tivität wie bei jedem andern Unternehmen richtet. Allein ihre höhere Natur behalten sie darum nicht weniger. Und diese nun erscheint da- rin, daß ihnen Gesetzgebung und Regierung theils mit ihrer Macht zu Hülfe kommen, theils sie unter ihre Oberaufsicht stellen, wie jeden an- dern Theil der freien Verwaltung, indem und weil sie den Credit mit seiner ganzen Bedeutung in sich aufnehmen und verwalten. So wer- den sie aus bloßen Erwerbsgesellschaften langsam, aber unwiderstehlich das, was wir im Vereinswesen als Verwaltungsvereine be- zeichnet -- Vereine, die den Erwerb ihrer Mitglieder in der Voll- ziehung einer öffentlichen Aufgabe suchen. Sie gehen daher jetzt mit Gesetzgebung und Regierung Hand in Hand, und in diesem damit im Creditvereinswesen sich selbständig ordnenden Creditwesen gewinnt das letztere erst feste Gestalt und klare Aufgabe; die Theile und Ge- biete scheiden sich und ordnen sich; es wird ein Stück des Gesammt- lebens, dessen Wesen und Werth sich nun auch rechtlich bestimmen läßt; und die Gesammtheit von Organen, Thätigkeiten, Gesetzen und Rechten, die daraus hervorgehen, nennen wir die öffentliche Organi- sation des Creditwesens.
Diese Organisation des Credits durch das Creditvereinswesen und ihre Natur als Verwaltungsverein muß sich nun natürlich an die wirthschaftlichen Grundformen des Credits anschließen. Es gibt daher Vereine für den persönlichen, für den Real- und für den Geschäfts- eredit; jede dieser Gruppen hat ihre Geschichte, ihre wirthschaftlichen Regeln und ihre Funktion und Rechte. Allein daneben haben sie zu- gleich eine gemeinsame historische Entwicklung, welche auf ihrer gemein- samen organischen und rechtlichen Natur beruht. Diese Entwicklung bildet die Geschichte der Organisation des Credits. Sie hat noch nicht einmal Versuche ihrer Bearbeitung gefunden. Ihre letzten Elemente indeß sind folgende.
Jeder, der die Literatur der Nationalökonomie kennt, wird aus dem Obigen begreifen, weßhalb wir sie weder auf andere Autoren noch auf Gesetz- gebungen verweisen können. Trotz der ungeheuren Masse von Schriften über die einzelnen Fragen und Verhältnisse des Credits gibt es unsres Wissens keinen Versuch, die Bedeutung und den Inhalt der vielbesprochenen "Organi- sation des Credits" wissenschaftlich zu bestimmen, oder auch nur alle dahin gehörigen Verhältnisse und Thatsachen als ein Ganzes zu betrachten, weder in der Nationalökonomie noch in den der Verwaltung angehörigen Arbeiten. Die ganze Literatur erschöpft sich im Geschäftscredit, und auch hier ohne feste Sondirung der wirthschaftlichen und verwaltungsrechtlichen Principien, trotz- dem daß das Vereinswesen mit seiner entscheidenden Bedeutung so nahe lag. Uebrigens ist die sociale Bedeutung des Credits bekanntlich erst durch die St. Simonisten erkannt, und durch die socialistischen Arbeiten der 40ger und
tivität wie bei jedem andern Unternehmen richtet. Allein ihre höhere Natur behalten ſie darum nicht weniger. Und dieſe nun erſcheint da- rin, daß ihnen Geſetzgebung und Regierung theils mit ihrer Macht zu Hülfe kommen, theils ſie unter ihre Oberaufſicht ſtellen, wie jeden an- dern Theil der freien Verwaltung, indem und weil ſie den Credit mit ſeiner ganzen Bedeutung in ſich aufnehmen und verwalten. So wer- den ſie aus bloßen Erwerbsgeſellſchaften langſam, aber unwiderſtehlich das, was wir im Vereinsweſen als Verwaltungsvereine be- zeichnet — Vereine, die den Erwerb ihrer Mitglieder in der Voll- ziehung einer öffentlichen Aufgabe ſuchen. Sie gehen daher jetzt mit Geſetzgebung und Regierung Hand in Hand, und in dieſem damit im Creditvereinsweſen ſich ſelbſtändig ordnenden Creditweſen gewinnt das letztere erſt feſte Geſtalt und klare Aufgabe; die Theile und Ge- biete ſcheiden ſich und ordnen ſich; es wird ein Stück des Geſammt- lebens, deſſen Weſen und Werth ſich nun auch rechtlich beſtimmen läßt; und die Geſammtheit von Organen, Thätigkeiten, Geſetzen und Rechten, die daraus hervorgehen, nennen wir die öffentliche Organi- ſation des Creditweſens.
