Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_039.001 Spittelers "Bescheidenes Wünschlein" beginnt: pst_039.009"Damals, ganz zuerst am Anfang, pst_039.010 pst_039.013wenn ich hätte sagen sollen, pst_039.011 Was, im Fall ich wünschen dürfte, pst_039.012 ich mir würde wünschen wollen ..." Das ist anmutig, aber nur deshalb, weil es in freundlicher pst_039.014 "Komm, wir wollen Erdbeern pflücken, pst_039.024 Ist es doch nicht weit zum Wald, pst_039.025 Wollen junge Rosen brechen, pst_039.026 Sie verwelken ja so bald! pst_039.027 Droben jene Wetterwolke, pst_039.028 Die dich ängstigt, fürcht ich nicht; pst_039.001 Spittelers «Bescheidenes Wünschlein» beginnt: pst_039.009«Damals, ganz zuerst am Anfang, pst_039.010 pst_039.013wenn ich hätte sagen sollen, pst_039.011 Was, im Fall ich wünschen dürfte, pst_039.012 ich mir würde wünschen wollen ...» Das ist anmutig, aber nur deshalb, weil es in freundlicher pst_039.014 «Komm, wir wollen Erdbeern pflücken, pst_039.024 Ist es doch nicht weit zum Wald, pst_039.025 Wollen junge Rosen brechen, pst_039.026 Sie verwelken ja so bald! pst_039.027 Droben jene Wetterwolke, pst_039.028 Die dich ängstigt, fürcht ich nicht; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="39"/><lb n="pst_039.001"/> nur ungenau und oft genug überhaupt nicht ausgeprägt <lb n="pst_039.002"/> ist. Die Sprache scheint im Lyrischen auf vieles <lb n="pst_039.003"/> wieder zu verzichten, was sie in allmählicher Entwicklung <lb n="pst_039.004"/> von parataktischer zu hypotaktischer Fügung, von <lb n="pst_039.005"/> Adverbien zu Konjunktionen, von temporalen Konjunktionen <lb n="pst_039.006"/> zu kausalen in Richtung auf logische Deutlichkeit <lb n="pst_039.007"/> gewonnen hat.</p> <lb n="pst_039.008"/> <p> Spittelers «Bescheidenes Wünschlein» beginnt:</p> <lb n="pst_039.009"/> <lg> <l>«Damals, ganz zuerst am Anfang,</l> <lb n="pst_039.010"/> <l> wenn ich hätte sagen sollen,</l> <lb n="pst_039.011"/> <l>Was, im Fall ich wünschen dürfte,</l> <lb n="pst_039.012"/> <l> ich mir würde wünschen wollen ...»</l> </lg> <lb n="pst_039.013"/> <p>Das ist anmutig, aber nur deshalb, weil es in freundlicher <lb n="pst_039.014"/> Ironie der wahren Natur des Lyrischen spottet. <lb n="pst_039.015"/> Spitteler macht aus der Not eine Tugend und unterstreicht <lb n="pst_039.016"/> mit übertriebenen logischen Konstruktionen <lb n="pst_039.017"/> seinen Mangel an lyrischer Begabung. Doch wenn ein <lb n="pst_039.018"/> Liederdichter sich ernsthaft in so deutlicher Logik ausspricht, <lb n="pst_039.019"/> vermissen wir an dem Lied die Musik. Denn <lb n="pst_039.020"/> Denken und Singen vertragen sich nicht. Ein Gedicht <lb n="pst_039.021"/> Hebbels, das «Lied» überschrieben ist, beginnt mit den <lb n="pst_039.022"/> Strophen:</p> <lb n="pst_039.023"/> <lg> <l>«Komm, wir wollen Erdbeern pflücken,</l> <lb n="pst_039.024"/> <l> Ist es doch nicht weit zum Wald,</l> <lb n="pst_039.025"/> <l>Wollen junge Rosen brechen,</l> <lb n="pst_039.026"/> <l> Sie verwelken ja so bald! </l> </lg> <lg> <lb n="pst_039.027"/> <l>Droben jene Wetterwolke,</l> <lb n="pst_039.028"/> <l> Die dich ängstigt, fürcht ich nicht;</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0043]
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nur ungenau und oft genug überhaupt nicht ausgeprägt pst_039.002
ist. Die Sprache scheint im Lyrischen auf vieles pst_039.003
wieder zu verzichten, was sie in allmählicher Entwicklung pst_039.004
von parataktischer zu hypotaktischer Fügung, von pst_039.005
Adverbien zu Konjunktionen, von temporalen Konjunktionen pst_039.006
zu kausalen in Richtung auf logische Deutlichkeit pst_039.007
gewonnen hat.
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Spittelers «Bescheidenes Wünschlein» beginnt:
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«Damals, ganz zuerst am Anfang, pst_039.010
wenn ich hätte sagen sollen, pst_039.011
Was, im Fall ich wünschen dürfte, pst_039.012
ich mir würde wünschen wollen ...»
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Das ist anmutig, aber nur deshalb, weil es in freundlicher pst_039.014
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Spitteler macht aus der Not eine Tugend und unterstreicht pst_039.016
mit übertriebenen logischen Konstruktionen pst_039.017
seinen Mangel an lyrischer Begabung. Doch wenn ein pst_039.018
Liederdichter sich ernsthaft in so deutlicher Logik ausspricht, pst_039.019
vermissen wir an dem Lied die Musik. Denn pst_039.020
Denken und Singen vertragen sich nicht. Ein Gedicht pst_039.021
Hebbels, das «Lied» überschrieben ist, beginnt mit den pst_039.022
Strophen:
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Sie verwelken ja so bald!
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Die dich ängstigt, fürcht ich nicht;
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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