Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_048.001 "Wohin ich geh und schaue ..." pst_048.002Eine Situation, in der diese Worte möglich sind, mag pst_048.003 "Geh nicht, die Gott für mich erschuf! pst_048.009 pst_048.011Laß scharren deiner Rosse Huf pst_048.010 Den Reiseruf!" Wer will eine Reise antreten? Wer versucht die Scheidende pst_048.012 "Was bedeutet die Bewegung? pst_048.017 pst_048.018Bringt der Ost mir frohe Kunde?" gibt die Biographie die Auskunft, daß Goethe von pst_048.019 "Allein und abgetrennt pst_048.027
Von aller Freude, pst_048.028 Seh ich ans Firmament pst_048.029 Nach jener Seite." pst_048.001 «Wohin ich geh und schaue ...» pst_048.002Eine Situation, in der diese Worte möglich sind, mag pst_048.003 «Geh nicht, die Gott für mich erschuf! pst_048.009 pst_048.011Laß scharren deiner Rosse Huf pst_048.010 Den Reiseruf!» Wer will eine Reise antreten? Wer versucht die Scheidende pst_048.012 «Was bedeutet die Bewegung? pst_048.017 pst_048.018Bringt der Ost mir frohe Kunde?» gibt die Biographie die Auskunft, daß Goethe von pst_048.019 «Allein und abgetrennt pst_048.027
Von aller Freude, pst_048.028 Seh ich ans Firmament pst_048.029 Nach jener Seite.» <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" n="48"/> <lb n="pst_048.001"/> <lg> <l>«Wohin ich geh und schaue ...»</l> </lg> <lb n="pst_048.002"/> <p>Eine Situation, in der diese Worte möglich sind, mag <lb n="pst_048.003"/> sich der Leser beliebig aus dem Titel ergänzen, wenn er <lb n="pst_048.004"/> dazu ein Bedürfnis fühlt und den Auftritt im «Leben <lb n="pst_048.005"/> eines Taugenichts», aus dem die Verse in die Liedersammlung <lb n="pst_048.006"/> übergegangen sind, nicht kennt. Ein Gedicht <lb n="pst_048.007"/> von C. F. Meyer hebt an:</p> <lb n="pst_048.008"/> <lg> <l>«Geh nicht, die Gott für mich erschuf!</l> <lb n="pst_048.009"/> <l>Laß scharren deiner Rosse Huf</l> <lb n="pst_048.010"/> <l> <hi rendition="#et">Den Reiseruf!»</hi> </l> </lg> <lb n="pst_048.011"/> <p>Wer will eine Reise antreten? Wer versucht die Scheidende <lb n="pst_048.012"/> zurückzuhalten? Wir erfahren es nur ganz unbestimmt, <lb n="pst_048.013"/> so, daß viele mögliche Situationen zugrundegelegt <lb n="pst_048.014"/> werden können. Bei Marianne von Willemers <lb n="pst_048.015"/> Versen:</p> <lb n="pst_048.016"/> <lg> <l>«Was bedeutet die Bewegung?</l> <lb n="pst_048.017"/> <l>Bringt der Ost mir frohe Kunde?»</l> </lg> <lb n="pst_048.018"/> <p>gibt die Biographie die Auskunft, daß Goethe von <lb n="pst_048.019"/> Frankfurt abgereist ist und nun der Wind wie ein Bote <lb n="pst_048.020"/> von ihm herüberweht. Eine solche Auskunft mag die <lb n="pst_048.021"/> Freude an einem Gedicht erhöhen. Dennoch ist sie entbehrlich <lb n="pst_048.022"/> und wird von den meisten Lesern nicht verlangt. <lb n="pst_048.023"/> Noch weniger wird sich jemand einfallen zu lassen, <lb n="pst_048.024"/> zu fragen, welche Himmelsrichtung gemeint sei in Mignons <lb n="pst_048.025"/> Versen:</p> <lb n="pst_048.026"/> <lg> <l>«Allein und abgetrennt</l> <lb n="pst_048.027"/> <l>Von aller Freude,</l> <lb n="pst_048.028"/> <l>Seh ich ans Firmament</l> <lb n="pst_048.029"/> <l>Nach jener Seite.»</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0052]
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«Wohin ich geh und schaue ...»
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Eine Situation, in der diese Worte möglich sind, mag pst_048.003
sich der Leser beliebig aus dem Titel ergänzen, wenn er pst_048.004
dazu ein Bedürfnis fühlt und den Auftritt im «Leben pst_048.005
eines Taugenichts», aus dem die Verse in die Liedersammlung pst_048.006
übergegangen sind, nicht kennt. Ein Gedicht pst_048.007
von C. F. Meyer hebt an:
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«Geh nicht, die Gott für mich erschuf! pst_048.009
Laß scharren deiner Rosse Huf pst_048.010
Den Reiseruf!»
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Wer will eine Reise antreten? Wer versucht die Scheidende pst_048.012
zurückzuhalten? Wir erfahren es nur ganz unbestimmt, pst_048.013
so, daß viele mögliche Situationen zugrundegelegt pst_048.014
werden können. Bei Marianne von Willemers pst_048.015
Versen:
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«Was bedeutet die Bewegung? pst_048.017
Bringt der Ost mir frohe Kunde?»
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gibt die Biographie die Auskunft, daß Goethe von pst_048.019
Frankfurt abgereist ist und nun der Wind wie ein Bote pst_048.020
von ihm herüberweht. Eine solche Auskunft mag die pst_048.021
Freude an einem Gedicht erhöhen. Dennoch ist sie entbehrlich pst_048.022
und wird von den meisten Lesern nicht verlangt. pst_048.023
Noch weniger wird sich jemand einfallen zu lassen, pst_048.024
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Versen:
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«Allein und abgetrennt pst_048.027
Von aller Freude, pst_048.028
Seh ich ans Firmament pst_048.029
Nach jener Seite.»
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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