Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_144.001 Von einer Geschichte des Epos kann nach alledem nur pst_144.017 pst_144.001 Von einer Geschichte des Epos kann nach alledem nur pst_144.017 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="144"/><lb n="pst_144.001"/> der Schrift legt es nahe. Sie fordert geradezu auf, den <lb n="pst_144.002"/> Dingen in erleichterter Übersicht eine neue Seite abzugewinnen. <lb n="pst_144.003"/> So ist Homer zugleich das Ende der mündlichen <lb n="pst_144.004"/> und der epischen Welt. Nur Völkern, die nichts <lb n="pst_144.005"/> von ihm wissen, wenn sie ins Licht der Geschichte treten, <lb n="pst_144.006"/> gelingt noch epische Dichtung nach Homer. Wir <lb n="pst_144.007"/> haben von ihnen nicht zu reden, da alles Historische <lb n="pst_144.008"/> hier allein zur Erläuterung des Systematischen dient. <lb n="pst_144.009"/> Wir haben auch nicht zu untersuchen, warum das Epische <lb n="pst_144.010"/> nirgends zu so großer Blüte gelangt wie in Hellas. <lb n="pst_144.011"/> Wir halten uns an den Größten, der denn doch einzig <lb n="pst_144.012"/> den Namen «Vater» verdient, und streifen in der Geschichte <lb n="pst_144.013"/> des Epos nur einige Hauptkapitel, die auf Homer <lb n="pst_144.014"/> bezogen und geeignet sind, das Wesen seiner Dichtung <lb n="pst_144.015"/> noch besser zu beleuchten.</p> <lb n="pst_144.016"/> <p> Von einer Geschichte des Epos kann nach alledem nur <lb n="pst_144.017"/> die Rede sein, sofern der Begriff poetische Werke bezeichnet, <lb n="pst_144.018"/> die äußerlich, nach der Weise ihres Vortrags, <lb n="pst_144.019"/> als Epen gelten, Erzählungen also von größerem Umfang, <lb n="pst_144.020"/> die in Versen gehalten sind. Epen in diesem Sinne <lb n="pst_144.021"/> entstehen auch nach Homer in großer Zahl. Was einfache <lb n="pst_144.022"/> Nachahmung homerischen Dichtens ist, lassen <lb n="pst_144.023"/> wir außer acht. Von Nachahmung aber und nicht von <lb n="pst_144.024"/> Weiterarbeit an der epischen Reihe müssen wir sprechen, <lb n="pst_144.025"/> sobald die Naivität des epischen Daseins zerstört <lb n="pst_144.026"/> ist. Das sichtbarste Dokument solcher Zerstörung ist die <lb n="pst_144.027"/> Kritik des Xenophanes, der gegen das Ende des sechsten <lb n="pst_144.028"/> Jahrhunderts in Hexametern, also selbst noch befangen <lb n="pst_144.029"/> in der Sprache Homers, gegen die Götterlehre und die <lb n="pst_144.030"/> Moral der homerischen Dichtung eifert. In seinen «Sillen» <lb n="pst_144.031"/> stehen die Sätze:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0148]
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der Schrift legt es nahe. Sie fordert geradezu auf, den pst_144.002
Dingen in erleichterter Übersicht eine neue Seite abzugewinnen. pst_144.003
So ist Homer zugleich das Ende der mündlichen pst_144.004
und der epischen Welt. Nur Völkern, die nichts pst_144.005
von ihm wissen, wenn sie ins Licht der Geschichte treten, pst_144.006
gelingt noch epische Dichtung nach Homer. Wir pst_144.007
haben von ihnen nicht zu reden, da alles Historische pst_144.008
hier allein zur Erläuterung des Systematischen dient. pst_144.009
Wir haben auch nicht zu untersuchen, warum das Epische pst_144.010
nirgends zu so großer Blüte gelangt wie in Hellas. pst_144.011
Wir halten uns an den Größten, der denn doch einzig pst_144.012
den Namen «Vater» verdient, und streifen in der Geschichte pst_144.013
des Epos nur einige Hauptkapitel, die auf Homer pst_144.014
bezogen und geeignet sind, das Wesen seiner Dichtung pst_144.015
noch besser zu beleuchten.
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Von einer Geschichte des Epos kann nach alledem nur pst_144.017
die Rede sein, sofern der Begriff poetische Werke bezeichnet, pst_144.018
die äußerlich, nach der Weise ihres Vortrags, pst_144.019
als Epen gelten, Erzählungen also von größerem Umfang, pst_144.020
die in Versen gehalten sind. Epen in diesem Sinne pst_144.021
entstehen auch nach Homer in großer Zahl. Was einfache pst_144.022
Nachahmung homerischen Dichtens ist, lassen pst_144.023
wir außer acht. Von Nachahmung aber und nicht von pst_144.024
Weiterarbeit an der epischen Reihe müssen wir sprechen, pst_144.025
sobald die Naivität des epischen Daseins zerstört pst_144.026
ist. Das sichtbarste Dokument solcher Zerstörung ist die pst_144.027
Kritik des Xenophanes, der gegen das Ende des sechsten pst_144.028
Jahrhunderts in Hexametern, also selbst noch befangen pst_144.029
in der Sprache Homers, gegen die Götterlehre und die pst_144.030
Moral der homerischen Dichtung eifert. In seinen «Sillen» pst_144.031
stehen die Sätze:
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