Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_214.001 Es ist nicht immer leicht, die Beispiele komischer pst_214.005 pst_214.001 Es ist nicht immer leicht, die Beispiele komischer pst_214.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0218" n="214"/><lb n="pst_214.001"/> gleich von römischer Größe zum würdelosesten <lb n="pst_214.002"/> Körperteil, auf dem denn aber doch jeder, wie er sich <lb n="pst_214.003"/> auch gebärde, sitzen muß.</p> <lb n="pst_214.004"/> <p> Es ist nicht immer leicht, die Beispiele komischer <lb n="pst_214.005"/> Wirkung zu analysieren, und oft genug wehrt sich etwas <lb n="pst_214.006"/> im Menschen gegen das Phänomen und die Deutung. <lb n="pst_214.007"/> Immer gilt es zu fragen, wovon und wohinein das <lb n="pst_214.008"/> Gelächter entspannt. Eine bescheidene Fallhöhe weist <lb n="pst_214.009"/> die Komödie des Rationalismus auf. Als Held tritt der <lb n="pst_214.010"/> eingebildete Kranke, der Hypochondrist, der Geizige <lb n="pst_214.011"/> auf, das heißt ein Mensch, der andern und sich selber <lb n="pst_214.012"/> das Leben unnötig schwer macht. Tellheims sublimer <lb n="pst_214.013"/> Ehrbegriff in «Minna von Barnhelm» stellt eine letzte, <lb n="pst_214.014"/> schon sehr verfeinerte Spielart dar. Hier geht das Gelächter <lb n="pst_214.015"/> aus von einem irgendwie übersteigerten Ernst <lb n="pst_214.016"/> und endet in der Gewißheit eines selbstverständlichvernünftigen <lb n="pst_214.017"/> Lebens, das keiner Anstrengung bedarf, <lb n="pst_214.018"/> um richtig und angenehm zu sein, also noch nicht in <lb n="pst_214.019"/> Niederungen, sondern auf der Ebene, die dem anmutsvollen <lb n="pst_214.020"/> Alltag einer guten Gesellschaft als Aufenthalt <lb n="pst_214.021"/> dient. Von dieser Ebene aber geht nun etwa das Lachen <lb n="pst_214.022"/> in Goethes Farce «Götter, Helden und Wieland» aus, <lb n="pst_214.023"/> um bei der derben Fraglosigkeit von Herakles' Vitalität <lb n="pst_214.024"/> zu enden. Auch hier ist die Fallhöhe nicht sehr groß. <lb n="pst_214.025"/> Sie reicht zwar bis zu den Gründen der elementaren <lb n="pst_214.026"/> Sinnlichkeit hinab (die Goethe freilich nur schonend <lb n="pst_214.027"/> aufdeckt), aber sie setzt nicht sehr hoch an. Von der <lb n="pst_214.028"/> Höhe pompösesten Anspruchs bis zu viehischer Unflätigkeit <lb n="pst_214.029"/> entspannt die Komödie des deutschen Barock, <lb n="pst_214.030"/> «Horribilicribrifax» zum Beispiel, vor dem wir Heutige <lb n="pst_214.031"/> fast erschrecken, aber auch die antike Komödie – ich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0218]
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gleich von römischer Größe zum würdelosesten pst_214.002
Körperteil, auf dem denn aber doch jeder, wie er sich pst_214.003
auch gebärde, sitzen muß.
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Es ist nicht immer leicht, die Beispiele komischer pst_214.005
Wirkung zu analysieren, und oft genug wehrt sich etwas pst_214.006
im Menschen gegen das Phänomen und die Deutung. pst_214.007
Immer gilt es zu fragen, wovon und wohinein das pst_214.008
Gelächter entspannt. Eine bescheidene Fallhöhe weist pst_214.009
die Komödie des Rationalismus auf. Als Held tritt der pst_214.010
eingebildete Kranke, der Hypochondrist, der Geizige pst_214.011
auf, das heißt ein Mensch, der andern und sich selber pst_214.012
das Leben unnötig schwer macht. Tellheims sublimer pst_214.013
Ehrbegriff in «Minna von Barnhelm» stellt eine letzte, pst_214.014
schon sehr verfeinerte Spielart dar. Hier geht das Gelächter pst_214.015
aus von einem irgendwie übersteigerten Ernst pst_214.016
und endet in der Gewißheit eines selbstverständlichvernünftigen pst_214.017
Lebens, das keiner Anstrengung bedarf, pst_214.018
um richtig und angenehm zu sein, also noch nicht in pst_214.019
Niederungen, sondern auf der Ebene, die dem anmutsvollen pst_214.020
Alltag einer guten Gesellschaft als Aufenthalt pst_214.021
dient. Von dieser Ebene aber geht nun etwa das Lachen pst_214.022
in Goethes Farce «Götter, Helden und Wieland» aus, pst_214.023
um bei der derben Fraglosigkeit von Herakles' Vitalität pst_214.024
zu enden. Auch hier ist die Fallhöhe nicht sehr groß. pst_214.025
Sie reicht zwar bis zu den Gründen der elementaren pst_214.026
Sinnlichkeit hinab (die Goethe freilich nur schonend pst_214.027
aufdeckt), aber sie setzt nicht sehr hoch an. Von der pst_214.028
Höhe pompösesten Anspruchs bis zu viehischer Unflätigkeit pst_214.029
entspannt die Komödie des deutschen Barock, pst_214.030
«Horribilicribrifax» zum Beispiel, vor dem wir Heutige pst_214.031
fast erschrecken, aber auch die antike Komödie – ich
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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