Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_203.001 Homburg ist voreilig. Jedermann sieht das. Aber pst_203.017 pst_203.001 Homburg ist voreilig. Jedermann sieht das. Aber pst_203.017 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0207" n="203"/><lb n="pst_203.001"/> ist. So mißachtet der Prinz von Homburg, gebannt <lb n="pst_203.002"/> wie er ist von seinem Ziel, die Ordre des Feldmarschalls, <lb n="pst_203.003"/> überhört die Warnung des Kurfürsten, übersieht die <lb n="pst_203.004"/> Lage des Brückenkopfs am Rhyn. So mißachtet Wallenstein <lb n="pst_203.005"/> im Vertrauen auf seine Sterne die Fragwürdigkeit <lb n="pst_203.006"/> seiner nächsten Umgebung und ist, wie es heißt, mit <lb n="pst_203.007"/> sehenden Augen blind. Aus dem, was beide übersehen, <lb n="pst_203.008"/> ersteht die wesentliche Gefahr. Das Urteil des Kurfürsten <lb n="pst_203.009"/> vernichtet Homburgs Idee der Harmonie des Lebens, <lb n="pst_203.010"/> die prästabiliert schien für sein Ich, vernichtet <lb n="pst_203.011"/> seine romantische Welt. Oktavios Verrat zerstört die <lb n="pst_203.012"/> mit der größten Umsicht angestellte Berechnung, in der <lb n="pst_203.013"/> doch Wallenstein alle Faktoren von der Stimmung der <lb n="pst_203.014"/> Soldaten bis hinauf zu Jupiters strahlendem «Ja!» beachtet <lb n="pst_203.015"/> zu haben glaubte.</p> <lb n="pst_203.016"/> <p> Homburg ist voreilig. Jedermann sieht das. Aber <lb n="pst_203.017"/> Wallenstein, obwohl er als Zauderer auftritt, ist es auch. <lb n="pst_203.018"/> Denn Vor-eiligkeit charakterisiert jede menschliche <lb n="pst_203.019"/> universale Idee. Der Geist eilt vor zum Letzten über die <lb n="pst_203.020"/> unerschöpfliche Fülle der lebendigen Möglichkeiten hinaus. <lb n="pst_203.021"/> Er blendet ab, was außerhalb des Sinnes liegt, auf <lb n="pst_203.022"/> den es ihm ankommt. So schwingt sich die Theodizee <lb n="pst_203.023"/> zur Idee der besten der möglichen Welten auf und <lb n="pst_203.024"/> nimmt das Leid und das Übel nicht ernst. So setzt sich <lb n="pst_203.025"/> der Leidenschaftliche über die Forderung der Gesellschaft <lb n="pst_203.026"/> hinweg, während umgekehrt der gute Bürger die <lb n="pst_203.027"/> Sprache einer alles verzehrenden Leidenschaft verkennt. <lb n="pst_203.028"/> Kein Gott, auf den ein Mensch sein Dasein ausrichten <lb n="pst_203.029"/> mag, ist so weit und so groß, daß nicht andere <lb n="pst_203.030"/> Götter ausgeschlossen, andere verraten werden müßten. <lb n="pst_203.031"/> Die Welt der Antike schließt sich ab, indem sie die Innerlichkeit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0207]
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ist. So mißachtet der Prinz von Homburg, gebannt pst_203.002
wie er ist von seinem Ziel, die Ordre des Feldmarschalls, pst_203.003
überhört die Warnung des Kurfürsten, übersieht die pst_203.004
Lage des Brückenkopfs am Rhyn. So mißachtet Wallenstein pst_203.005
im Vertrauen auf seine Sterne die Fragwürdigkeit pst_203.006
seiner nächsten Umgebung und ist, wie es heißt, mit pst_203.007
sehenden Augen blind. Aus dem, was beide übersehen, pst_203.008
ersteht die wesentliche Gefahr. Das Urteil des Kurfürsten pst_203.009
vernichtet Homburgs Idee der Harmonie des Lebens, pst_203.010
die prästabiliert schien für sein Ich, vernichtet pst_203.011
seine romantische Welt. Oktavios Verrat zerstört die pst_203.012
mit der größten Umsicht angestellte Berechnung, in der pst_203.013
doch Wallenstein alle Faktoren von der Stimmung der pst_203.014
Soldaten bis hinauf zu Jupiters strahlendem «Ja!» beachtet pst_203.015
zu haben glaubte.
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Homburg ist voreilig. Jedermann sieht das. Aber pst_203.017
Wallenstein, obwohl er als Zauderer auftritt, ist es auch. pst_203.018
Denn Vor-eiligkeit charakterisiert jede menschliche pst_203.019
universale Idee. Der Geist eilt vor zum Letzten über die pst_203.020
unerschöpfliche Fülle der lebendigen Möglichkeiten hinaus. pst_203.021
Er blendet ab, was außerhalb des Sinnes liegt, auf pst_203.022
den es ihm ankommt. So schwingt sich die Theodizee pst_203.023
zur Idee der besten der möglichen Welten auf und pst_203.024
nimmt das Leid und das Übel nicht ernst. So setzt sich pst_203.025
der Leidenschaftliche über die Forderung der Gesellschaft pst_203.026
hinweg, während umgekehrt der gute Bürger die pst_203.027
Sprache einer alles verzehrenden Leidenschaft verkennt. pst_203.028
Kein Gott, auf den ein Mensch sein Dasein ausrichten pst_203.029
mag, ist so weit und so groß, daß nicht andere pst_203.030
Götter ausgeschlossen, andere verraten werden müßten. pst_203.031
Die Welt der Antike schließt sich ab, indem sie die Innerlichkeit
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