Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_213.001 pst_213.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="213"/><lb n="pst_213.001"/> das dumpfe Gefühl der Furcht entwirft. Wenn im <lb n="pst_213.002"/> «Sommernachtstraum» auf einmal Zettels Eselskopf erscheint, <lb n="pst_213.003"/> so haben wir überhaupt nichts gedacht, sondern <lb n="pst_213.004"/> bänglich-romantische Waldesstimmung findet sich unverhofft <lb n="pst_213.005"/> der prallsten Körperlichkeit gegenüber. Ja, der <lb n="pst_213.006"/> Hinblick auf den Zusammenhang eines organischen <lb n="pst_213.007"/> Ganzen, für den der Wanst und Phallos komisch wird, <lb n="pst_213.008"/> ist eine entwerfende <hi rendition="#g">Anschauung.</hi> Gelächter aber entsteht <lb n="pst_213.009"/> bei jeder Art von Entwurf, die sich als ungemäß <lb n="pst_213.010"/> erweist, als ungemäß im Sinne einer zu weiten Spannung. <lb n="pst_213.011"/> Wir werden entspannt von dem, was, allgemeiner <lb n="pst_213.012"/> als Schopenhauer es ausdrückt, das höhere Wesen <lb n="pst_213.013"/> des Menschen ausmacht, von der synthetischen Anstrengung, <lb n="pst_213.014"/> die nach dem Schema «Voraussein» und <lb n="pst_213.015"/> «Zurückkommen auf ...» jedwede Erfahrung, jede Erkenntnis <lb n="pst_213.016"/> erst ermöglicht. Nicht immer sinken wir dabei <lb n="pst_213.017"/> gleich bis zum Tierischen herab. Aus dem Rahmen des <lb n="pst_213.018"/> Erhabenen fällt schon das Alltägliche oder Nüchterne <lb n="pst_213.019"/> heraus und ist lächerlich, so etwa bei Keller aus Viggi <lb n="pst_213.020"/> Störtelers hochgeschraubten Liebesbriefen die Nachschrift <lb n="pst_213.021"/> mit dem Kleinkram des Ladens, der sich in <lb n="pst_213.022"/> einem schlichten kaufmännischen Brief nicht lächerlich <lb n="pst_213.023"/> ausnähme. Vom Alltag mag es dann weiter hinab zum <lb n="pst_213.024"/> Naiven oder Unflätigen gehen. Wesentlich ist nur, daß <lb n="pst_213.025"/> das Faktische einen geringeren Aufwand an Spannkraft <lb n="pst_213.026"/> erfordert als das Entworfene, daß dieselbe Anstrengung, <lb n="pst_213.027"/> die einen Entwurf zu bewähren sucht, sich plötzlich als <lb n="pst_213.028"/> übersetzt erweist. Bei dem Namen John Kabys-Häuptle <lb n="pst_213.029"/> schalten wir von dem angelsächsischen Nimbus auf ein <lb n="pst_213.030"/> wohlbekanntes strotzendes Gewächs unseres Gartens <lb n="pst_213.031"/> um. Bei Shakespeares Pompeius Steiß erfolgt der Umschlag </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0217]
pst_213.001
das dumpfe Gefühl der Furcht entwirft. Wenn im pst_213.002
«Sommernachtstraum» auf einmal Zettels Eselskopf erscheint, pst_213.003
so haben wir überhaupt nichts gedacht, sondern pst_213.004
bänglich-romantische Waldesstimmung findet sich unverhofft pst_213.005
der prallsten Körperlichkeit gegenüber. Ja, der pst_213.006
Hinblick auf den Zusammenhang eines organischen pst_213.007
Ganzen, für den der Wanst und Phallos komisch wird, pst_213.008
ist eine entwerfende Anschauung. Gelächter aber entsteht pst_213.009
bei jeder Art von Entwurf, die sich als ungemäß pst_213.010
erweist, als ungemäß im Sinne einer zu weiten Spannung. pst_213.011
Wir werden entspannt von dem, was, allgemeiner pst_213.012
als Schopenhauer es ausdrückt, das höhere Wesen pst_213.013
des Menschen ausmacht, von der synthetischen Anstrengung, pst_213.014
die nach dem Schema «Voraussein» und pst_213.015
«Zurückkommen auf ...» jedwede Erfahrung, jede Erkenntnis pst_213.016
erst ermöglicht. Nicht immer sinken wir dabei pst_213.017
gleich bis zum Tierischen herab. Aus dem Rahmen des pst_213.018
Erhabenen fällt schon das Alltägliche oder Nüchterne pst_213.019
heraus und ist lächerlich, so etwa bei Keller aus Viggi pst_213.020
Störtelers hochgeschraubten Liebesbriefen die Nachschrift pst_213.021
mit dem Kleinkram des Ladens, der sich in pst_213.022
einem schlichten kaufmännischen Brief nicht lächerlich pst_213.023
ausnähme. Vom Alltag mag es dann weiter hinab zum pst_213.024
Naiven oder Unflätigen gehen. Wesentlich ist nur, daß pst_213.025
das Faktische einen geringeren Aufwand an Spannkraft pst_213.026
erfordert als das Entworfene, daß dieselbe Anstrengung, pst_213.027
die einen Entwurf zu bewähren sucht, sich plötzlich als pst_213.028
übersetzt erweist. Bei dem Namen John Kabys-Häuptle pst_213.029
schalten wir von dem angelsächsischen Nimbus auf ein pst_213.030
wohlbekanntes strotzendes Gewächs unseres Gartens pst_213.031
um. Bei Shakespeares Pompeius Steiß erfolgt der Umschlag
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |