corporative Recht der Erwerbsarten. Sie setzt an seine Stelle theils das Gefühl und das Bestreben, durch positive Maßregeln alle diese Gebiete der Volkswirthschaft zu fördern, theils aber glaubt sie auch, die wahren Bedürfnisse derselben am besten zu kennen, und erschöpft sich daher in bevormundenden Vorschriften. Um diese zur Geltung zu bringen, muß sie ihre Berechtigung an die Stelle des corporativen Rechts setzen; die Form daher ist das Privilegium; und so ist diese Epoche vor allem die des privilegirten Erwerbsrechts. Der Charakter desselben ist die Herstellung der Freiheit des Erwerbs im Einzelnen, dafür aber auch die Beseitigung des Princips der Selbst- verwaltung. Es ist die Epoche, wo die großen Erwerbsgesetz- gebungen aller Art beginnen, wo aber mehr das Streben nach eudä- monistischer Fürsorge durch die Regierung als die persönliche Tüchtig- keit und als die Grundlage der ganzen Entwicklung angesehen wird. So bildet auch hier diese Epoche, die bis in unser Jahrhundert hinein- reicht, den Uebergang zu der folgenden Epoche.
Die dritte Epoche ist die staatsbürgerliche, welche eine neue Gestalt auch in dieses Gebiet der Verwaltung bringt. Ihr erstes großes Princip ist das der individuellen Freiheit, im Erwerbe wie auf andern Gebieten. Sie setzt daher zuerst an die Stelle der Cor- porationsrechte und der Privilegien die freie Bestimmung und Aus- übung jedes Gewerbes. Allein in ihr ist der Staat mit seiner Re- gierung zugleich der Träger des höchsten allgemeinen Interesses. In diesem Sinne erkennt er den Werth der möglichsten Entwicklung aller Erwerbsarten. Daraus entsteht das zweite Princip seiner Thätig- keit, das Streben, jedem einzelnen Zweige des Erwerbs die besondern Bedingungen seiner Entwicklung so weit zu geben, als derselbe sie sich nicht selbst zu schaffen vermag. Eben daraus folgt nun das, was den Charakter der äußeren Form der volkswirthschaftlichen Verwaltung in dieser Epoche unserer Gegenwart bildet. Gesetzgebung und Voll- ziehung theilen sich in die Aufgabe. Die Interessen der Erwerbs- formen werden der polizeilichen Verordnungsgewalt entzogen und zum Gegenstand selbständiger Gesetze auf Grundlage selbständiger Freiheit des Einzelnen. Grundlage ist dabei das Streben, an die Stelle der früheren Vorschriften über die Produktion ein System von Special- bildungsanstalten zu setzen, und die ersten auf die innere Sicher- heitspolizei zu beschränken. Die eigentliche Regierung ihrerseits bildet sich für die Vollziehung dieser Aufgabe des Staats jetzt eigene nach den Haupterwerbsformen organisirte selbständige Ministerien mit eigenen Sektionen; die Selbständigkeit jener Erwerbsformen aber empfängt ihren frei arbeitenden Organismus in dem von der corporativen
corporative Recht der Erwerbsarten. Sie ſetzt an ſeine Stelle theils das Gefühl und das Beſtreben, durch poſitive Maßregeln alle dieſe Gebiete der Volkswirthſchaft zu fördern, theils aber glaubt ſie auch, die wahren Bedürfniſſe derſelben am beſten zu kennen, und erſchöpft ſich daher in bevormundenden Vorſchriften. Um dieſe zur Geltung zu bringen, muß ſie ihre Berechtigung an die Stelle des corporativen Rechts ſetzen; die Form daher iſt das Privilegium; und ſo iſt dieſe Epoche vor allem die des privilegirten Erwerbsrechts. Der Charakter deſſelben iſt die Herſtellung der Freiheit des Erwerbs im Einzelnen, dafür aber auch die Beſeitigung des Princips der Selbſt- verwaltung. Es iſt die Epoche, wo die großen Erwerbsgeſetz- gebungen aller Art beginnen, wo aber mehr das Streben nach eudä- moniſtiſcher Fürſorge durch die Regierung als die perſönliche Tüchtig- keit und als die Grundlage der ganzen Entwicklung angeſehen wird. So bildet auch hier dieſe Epoche, die bis in unſer Jahrhundert hinein- reicht, den Uebergang zu der folgenden Epoche.
