pst_226.001 erwachsenen Mann ein Wort entfahren, das einen Gegenstand pst_226.002 feststellt, als sähe er ihn zum erstenmal, mit pst_226.003 dem Glück, mit der Ursprünglichkeit des Knaben. Und pst_226.004 im Affekt bricht, ohne zu bedeuten, der "Schrei der pst_226.005 Empfindung" los, der einer noch nicht diskursiven Möglichkeit pst_226.006 der Verständigung angehört.
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Sollte es noch befremden, wenn die Folge lyrisch - pst_226.008 episch - dramatisch in diese Zusammenhänge gerückt pst_226.009 wird? Längst ist uns deutlich geworden, daß die Gattungen pst_226.010 sich auf etwas beziehen, das nicht nur zur Literatur pst_226.011 gehört. Jetzt sehen wir klar, wie es damit bestellt pst_226.012 ist. Die Begriffe lyrisch, episch, dramatisch sind literaturwissenschaftliche pst_226.013 Namen für fundamentale Möglichkeiten pst_226.014 des menschlichen Daseins überhaupt, und Lyrik, pst_226.015 Epos und Drama gibt es nur, weil die Bereiche des Emotionalen, pst_226.016 des Bildlichen und des Logischen das Wesen pst_226.017 des Menschen konstituieren, als Einheit sowohl wie als pst_226.018 Folge, worin sich Kindheit, Jugend und Reife teilen.
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Doch dies bedarf der Erläuterung. Cassirer deutet den pst_226.020 Weg vom Emotionalen zum Bildlichen und zum Logischen pst_226.021 als fortschreitende Objektivierung, in der sich erst pst_226.022 so etwas wie eine gültige Gegenständlichkeit bildet. Darauf pst_226.023 sind wir vorbereitet durch die Kategorie des Abstands. pst_226.024 In lyrischem Sein ist noch kein Abstand eines pst_226.025 Subjekts von einem Objekt. Das Ich schwimmt im Vergänglichen pst_226.026 mit. Im Epischen bildet sich das Gegenüber pst_226.027 einer Perspektive. Im Akt des Anschauens festigt pst_226.028 sich der Gegenstand und zugleich das Ich, das diesen pst_226.029 Gegenstand betrachtet. Doch Ich und Gegenstand sind pst_226.030 im Sich-zeigen und Schauen noch aneinander gebunden. pst_226.031 Eines entsteht und bewährt sich am andern. Im
pst_226.001 erwachsenen Mann ein Wort entfahren, das einen Gegenstand pst_226.002 feststellt, als sähe er ihn zum erstenmal, mit pst_226.003 dem Glück, mit der Ursprünglichkeit des Knaben. Und pst_226.004 im Affekt bricht, ohne zu bedeuten, der «Schrei der pst_226.005 Empfindung» los, der einer noch nicht diskursiven Möglichkeit pst_226.006 der Verständigung angehört.
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Sollte es noch befremden, wenn die Folge lyrisch – pst_226.008 episch – dramatisch in diese Zusammenhänge gerückt pst_226.009 wird? Längst ist uns deutlich geworden, daß die Gattungen pst_226.010 sich auf etwas beziehen, das nicht nur zur Literatur pst_226.011 gehört. Jetzt sehen wir klar, wie es damit bestellt pst_226.012 ist. Die Begriffe lyrisch, episch, dramatisch sind literaturwissenschaftliche pst_226.013 Namen für fundamentale Möglichkeiten pst_226.014 des menschlichen Daseins überhaupt, und Lyrik, pst_226.015 Epos und Drama gibt es nur, weil die Bereiche des Emotionalen, pst_226.016 des Bildlichen und des Logischen das Wesen pst_226.017 des Menschen konstituieren, als Einheit sowohl wie als pst_226.018 Folge, worin sich Kindheit, Jugend und Reife teilen.
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Doch dies bedarf der Erläuterung. Cassirer deutet den pst_226.020 Weg vom Emotionalen zum Bildlichen und zum Logischen pst_226.021 als fortschreitende Objektivierung, in der sich erst pst_226.022 so etwas wie eine gültige Gegenständlichkeit bildet. Darauf pst_226.023 sind wir vorbereitet durch die Kategorie des Abstands. pst_226.024 In lyrischem Sein ist noch kein Abstand eines pst_226.025 Subjekts von einem Objekt. Das Ich schwimmt im Vergänglichen pst_226.026 mit. Im Epischen bildet sich das Gegenüber pst_226.027 einer Perspektive. Im Akt des Anschauens festigt pst_226.028 sich der Gegenstand und zugleich das Ich, das diesen pst_226.029 Gegenstand betrachtet. Doch Ich und Gegenstand sind pst_226.030 im Sich-zeigen und Schauen noch aneinander gebunden. pst_226.031 Eines entsteht und bewährt sich am andern. Im
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Doch dies bedarf der Erläuterung. Cassirer deutet den pst_226.020
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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/230>, abgerufen am 16.02.2025.
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