Heidi war außer sich vor Freude, alle die alten Ge¬ fährten wieder zu haben, es umarmte das kleine, zärtliche Schneehöppli wieder und wieder und streichelte den stürmi¬ schen Distelfink und wurde vor großer Liebe und Zutrau¬ lichkeit der Gaißen hin- und hergedrängt und geschoben, bis es nun ganz in Peter's Nähe kam, der noch immer auf demselben Platze stand.
"Komm' herunter, Peter, und sag' mir einmal guten Abend!" rief ihm Heidi jetzt zu.
"Bist denn wieder da?" brachte er nun endlich in seinem Erstaunen heraus, und nun kam er herzu und nahm Heidi's Hand, die dieses ihm schon lange hingehalten hatte, und nun fragte er, so wie er immer gethan hatte bei der Heimkehr am Abend: "Kommst morgen wieder mit?"
"Nein, morgen nicht, aber übermorgen vielleicht, denn morgen muß ich zur Großmutter."
"Es ist recht, daß du wieder da bist", sagte der Peter, und verzog sein Gesicht auf alle Seiten vor ungeheuerem Vergnügen, dann schickte er sich zur Heimfahrt an; aber heute wurde es ihm so schwer wie noch nie mit seinen Gaißen, denn als er sie endlich mit Locken und Drohen so weit gebracht hatte, daß sie sich um ihn sammelten, und Heidi, den einen Arm um Schwänli's, und den andern um Bärli's Kopf gelegt, davonspazierte, da kehrten mit einem Mal alle wieder um und liefen den dreien nach. Heidi mußte mit seinen zwei Gaißen in den Stall eintreten und
Heidi war außer ſich vor Freude, alle die alten Ge¬ fährten wieder zu haben, es umarmte das kleine, zärtliche Schneehöppli wieder und wieder und ſtreichelte den ſtürmi¬ ſchen Diſtelfink und wurde vor großer Liebe und Zutrau¬ lichkeit der Gaißen hin- und hergedrängt und geſchoben, bis es nun ganz in Peter's Nähe kam, der noch immer auf demſelben Platze ſtand.
„Komm' herunter, Peter, und ſag' mir einmal guten Abend!“ rief ihm Heidi jetzt zu.
„Biſt denn wieder da?“ brachte er nun endlich in ſeinem Erſtaunen heraus, und nun kam er herzu und nahm Heidi's Hand, die dieſes ihm ſchon lange hingehalten hatte, und nun fragte er, ſo wie er immer gethan hatte bei der Heimkehr am Abend: „Kommſt morgen wieder mit?“
„Nein, morgen nicht, aber übermorgen vielleicht, denn morgen muß ich zur Großmutter.“
„Es iſt recht, daß du wieder da biſt“, ſagte der Peter, und verzog ſein Geſicht auf alle Seiten vor ungeheuerem Vergnügen, dann ſchickte er ſich zur Heimfahrt an; aber heute wurde es ihm ſo ſchwer wie noch nie mit ſeinen Gaißen, denn als er ſie endlich mit Locken und Drohen ſo weit gebracht hatte, daß ſie ſich um ihn ſammelten, und Heidi, den einen Arm um Schwänli's, und den andern um Bärli's Kopf gelegt, davonſpazierte, da kehrten mit einem Mal alle wieder um und liefen den dreien nach. Heidi mußte mit ſeinen zwei Gaißen in den Stall eintreten und
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Heidi war außer ſich vor Freude, alle die alten Ge¬
fährten wieder zu haben, es umarmte das kleine, zärtliche
Schneehöppli wieder und wieder und ſtreichelte den ſtürmi¬
ſchen Diſtelfink und wurde vor großer Liebe und Zutrau¬
lichkeit der Gaißen hin- und hergedrängt und geſchoben, bis
es nun ganz in Peter's Nähe kam, der noch immer auf
demſelben Platze ſtand.
„Komm' herunter, Peter, und ſag' mir einmal guten
Abend!“ rief ihm Heidi jetzt zu.
„Biſt denn wieder da?“ brachte er nun endlich in ſeinem
Erſtaunen heraus, und nun kam er herzu und nahm Heidi's
Hand, die dieſes ihm ſchon lange hingehalten hatte, und nun
fragte er, ſo wie er immer gethan hatte bei der Heimkehr
am Abend: „Kommſt morgen wieder mit?“
„Nein, morgen nicht, aber übermorgen vielleicht, denn
morgen muß ich zur Großmutter.“
„Es iſt recht, daß du wieder da biſt“, ſagte der Peter,
und verzog ſein Geſicht auf alle Seiten vor ungeheuerem
Vergnügen, dann ſchickte er ſich zur Heimfahrt an; aber
heute wurde es ihm ſo ſchwer wie noch nie mit ſeinen
Gaißen, denn als er ſie endlich mit Locken und Drohen ſo
weit gebracht hatte, daß ſie ſich um ihn ſammelten, und
Heidi, den einen Arm um Schwänli's, und den andern um
Bärli's Kopf gelegt, davonſpazierte, da kehrten mit einem
Mal alle wieder um und liefen den dreien nach. Heidi
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/227>, abgerufen am 17.02.2025.
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