Dieſe Organiſation des Credits durch das Creditvereinsweſen und ihre Natur als Verwaltungsverein muß ſich nun natürlich an die wirthſchaftlichen Grundformen des Credits anſchließen. Es gibt daher Vereine für den perſönlichen, für den Real- und für den Geſchäfts- eredit; jede dieſer Gruppen hat ihre Geſchichte, ihre wirthſchaftlichen Regeln und ihre Funktion und Rechte. Allein daneben haben ſie zu- gleich eine gemeinſame hiſtoriſche Entwicklung, welche auf ihrer gemein- ſamen organiſchen und rechtlichen Natur beruht. Dieſe Entwicklung bildet die Geſchichte der Organiſation des Credits. Sie hat noch nicht einmal Verſuche ihrer Bearbeitung gefunden. Ihre letzten Elemente indeß ſind folgende.
Jeder, der die Literatur der Nationalökonomie kennt, wird aus dem Obigen begreifen, weßhalb wir ſie weder auf andere Autoren noch auf Geſetz- gebungen verweiſen können. Trotz der ungeheuren Maſſe von Schriften über die einzelnen Fragen und Verhältniſſe des Credits gibt es unſres Wiſſens keinen Verſuch, die Bedeutung und den Inhalt der vielbeſprochenen „Organi- ſation des Credits“ wiſſenſchaftlich zu beſtimmen, oder auch nur alle dahin gehörigen Verhältniſſe und Thatſachen als ein Ganzes zu betrachten, weder in der Nationalökonomie noch in den der Verwaltung angehörigen Arbeiten. Die ganze Literatur erſchöpft ſich im Geſchäftscredit, und auch hier ohne feſte Sondirung der wirthſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Principien, trotz- dem daß das Vereinsweſen mit ſeiner entſcheidenden Bedeutung ſo nahe lag. Uebrigens iſt die ſociale Bedeutung des Credits bekanntlich erſt durch die St. Simoniſten erkannt, und durch die ſocialiſtiſchen Arbeiten der 40ger und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0273"n="249"/>
tivität wie bei jedem andern Unternehmen richtet. Allein ihre höhere<lb/>
Natur behalten ſie darum nicht weniger. Und dieſe nun erſcheint da-<lb/>
rin, daß ihnen Geſetzgebung und Regierung theils mit ihrer Macht zu<lb/>
Hülfe kommen, theils ſie unter ihre Oberaufſicht ſtellen, wie jeden an-<lb/>
dern Theil der freien Verwaltung, indem und weil ſie den Credit mit<lb/>ſeiner ganzen Bedeutung in ſich aufnehmen und verwalten. So wer-<lb/>
den ſie aus bloßen Erwerbsgeſellſchaften langſam, aber unwiderſtehlich<lb/>
das, was wir im Vereinsweſen als <hirendition="#g">Verwaltungsvereine</hi> be-<lb/>
zeichnet — Vereine, die den Erwerb ihrer Mitglieder in der Voll-<lb/>
ziehung einer öffentlichen Aufgabe ſuchen. Sie gehen daher jetzt mit<lb/>
Geſetzgebung und Regierung Hand in Hand, und in dieſem damit<lb/>
im Creditvereinsweſen ſich ſelbſtändig ordnenden Creditweſen gewinnt<lb/>
das letztere erſt feſte Geſtalt und klare Aufgabe; die Theile und Ge-<lb/>
biete ſcheiden ſich und ordnen ſich; es wird ein Stück des Geſammt-<lb/>
lebens, deſſen Weſen und Werth ſich nun auch rechtlich beſtimmen<lb/>
läßt; und die Geſammtheit von Organen, Thätigkeiten, Geſetzen und<lb/>
Rechten, die daraus hervorgehen, nennen wir die öffentliche <hirendition="#g">Organi-<lb/>ſation des Creditweſens</hi>.</p><lb/><p>Dieſe Organiſation des Credits durch das Creditvereinsweſen und<lb/>
ihre Natur als Verwaltungsverein muß ſich nun natürlich an die<lb/>
wirthſchaftlichen Grundformen des Credits anſchließen. Es gibt daher<lb/>
Vereine für den perſönlichen, für den Real- und für den Geſchäfts-<lb/>
eredit; jede dieſer Gruppen hat ihre Geſchichte, ihre wirthſchaftlichen<lb/>
Regeln und ihre Funktion und Rechte. Allein daneben haben ſie zu-<lb/>
gleich eine gemeinſame hiſtoriſche Entwicklung, welche auf ihrer gemein-<lb/>ſamen organiſchen und rechtlichen Natur beruht. Dieſe Entwicklung<lb/>
bildet die Geſchichte der Organiſation des Credits. Sie hat noch nicht<lb/>
einmal Verſuche ihrer Bearbeitung gefunden. Ihre letzten Elemente<lb/>
indeß ſind folgende.</p><lb/><p>Jeder, der die Literatur der Nationalökonomie kennt, wird aus dem<lb/>
Obigen begreifen, weßhalb wir ſie weder auf andere Autoren noch auf Geſetz-<lb/>
