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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

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machen zu jenen Erinnerungen des im Raume pst_073.002
gegenwärtigen Lebens, bei denen nun auch in der pst_073.003
schlichten Sprache der Dichter das Ineinander mehr pst_073.004
oder weniger rein zum Ausdruck kommt.

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"O Lieb', o Liebe, pst_073.006
So golden schön, pst_073.007
Wie Morgenwolken pst_073.008
Auf jenen Höhn ..."
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In diesen Versen aus Goethes "Mailied" hält das "wie" pst_073.010
noch eine leise Spur des Gegenübers fest. Wenn wir pst_073.011
aber versuchen, es ernsthaft als homerisches "gleichwie", pst_073.012
das ein Gleichnis einleitet, aufzufassen, so sehen pst_073.013
wir leicht, daß dies nicht angeht. Die Vergleichspartikel pst_073.014
ist nicht viel mehr als eine Redensart, vielleicht auch pst_073.015
schon eine fast unmerkliche Vorbedeutung des späteren pst_073.016
Goethe, der sich zwar der Natur gegenüber, doch beide pst_073.017
im Grund als identisch erkennt und damit ebenso dem pst_073.018
Lyrischen wie dem Epischen offen bleibt. Am nächsten pst_073.019
liegt es aber, zu sagen, daß die Liebe sich in den goldenen pst_073.020
schönen Morgenwolken fühlt. So spricht sich dann Mörike pst_073.021
aus in "An einem Wintermorgen vor Sonnenaufgang":

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"O flaumenleichte Zeit der dunklen Frühe! pst_073.023
Welch neue Welt bewegest du in mir? pst_073.024
Was ist's, daß ich auf einmal nun in dir pst_073.025
Von sanfter Wollust meines Daseins glühe?"
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"Du in mir, ich in dir": Der Dichter weiß noch, daß pst_073.027
Ich und Du in andrer Hinsicht unterschieden sind, und pst_073.028
weiß zugleich, daß diese gewöhnliche Hinsicht jetzt pst_073.029
nicht gilt. So geht es weiter. Von "Du in mir" ist der

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So golden schön, pst_073.007
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Auf jenen Höhn ...»
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In diesen Versen aus Goethes «Mailied» hält das «wie» pst_073.010
noch eine leise Spur des Gegenübers fest. Wenn wir pst_073.011
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Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/77>, abgerufen am 27.11.2024.