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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Gang der Dinge die ganze Grundbuchsfrage vorwiegend zu einer
juristischen gemacht, so daß es sich in der Grundbuchsliteratur seit
fünfzig Jahren mehr um die Interpretation des bestehenden Rechts
als um die wirthschaftlichen Grundsätze desselben handelte. Daher finden
wir bei großer Uebereinstimmung in den Principien eben so große
Unterschiede in ihrer Durchführung. Doch führt die Vergleichung
zu folgenden allgemeinen Ergebnissen.

Deutschlands Grundbuchswesen scheidet sich in zwei große
Gruppen, von denen die erste, an deren Spitze Preußen und
Oesterreich
stehen, sowohl das volle System des Grundbuchs als das
der Legalität wenigstens principiell ausgebildet haben, obgleich in den
einzelnen Provinzen wieder unvollkommene Systeme herrschen. An
beide schließen sich namentlich Sachsen und Bayern, während andere
wie Hannover und Nassau Besonderheiten mannigfacher Art darbieten.
Die zweite Gruppe ist die vorwiegend sächsische, welche zwar das Hypo-
theken-, nicht aber das Grundbuchswesen und seine Legalität ausgebildet
hat. Die neueste Zeit hat viele Bestrebungen nach Einheit gezeigt,
ohne doch zu einem Resultate zu gelangen.

Frankreich hat ein Grundbuchswesen, das in der Mitte zwischen
beiden stehend, die volle Legalität nur für die Hypothek anerkennt, und
die Priorität durch die gesetzlichen Pfandrechte zur Hälfte vernichtet;
dem französischen Pfandrecht schließen sich das badische und rheinische an.

Englands Grundbuchswesen hat weder die volle Legalität, noch
die volle Priorität, noch auch die Publicität, sondern ist bloß auf
Sicherheit der einzelnen dinglichen Rechte berechnet.

Auf diese Kategorien lassen sich nun die übrigen geltenden Ord-
nungen leicht zurückführen; jedoch muß die Grundlage dafür das System
der Grundbuchsordnung und des Grundbuchsrechts sein, dessen Elemente
folgende sind.

Deutschland. Die Literatur über das Grundbuchswesen theilt sich
in drei Gruppen. Die erste besteht aus den Interpretatoren der betreffenden
bürgerlichen Gesetzbücher, die zweite in der historischen Behandlung namentlich
im deutschen Privatrecht, die dritte sparsame aus den Versuchen einer volks-
wirthschaftlichen Behandlung derselben. Munde, Patriotische Phantasien S. 225;
Meck, das deutsche Credit- und Hypothekenwesen 1831. 2 Theile. Dünkel-
berg
, Landwirthschaft und Capital 1860. Reiches Material bei Mitter-
maier
, deutsches Privatrecht §. 201 ff. -- Preußen: Erste allgem. Hypotheken-
ordnung vom 4. Febr. 1722. Neue Ordnung beschlossen 1751; daraus die
von Suarez entworfene Hypothekenordnung vom 20. Dec. 1783, die noch gegen-
wärtig gilt, und Allgem. Landrecht I. 10; Führung der Grundbücher (In-
struktion vom 2. Jan. 1849). Rönne, Staatsrecht II. §. 321. Neues Gesetz
speciell das Grundbuchsverfahren betreffend vom 24. März 1853. Ausführlich

Gang der Dinge die ganze Grundbuchsfrage vorwiegend zu einer
juriſtiſchen gemacht, ſo daß es ſich in der Grundbuchsliteratur ſeit
fünfzig Jahren mehr um die Interpretation des beſtehenden Rechts
als um die wirthſchaftlichen Grundſätze deſſelben handelte. Daher finden
wir bei großer Uebereinſtimmung in den Principien eben ſo große
Unterſchiede in ihrer Durchführung. Doch führt die Vergleichung
zu folgenden allgemeinen Ergebniſſen.

Deutſchlands Grundbuchsweſen ſcheidet ſich in zwei große
Gruppen, von denen die erſte, an deren Spitze Preußen und
Oeſterreich
ſtehen, ſowohl das volle Syſtem des Grundbuchs als das
der Legalität wenigſtens principiell ausgebildet haben, obgleich in den
einzelnen Provinzen wieder unvollkommene Syſteme herrſchen. An
beide ſchließen ſich namentlich Sachſen und Bayern, während andere
wie Hannover und Naſſau Beſonderheiten mannigfacher Art darbieten.
Die zweite Gruppe iſt die vorwiegend ſächſiſche, welche zwar das Hypo-
theken-, nicht aber das Grundbuchsweſen und ſeine Legalität ausgebildet
hat. Die neueſte Zeit hat viele Beſtrebungen nach Einheit gezeigt,
ohne doch zu einem Reſultate zu gelangen.

Frankreich hat ein Grundbuchsweſen, das in der Mitte zwiſchen
beiden ſtehend, die volle Legalität nur für die Hypothek anerkennt, und
die Priorität durch die geſetzlichen Pfandrechte zur Hälfte vernichtet;
dem franzöſiſchen Pfandrecht ſchließen ſich das badiſche und rheiniſche an.