Die dritte Epoche iſt die ſtaatsbürgerliche, welche eine neue Geſtalt auch in dieſes Gebiet der Verwaltung bringt. Ihr erſtes großes Princip iſt das der individuellen Freiheit, im Erwerbe wie auf andern Gebieten. Sie ſetzt daher zuerſt an die Stelle der Cor- porationsrechte und der Privilegien die freie Beſtimmung und Aus- übung jedes Gewerbes. Allein in ihr iſt der Staat mit ſeiner Re- gierung zugleich der Träger des höchſten allgemeinen Intereſſes. In dieſem Sinne erkennt er den Werth der möglichſten Entwicklung aller Erwerbsarten. Daraus entſteht das zweite Princip ſeiner Thätig- keit, das Streben, jedem einzelnen Zweige des Erwerbs die beſondern Bedingungen ſeiner Entwicklung ſo weit zu geben, als derſelbe ſie ſich nicht ſelbſt zu ſchaffen vermag. Eben daraus folgt nun das, was den Charakter der äußeren Form der volkswirthſchaftlichen Verwaltung in dieſer Epoche unſerer Gegenwart bildet. Geſetzgebung und Voll- ziehung theilen ſich in die Aufgabe. Die Intereſſen der Erwerbs- formen werden der polizeilichen Verordnungsgewalt entzogen und zum Gegenſtand ſelbſtändiger Geſetze auf Grundlage ſelbſtändiger Freiheit des Einzelnen. Grundlage iſt dabei das Streben, an die Stelle der früheren Vorſchriften über die Produktion ein Syſtem von Special- bildungsanſtalten zu ſetzen, und die erſten auf die innere Sicher- heitspolizei zu beſchränken. Die eigentliche Regierung ihrerſeits bildet ſich für die Vollziehung dieſer Aufgabe des Staats jetzt eigene nach den Haupterwerbsformen organiſirte ſelbſtändige Miniſterien mit eigenen Sektionen; die Selbſtändigkeit jener Erwerbsformen aber empfängt ihren frei arbeitenden Organismus in dem von der corporativen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0337"n="313"/>
corporative Recht der Erwerbsarten. Sie ſetzt an ſeine Stelle theils<lb/>
das Gefühl und das Beſtreben, durch <hirendition="#g">poſitive</hi> Maßregeln alle dieſe<lb/>
Gebiete der Volkswirthſchaft zu fördern, theils aber glaubt ſie auch,<lb/>
die wahren Bedürfniſſe derſelben am beſten zu kennen, und erſchöpft<lb/>ſich daher in bevormundenden Vorſchriften. Um dieſe zur Geltung zu<lb/>
bringen, muß ſie ihre Berechtigung an die Stelle des corporativen<lb/>
Rechts ſetzen; die Form daher iſt das <hirendition="#g">Privilegium</hi>; und ſo iſt dieſe<lb/>
Epoche vor allem die des <hirendition="#g">privilegirten Erwerbsrechts</hi>. Der<lb/>
Charakter deſſelben iſt die Herſtellung der Freiheit des Erwerbs im<lb/>
Einzelnen, dafür aber auch die Beſeitigung des Princips der Selbſt-<lb/>
verwaltung. Es iſt die Epoche, wo die großen <hirendition="#g">Erwerbsgeſetz-<lb/>
gebungen</hi> aller Art beginnen, wo aber mehr das Streben nach eudä-<lb/>
moniſtiſcher Fürſorge durch die Regierung als die perſönliche Tüchtig-<lb/>
keit und als die Grundlage der ganzen Entwicklung angeſehen wird.<lb/>
So bildet auch hier dieſe Epoche, die bis in unſer Jahrhundert hinein-<lb/>
reicht, den Uebergang zu der folgenden Epoche.</p><lb/><p>Die dritte Epoche iſt die <hirendition="#g">ſtaatsbürgerliche</hi>, welche eine neue<lb/>
Geſtalt auch in dieſes Gebiet der Verwaltung bringt. Ihr erſtes<lb/>
großes Princip iſt das der individuellen <hirendition="#g">Freiheit</hi>, im Erwerbe wie<lb/>
auf andern Gebieten. Sie ſetzt daher <hirendition="#g">zuerſt</hi> an die Stelle der Cor-<lb/>
porationsrechte und der Privilegien die freie Beſtimmung und Aus-<lb/>
übung <hirendition="#g">jedes</hi> Gewerbes. Allein in ihr iſt der Staat mit ſeiner Re-<lb/>
gierung zugleich der Träger des höchſten <hirendition="#g">allgemeinen</hi> Intereſſes.<lb/>
In dieſem Sinne erkennt er den Werth der möglichſten Entwicklung<lb/>
aller Erwerbsarten. Daraus entſteht das zweite Princip ſeiner Thätig-<lb/>
keit, das Streben, jedem einzelnen Zweige des Erwerbs die beſondern<lb/>
Bedingungen <hirendition="#g">ſeiner</hi> Entwicklung ſo weit zu geben, als derſelbe ſie<lb/>ſich nicht ſelbſt zu ſchaffen vermag. Eben daraus folgt nun das, was<lb/>
