auf den Weg gegeben
hatte, daß sie ihm nie mehr vor die Augen kommen solle,
und so das Kind dem Alten einmal bringen und dann
nehmen und dann wiederbringen, das schien ihr nicht ganz
gerathen zu sein. Sie besann sich also nicht lange, sondern

könne er nicht auf ſich nehmen, und Klara müſſe ſich darein
finden, ſie ſehe ja ein, daß es nicht anders ſein könne.

Klara war ſehr ſchmerzlich überraſcht von der Mitthei¬
lung und wollte erſt allerlei Auswege finden, aber es half
Nichts, der Vater blieb feſt bei ſeinem Entſchluß, verſprach
aber, im nächſten Jahre mit Klara nach der Schweiz zu
reiſen, wenn ſie nun recht vernünftig ſei und keinen Jammer
erhebe. So ergab ſich Klara in das Unvermeidliche, be¬
gehrte aber zum Erſatz, daß der Koffer für Heidi in ihr
Zimmer gebracht und da verpackt werde, damit ſie hinein¬
ſtecken könne, was ihr Freude mache, was der Papa ſehr
gern bewilligte, ja er ermunterte Klara noch, dem Kinde
eine ſchöne Ausſteuer zurechtzumachen. Unterdeſſen war die
Baſe Dete angelangt und ſtand in großer Erwartung im
Vorzimmer, denn daß ſie um dieſe ungewöhnliche Zeit ein¬
berufen worden war, mußte etwas Außerordentliches be¬
deuten. Herr Seſemann trat zu ihr heraus und erklärte
ihr, wie es mit Heidi ſtehe, und daß er wünſche, ſie möchte
das Kind ſofort, gleich heute noch, nach Hauſe bringen.
Die Baſe ſah ſehr enttäuſcht aus, dieſe Nachricht hatte ſie
nicht erwartet. Sie erinnerte ſich auch noch recht wohl
der Worte, die ihr der Oehi mit auf den Weg gegeben
hatte, daß ſie ihm nie mehr vor die Augen kommen ſolle,
und ſo das Kind dem Alten einmal bringen und dann
nehmen und dann wiederbringen, das ſchien ihr nicht ganz
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[196/0206] könne er nicht auf ſich nehmen, und Klara müſſe ſich darein finden, ſie ſehe ja ein, daß es nicht anders ſein könne. Klara war ſehr ſchmerzlich überraſcht von der Mitthei¬ lung und wollte erſt allerlei Auswege finden, aber es half Nichts, der Vater blieb feſt bei ſeinem Entſchluß, verſprach aber, im nächſten Jahre mit Klara nach der Schweiz zu reiſen, wenn ſie nun recht vernünftig ſei und keinen Jammer erhebe. So ergab ſich Klara in das Unvermeidliche, be¬ gehrte aber zum Erſatz, daß der Koffer für Heidi in ihr Zimmer gebracht und da verpackt werde, damit ſie hinein¬ ſtecken könne, was ihr Freude mache, was der Papa ſehr gern bewilligte, ja er ermunterte Klara noch, dem Kinde eine ſchöne Ausſteuer zurechtzumachen. Unterdeſſen war die Baſe Dete angelangt und ſtand in großer Erwartung im Vorzimmer, denn daß ſie um dieſe ungewöhnliche Zeit ein¬ berufen worden war, mußte etwas Außerordentliches be¬ deuten. Herr Seſemann trat zu ihr heraus und erklärte ihr, wie es mit Heidi ſtehe, und daß er wünſche, ſie möchte das Kind ſofort, gleich heute noch, nach Hauſe bringen. Die Baſe ſah ſehr enttäuſcht aus, dieſe Nachricht hatte ſie nicht erwartet. Sie erinnerte ſich auch noch recht wohl der Worte, die ihr der Oehi mit auf den Weg gegeben hatte, daß ſie ihm nie mehr vor die Augen kommen ſolle, und ſo das Kind dem Alten einmal bringen und dann nehmen und dann wiederbringen, das ſchien ihr nicht ganz gerathen zu ſein. Sie beſann ſich alſo nicht lange, ſondern

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/206>, abgerufen am 23.11.2024.