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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Recht auf Notenausgabe für jede Creditanstalt, unter irgend einer
Bestimmung über die Fundation derselben. Diese Noten sind dann
im Unterschiede von den Banknoten die Creditnoten. Begrün-
dung: erst durch die Note der Creditanstalt wird die Möglichkeit des
Credits auch für die Unternehmung gewährt, die bei dem strengen
Banknotensystem nur auf bereits fertige Unternehmungen und ihre
wirklich schon fälligen Zahlungen beschränkt wird. Daher ist ohne
das Recht der Creditnoten ein Aufschwung des Gesammtlebens in einer
Zeit nicht möglich, in der dasselbe ganz auf dem Credit ruht. Da die
Creditnote keine Währung hat, so ist es ja Sache jedes Einzelnen, sie
anzunehmen oder nicht anzunehmen. Der Freiheit in dieser An-
nahme muß die Freiheit in der Ausgabe entsprechen
. Das
und nichts anderes ist die wahre "free trade in banking."

Das zweite System ist das einheitliche Banksystem. Das
System erklärt, daß das freie Recht der Notenemission für die Credit-
anstalten unabweisbar verderblich wirken müsse, indem trotz aller
Freiheit in der Annahme die Creditnote wenn auch nicht das Recht,
so doch die Funktion der Banknote übernehme, und unaufhaltsam
als Geld circulire. Auf diese Weise werde ein Theil des umlaufen-
den Geldes stets von dem Credit der Banken abhängig; wichtiger aber
sei es, daß damit die Vermehrung und Verminderung der Geldmasse
von der Emission an Creditnoten abhänge, und daß, da der Preis stets
von der Geldmasse bedingt ist, das Recht zur Emission der Creditnote
die gesammte Preisordnung der Volkswirthschaft in Gefahr bringe.
Die Creditanstalten sollen daher unter keiner Bedingung das Recht auf
selbständige Emission haben, sondern sollen sich bei den Banken einen
Credit eröffnen, groß genug, um dem soliden Unternehmungscredit
den sie vertreten, zu genügen, und den sie dann mit Banknoten be-
friedigen. Trete ein Bedürfniß ein, so könne man die Emission der
Banknoten vermehren, nie aber die Creditnote als Zahlungsmittel
zulassen.

Dem theoretischen Kampfe dieser Systeme ging die praktische Er-
fahrung zur Seite; da wo die Creditanstalten das Recht der Emission
von Creditnoten bekamen, entstand allerdings ein plötzlicher gewalt-
samer Aufschwung des Unternehmungsgeistes; allein die glänzendsten
Erfolge des letztern konnten die Natur der Note nicht ändern.
Die Creditnote hatte keine Fundation im Capital, sondern nur im Er-
trage
desselben; ihr Werth hing daher von dem letztern ab, und wo
dieser Ertrag fehlte, trat unfehlbar Werthlosigkeit der Credit-
note
ein. Die Folge war diejenige Störung des gesammten, auf
diese Note wenigstens zum Theil angewiesenen Zahlungsprocesses in

Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 20

Recht auf Notenausgabe für jede Creditanſtalt, unter irgend einer
Beſtimmung über die Fundation derſelben. Dieſe Noten ſind dann
im Unterſchiede von den Banknoten die Creditnoten. Begrün-
dung: erſt durch die Note der Creditanſtalt wird die Möglichkeit des
Credits auch für die Unternehmung gewährt, die bei dem ſtrengen
Banknotenſyſtem nur auf bereits fertige Unternehmungen und ihre
wirklich ſchon fälligen Zahlungen beſchränkt wird. Daher iſt ohne
das Recht der Creditnoten ein Aufſchwung des Geſammtlebens in einer
Zeit nicht möglich, in der daſſelbe ganz auf dem Credit ruht. Da die
Creditnote keine Währung hat, ſo iſt es ja Sache jedes Einzelnen, ſie
anzunehmen oder nicht anzunehmen. Der Freiheit in dieſer An-
nahme muß die Freiheit in der Ausgabe entſprechen
. Das
und nichts anderes iſt die wahre „free trade in banking.“

Das zweite Syſtem iſt das einheitliche Bankſyſtem. Das
Syſtem erklärt, daß das freie Recht der Notenemiſſion für die Credit-
anſtalten unabweisbar verderblich wirken müſſe, indem trotz aller
Freiheit in der Annahme die Creditnote wenn auch nicht das Recht,
ſo doch die Funktion der Banknote übernehme, und unaufhaltſam
als Geld circulire. Auf dieſe Weiſe werde ein Theil des umlaufen-
den Geldes ſtets von dem Credit der Banken abhängig; wichtiger aber
ſei es, daß damit die Vermehrung und Verminderung der Geldmaſſe
von der Emiſſion an Creditnoten abhänge, und daß, da der Preis ſtets
von der Geldmaſſe bedingt iſt, das Recht zur Emiſſion der Creditnote
die geſammte Preisordnung der Volkswirthſchaft in Gefahr bringe.
Die Creditanſtalten ſollen daher unter keiner Bedingung das Recht auf
ſelbſtändige Emiſſion haben, ſondern ſollen ſich bei den Banken einen
Credit eröffnen, groß genug, um dem ſoliden Unternehmungscredit
den ſie vertreten, zu genügen, und den ſie dann mit Banknoten be-
friedigen. Trete ein Bedürfniß ein, ſo könne man die Emiſſion der
Banknoten vermehren, nie aber die Creditnote als Zahlungsmittel
zulaſſen.

