pst_105.001 die Götter geschaffen. Doch dieses Schaffen der pst_105.002 Götter ist nur ein Teil seiner allgemeineren Leistung, pst_105.003 daß er weithin die leuchtende Sichtbarkeit des Lebens pst_105.004 erschlossen hat.
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Um zu sehen, bedarf es des Lichts. Im Licht, das die pst_105.006 epische Rede, das eigentlich "apophantische" Wort, verbreitet, pst_105.007 steht der Olymp und das menschliche Reich in pst_105.008 klar gezogenen Umrissen da. Im Licht zu leben, ist pst_105.009 darum auch das höchste Glück des homerischen Menschen. pst_105.010 Zeus ist der Gott der größten Helle, im wörtlichen pst_105.011 und übertragenen Sinn. Die Helle der Berghöhe pst_105.012 ist um ihn, und Helle auch insofern, als kein Geheimnis pst_105.013 mehr seine Erscheinung umwittert. Man mag darin immerhin pst_105.014 einen Verlust an magischer Mächtigkeit beklagen. pst_105.015 Der Epiker gibt sie gerne preis und lüftet den pst_105.016 Schleier des Heiligen immer wieder, der Sichtbarkeit pst_105.017 zulieb. Die Sonne wird so zum Licht des vielberufenen pst_105.018 homerischen Rationalismus. Die Helle Homers ist Aufklärung, pst_105.019 als solche nüchtern, aber stark, gesund, dauerhaft pst_105.020 und bestimmt. Freilich wird sie erkauft mit unüberwindlicher pst_105.021 Scheu vor der Nacht und dem Tod. Fällt ein pst_105.022 Held im Kampf, so lesen wir die stereotype Formel:
pst_105.023
"Schreiend brach er ins Knie, vom Schleier des Todespst_105.024 beschattet"
pst_105.025
oder:
pst_105.026
"jenem umflortepst_105.027 Gleich die Augen der nächtige Tod und das mächtigepst_105.028 Schicksal."
pst_105.029
Das lyrische Dasein kennt ein solches Grauen vor dem pst_105.030 Dunkel, vor dem Tod, wo die Augen sich schließen,
pst_105.001 die Götter geschaffen. Doch dieses Schaffen der pst_105.002 Götter ist nur ein Teil seiner allgemeineren Leistung, pst_105.003 daß er weithin die leuchtende Sichtbarkeit des Lebens pst_105.004 erschlossen hat.
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Um zu sehen, bedarf es des Lichts. Im Licht, das die pst_105.006 epische Rede, das eigentlich «apophantische» Wort, verbreitet, pst_105.007 steht der Olymp und das menschliche Reich in pst_105.008 klar gezogenen Umrissen da. Im Licht zu leben, ist pst_105.009 darum auch das höchste Glück des homerischen Menschen. pst_105.010 Zeus ist der Gott der größten Helle, im wörtlichen pst_105.011 und übertragenen Sinn. Die Helle der Berghöhe pst_105.012 ist um ihn, und Helle auch insofern, als kein Geheimnis pst_105.013 mehr seine Erscheinung umwittert. Man mag darin immerhin pst_105.014 einen Verlust an magischer Mächtigkeit beklagen. pst_105.015 Der Epiker gibt sie gerne preis und lüftet den pst_105.016 Schleier des Heiligen immer wieder, der Sichtbarkeit pst_105.017 zulieb. Die Sonne wird so zum Licht des vielberufenen pst_105.018 homerischen Rationalismus. Die Helle Homers ist Aufklärung, pst_105.019 als solche nüchtern, aber stark, gesund, dauerhaft pst_105.020 und bestimmt. Freilich wird sie erkauft mit unüberwindlicher pst_105.021 Scheu vor der Nacht und dem Tod. Fällt ein pst_105.022 Held im Kampf, so lesen wir die stereotype Formel:
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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/109>, abgerufen am 16.02.2025.
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