den Charakter der äußeren Form der volkswirthſchaftlichen Verwaltung<lb/>
in dieſer Epoche unſerer Gegenwart bildet. Geſetzgebung und Voll-<lb/>
ziehung <hirendition="#g">theilen</hi>ſich in die Aufgabe. Die Intereſſen der Erwerbs-<lb/>
formen werden der polizeilichen Verordnungsgewalt entzogen und zum<lb/>
Gegenſtand ſelbſtändiger <hirendition="#g">Geſetze</hi> auf Grundlage ſelbſtändiger Freiheit<lb/>
des Einzelnen. Grundlage iſt dabei das Streben, an die Stelle der<lb/>
früheren Vorſchriften über die Produktion ein Syſtem von <hirendition="#g">Special-<lb/>
bildungsanſtalten</hi> zu ſetzen, und die erſten auf die innere Sicher-<lb/>
heitspolizei zu beſchränken. Die eigentliche Regierung ihrerſeits bildet<lb/>ſich für die Vollziehung dieſer Aufgabe des Staats jetzt eigene nach den<lb/>
Haupterwerbsformen organiſirte ſelbſtändige <hirendition="#g">Miniſterien</hi> mit eigenen<lb/>
Sektionen; die Selbſtändigkeit jener Erwerbsformen aber empfängt<lb/>
ihren frei arbeitenden Organismus in dem von der corporativen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[313/0337]
corporative Recht der Erwerbsarten. Sie ſetzt an ſeine Stelle theils
das Gefühl und das Beſtreben, durch poſitive Maßregeln alle dieſe
Gebiete der Volkswirthſchaft zu fördern, theils aber glaubt ſie auch,
die wahren Bedürfniſſe derſelben am beſten zu kennen, und erſchöpft
ſich daher in bevormundenden Vorſchriften. Um dieſe zur Geltung zu
bringen, muß ſie ihre Berechtigung an die Stelle des corporativen
Rechts ſetzen; die Form daher iſt das Privilegium; und ſo iſt dieſe
Epoche vor allem die des privilegirten Erwerbsrechts. Der
Charakter deſſelben iſt die Herſtellung der Freiheit des Erwerbs im
Einzelnen, dafür aber auch die Beſeitigung des Princips der Selbſt-
verwaltung. Es iſt die Epoche, wo die großen Erwerbsgeſetz-
gebungen aller Art beginnen, wo aber mehr das Streben nach eudä-
moniſtiſcher Fürſorge durch die Regierung als die perſönliche Tüchtig-
keit und als die Grundlage der ganzen Entwicklung angeſehen wird.
So bildet auch hier dieſe Epoche, die bis in unſer Jahrhundert hinein-
reicht, den Uebergang zu der folgenden Epoche.
Die dritte Epoche iſt die ſtaatsbürgerliche, welche eine neue
Geſtalt auch in dieſes Gebiet der Verwaltung bringt. Ihr erſtes
großes Princip iſt das der individuellen Freiheit, im Erwerbe wie
auf andern Gebieten. Sie ſetzt daher zuerſt an die Stelle der Cor-
porationsrechte und der Privilegien die freie Beſtimmung und Aus-
übung jedes Gewerbes. Allein in ihr iſt der Staat mit ſeiner Re-
gierung zugleich der Träger des höchſten allgemeinen Intereſſes.
In dieſem Sinne erkennt er den Werth der möglichſten Entwicklung
aller Erwerbsarten. Daraus entſteht das zweite Princip ſeiner Thätig-
keit, das Streben, jedem einzelnen Zweige des Erwerbs die beſondern
Bedingungen ſeiner Entwicklung ſo weit zu geben, als derſelbe ſie
ſich nicht ſelbſt zu ſchaffen vermag. Eben daraus folgt nun das, was
den Charakter der äußeren Form der volkswirthſchaftlichen Verwaltung
in dieſer Epoche unſerer Gegenwart bildet. Geſetzgebung und Voll-
ziehung theilen ſich in die Aufgabe. Die Intereſſen der Erwerbs-
formen werden der polizeilichen Verordnungsgewalt entzogen und zum
Gegenſtand ſelbſtändiger Geſetze auf Grundlage ſelbſtändiger Freiheit
des Einzelnen. Grundlage iſt dabei das Streben, an die Stelle der
früheren Vorſchriften über die Produktion ein Syſtem von Special-
bildungsanſtalten zu ſetzen, und die erſten auf die innere Sicher-
heitspolizei zu beſchränken. Die eigentliche Regierung ihrerſeits bildet
ſich für die Vollziehung dieſer Aufgabe des Staats jetzt eigene nach den
Haupterwerbsformen organiſirte ſelbſtändige Miniſterien mit eigenen
Sektionen; die Selbſtändigkeit jener Erwerbsformen aber empfängt
ihren frei arbeitenden Organismus in dem von der corporativen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/337>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.