gebungen verweiſen können. Trotz der ungeheuren Maſſe von Schriften über<lb/>
die einzelnen Fragen und Verhältniſſe des Credits gibt es unſres Wiſſens<lb/>
keinen Verſuch, die Bedeutung und den Inhalt der vielbeſprochenen „Organi-<lb/>ſation des Credits“ wiſſenſchaftlich zu beſtimmen, oder auch nur alle dahin<lb/>
gehörigen Verhältniſſe und Thatſachen als ein Ganzes zu betrachten, weder<lb/>
in der Nationalökonomie noch in den der Verwaltung angehörigen Arbeiten.<lb/>
Die ganze Literatur erſchöpft ſich im Geſchäftscredit, und auch hier ohne feſte<lb/>
Sondirung der wirthſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Principien, trotz-<lb/>
dem daß das Vereinsweſen mit ſeiner entſcheidenden Bedeutung ſo nahe lag.<lb/>
Uebrigens iſt die <hirendition="#g">ſociale</hi> Bedeutung des Credits bekanntlich erſt durch die<lb/>
St. Simoniſten erkannt, und durch die ſocialiſtiſchen Arbeiten der 40ger und<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[249/0273]
tivität wie bei jedem andern Unternehmen richtet. Allein ihre höhere
Natur behalten ſie darum nicht weniger. Und dieſe nun erſcheint da-
rin, daß ihnen Geſetzgebung und Regierung theils mit ihrer Macht zu
Hülfe kommen, theils ſie unter ihre Oberaufſicht ſtellen, wie jeden an-
dern Theil der freien Verwaltung, indem und weil ſie den Credit mit
ſeiner ganzen Bedeutung in ſich aufnehmen und verwalten. So wer-
den ſie aus bloßen Erwerbsgeſellſchaften langſam, aber unwiderſtehlich
das, was wir im Vereinsweſen als Verwaltungsvereine be-
zeichnet — Vereine, die den Erwerb ihrer Mitglieder in der Voll-
ziehung einer öffentlichen Aufgabe ſuchen. Sie gehen daher jetzt mit
Geſetzgebung und Regierung Hand in Hand, und in dieſem damit
im Creditvereinsweſen ſich ſelbſtändig ordnenden Creditweſen gewinnt
das letztere erſt feſte Geſtalt und klare Aufgabe; die Theile und Ge-
biete ſcheiden ſich und ordnen ſich; es wird ein Stück des Geſammt-
lebens, deſſen Weſen und Werth ſich nun auch rechtlich beſtimmen
läßt; und die Geſammtheit von Organen, Thätigkeiten, Geſetzen und
Rechten, die daraus hervorgehen, nennen wir die öffentliche Organi-
ſation des Creditweſens.
Dieſe Organiſation des Credits durch das Creditvereinsweſen und
ihre Natur als Verwaltungsverein muß ſich nun natürlich an die
wirthſchaftlichen Grundformen des Credits anſchließen. Es gibt daher
Vereine für den perſönlichen, für den Real- und für den Geſchäfts-
eredit; jede dieſer Gruppen hat ihre Geſchichte, ihre wirthſchaftlichen
Regeln und ihre Funktion und Rechte. Allein daneben haben ſie zu-
gleich eine gemeinſame hiſtoriſche Entwicklung, welche auf ihrer gemein-
ſamen organiſchen und rechtlichen Natur beruht. Dieſe Entwicklung
bildet die Geſchichte der Organiſation des Credits. Sie hat noch nicht
einmal Verſuche ihrer Bearbeitung gefunden. Ihre letzten Elemente
indeß ſind folgende.
Jeder, der die Literatur der Nationalökonomie kennt, wird aus dem
Obigen begreifen, weßhalb wir ſie weder auf andere Autoren noch auf Geſetz-
gebungen verweiſen können. Trotz der ungeheuren Maſſe von Schriften über
die einzelnen Fragen und Verhältniſſe des Credits gibt es unſres Wiſſens
keinen Verſuch, die Bedeutung und den Inhalt der vielbeſprochenen „Organi-
ſation des Credits“ wiſſenſchaftlich zu beſtimmen, oder auch nur alle dahin
gehörigen Verhältniſſe und Thatſachen als ein Ganzes zu betrachten, weder
in der Nationalökonomie noch in den der Verwaltung angehörigen Arbeiten.
Die ganze Literatur erſchöpft ſich im Geſchäftscredit, und auch hier ohne feſte
Sondirung der wirthſchaftlichen und verwaltungsrechtlichen Principien, trotz-
dem daß das Vereinsweſen mit ſeiner entſcheidenden Bedeutung ſo nahe lag.
Uebrigens iſt die ſociale Bedeutung des Credits bekanntlich erſt durch die
St. Simoniſten erkannt, und durch die ſocialiſtiſchen Arbeiten der 40ger und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/273>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.