Englands Grundbuchsweſen hat weder die volle Legalität, noch
die volle Priorität, noch auch die Publicität, ſondern iſt bloß auf
Sicherheit der einzelnen dinglichen Rechte berechnet.

Auf dieſe Kategorien laſſen ſich nun die übrigen geltenden Ord-
nungen leicht zurückführen; jedoch muß die Grundlage dafür das Syſtem
der Grundbuchsordnung und des Grundbuchsrechts ſein, deſſen Elemente
folgende ſind.

Deutſchland. Die Literatur über das Grundbuchsweſen theilt ſich
in drei Gruppen. Die erſte beſteht aus den Interpretatoren der betreffenden
bürgerlichen Geſetzbücher, die zweite in der hiſtoriſchen Behandlung namentlich
im deutſchen Privatrecht, die dritte ſparſame aus den Verſuchen einer volks-
wirthſchaftlichen Behandlung derſelben. Munde, Patriotiſche Phantaſien S. 225;
Meck, das deutſche Credit- und Hypothekenweſen 1831. 2 Theile. Dünkel-
berg
, Landwirthſchaft und Capital 1860. Reiches Material bei Mitter-
maier
, deutſches Privatrecht §. 201 ff. — Preußen: Erſte allgem. Hypotheken-
ordnung vom 4. Febr. 1722. Neue Ordnung beſchloſſen 1751; daraus die
von Suarez entworfene Hypothekenordnung vom 20. Dec. 1783, die noch gegen-
wärtig gilt, und Allgem. Landrecht I. 10; Führung der Grundbücher (In-
ſtruktion vom 2. Jan. 1849). Rönne, Staatsrecht II. §. 321. Neues Geſetz
ſpeciell das Grundbuchsverfahren betreffend vom 24. März 1853. Ausführlich

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[264/0288] Gang der Dinge die ganze Grundbuchsfrage vorwiegend zu einer juriſtiſchen gemacht, ſo daß es ſich in der Grundbuchsliteratur ſeit fünfzig Jahren mehr um die Interpretation des beſtehenden Rechts als um die wirthſchaftlichen Grundſätze deſſelben handelte. Daher finden wir bei großer Uebereinſtimmung in den Principien eben ſo große Unterſchiede in ihrer Durchführung. Doch führt die Vergleichung zu folgenden allgemeinen Ergebniſſen. Deutſchlands Grundbuchsweſen ſcheidet ſich in zwei große Gruppen, von denen die erſte, an deren Spitze Preußen und Oeſterreich ſtehen, ſowohl das volle Syſtem des Grundbuchs als das der Legalität wenigſtens principiell ausgebildet haben, obgleich in den einzelnen Provinzen wieder unvollkommene Syſteme herrſchen. An beide ſchließen ſich namentlich Sachſen und Bayern, während andere wie Hannover und Naſſau Beſonderheiten mannigfacher Art darbieten. Die zweite Gruppe iſt die vorwiegend ſächſiſche, welche zwar das Hypo- theken-, nicht aber das Grundbuchsweſen und ſeine Legalität ausgebildet hat. Die neueſte Zeit hat viele Beſtrebungen nach Einheit gezeigt, ohne doch zu einem Reſultate zu gelangen. Frankreich hat ein Grundbuchsweſen, das in der Mitte zwiſchen beiden ſtehend, die volle Legalität nur für die Hypothek anerkennt, und die Priorität durch die geſetzlichen Pfandrechte zur Hälfte vernichtet; dem franzöſiſchen Pfandrecht ſchließen ſich das badiſche und rheiniſche an. Englands Grundbuchsweſen hat weder die volle Legalität, noch die volle Priorität, noch auch die Publicität, ſondern iſt bloß auf Sicherheit der einzelnen dinglichen Rechte berechnet. Auf dieſe Kategorien laſſen ſich nun die übrigen geltenden Ord- nungen leicht zurückführen; jedoch muß die Grundlage dafür das Syſtem der Grundbuchsordnung und des Grundbuchsrechts ſein, deſſen Elemente folgende ſind. Deutſchland. Die Literatur über das Grundbuchsweſen theilt ſich in drei Gruppen. Die erſte beſteht aus den Interpretatoren der betreffenden bürgerlichen Geſetzbücher, die zweite in der hiſtoriſchen Behandlung namentlich im deutſchen Privatrecht, die dritte ſparſame aus den Verſuchen einer volks- wirthſchaftlichen Behandlung derſelben. Munde, Patriotiſche Phantaſien S. 225; Meck, das deutſche Credit- und Hypothekenweſen 1831. 2 Theile. Dünkel- berg, Landwirthſchaft und Capital 1860. Reiches Material bei Mitter- maier, deutſches Privatrecht §. 201 ff. — Preußen: Erſte allgem. Hypotheken- ordnung vom 4. Febr. 1722. Neue Ordnung beſchloſſen 1751; daraus die von Suarez entworfene Hypothekenordnung vom 20. Dec. 1783, die noch gegen- wärtig gilt, und Allgem. Landrecht I. 10; Führung der Grundbücher (In- ſtruktion vom 2. Jan. 1849). Rönne, Staatsrecht II. §. 321. Neues Geſetz ſpeciell das Grundbuchsverfahren betreffend vom 24. März 1853. Ausführlich

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/288>, abgerufen am 22.11.2024.