Dem theoretiſchen Kampfe dieſer Syſteme ging die praktiſche Er-
fahrung zur Seite; da wo die Creditanſtalten das Recht der Emiſſion
von Creditnoten bekamen, entſtand allerdings ein plötzlicher gewalt-
ſamer Aufſchwung des Unternehmungsgeiſtes; allein die glänzendſten
Erfolge des letztern konnten die Natur der Note nicht ändern.
Die Creditnote hatte keine Fundation im Capital, ſondern nur im Er-
trage
deſſelben; ihr Werth hing daher von dem letztern ab, und wo
dieſer Ertrag fehlte, trat unfehlbar Werthloſigkeit der Credit-
note
ein. Die Folge war diejenige Störung des geſammten, auf
dieſe Note wenigſtens zum Theil angewieſenen Zahlungsproceſſes in

Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 20
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[305/0329] Recht auf Notenausgabe für jede Creditanſtalt, unter irgend einer Beſtimmung über die Fundation derſelben. Dieſe Noten ſind dann im Unterſchiede von den Banknoten die Creditnoten. Begrün- dung: erſt durch die Note der Creditanſtalt wird die Möglichkeit des Credits auch für die Unternehmung gewährt, die bei dem ſtrengen Banknotenſyſtem nur auf bereits fertige Unternehmungen und ihre wirklich ſchon fälligen Zahlungen beſchränkt wird. Daher iſt ohne das Recht der Creditnoten ein Aufſchwung des Geſammtlebens in einer Zeit nicht möglich, in der daſſelbe ganz auf dem Credit ruht. Da die Creditnote keine Währung hat, ſo iſt es ja Sache jedes Einzelnen, ſie anzunehmen oder nicht anzunehmen. Der Freiheit in dieſer An- nahme muß die Freiheit in der Ausgabe entſprechen. Das und nichts anderes iſt die wahre „free trade in banking.“ Das zweite Syſtem iſt das einheitliche Bankſyſtem. Das Syſtem erklärt, daß das freie Recht der Notenemiſſion für die Credit- anſtalten unabweisbar verderblich wirken müſſe, indem trotz aller Freiheit in der Annahme die Creditnote wenn auch nicht das Recht, ſo doch die Funktion der Banknote übernehme, und unaufhaltſam als Geld circulire. Auf dieſe Weiſe werde ein Theil des umlaufen- den Geldes ſtets von dem Credit der Banken abhängig; wichtiger aber ſei es, daß damit die Vermehrung und Verminderung der Geldmaſſe von der Emiſſion an Creditnoten abhänge, und daß, da der Preis ſtets von der Geldmaſſe bedingt iſt, das Recht zur Emiſſion der Creditnote die geſammte Preisordnung der Volkswirthſchaft in Gefahr bringe. Die Creditanſtalten ſollen daher unter keiner Bedingung das Recht auf ſelbſtändige Emiſſion haben, ſondern ſollen ſich bei den Banken einen Credit eröffnen, groß genug, um dem ſoliden Unternehmungscredit den ſie vertreten, zu genügen, und den ſie dann mit Banknoten be- friedigen. Trete ein Bedürfniß ein, ſo könne man die Emiſſion der Banknoten vermehren, nie aber die Creditnote als Zahlungsmittel zulaſſen. Dem theoretiſchen Kampfe dieſer Syſteme ging die praktiſche Er- fahrung zur Seite; da wo die Creditanſtalten das Recht der Emiſſion von Creditnoten bekamen, entſtand allerdings ein plötzlicher gewalt- ſamer Aufſchwung des Unternehmungsgeiſtes; allein die glänzendſten Erfolge des letztern konnten die Natur der Note nicht ändern. Die Creditnote hatte keine Fundation im Capital, ſondern nur im Er- trage deſſelben; ihr Werth hing daher von dem letztern ab, und wo dieſer Ertrag fehlte, trat unfehlbar Werthloſigkeit der Credit- note ein. Die Folge war diejenige Störung des geſammten, auf dieſe Note wenigſtens zum Theil angewieſenen Zahlungsproceſſes in Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 20

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/329>, abgerufen am 17.06.2024.